TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/24 89/06/0086

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Veröffentlicht am 24.09.1992
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauG Vlbg 1972 §17 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §17;
BauG Vlbg 1972 §56 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Fa. X-Werbung in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 4. April 1989, Zl. I-2-1/1989, betreffend die Feststellung der Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes durch Plakatanschlagtafeln (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Mittelberg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Verfahren wird, soweit es die Plakatanschlagtafeln auf den Bauplätzen 3174/1 und 2705/1 betrifft, als gegenstandslos erklärt und gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Mai 1987 wurde der beschwerdeführenden Partei unter Berufung auf § 17 Abs. 1 und 5 in Verbindung mit § 56 Abs. 4 des Vorarlberger Baugesetzes die Beseitigung von acht Plakatanschlagtafeln aufgetragen. Im einzelnen ging es um die Tafeln auf den Grundparzellen Nr. 86/2, 1625/7, 2705/1, 3174/1 und auf den Bauparzellen Nr. 79, 277, 399 und 1204 im Gemeindegebiet. Begründet wurden diese Bescheide im wesentlichen mit der Verwendung für "Fremdwerbung" und der mangelnden Einpassung in das Orts- und Landschaftsbild. Gegen diese Bescheide erhobene Berufungen der beschwerdeführenden Partei blieben erfolglos, wobei die beschwerdeführende Partei insbesondere geltend machte, daß die Behörde nicht auf die bauliche Situation in der Umgebung eingegangen wäre. In den Berufungsbescheiden vom 18. Jänner 1988 wird begründend auf ein in der Zwischenzeit eingeholtes Gutachten des Amtssachverständigen beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 14. September 1987 hingewiesen, demzufolge die Plakatanschlagtafeln wesentliche orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen entfalteten.

2. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der beschwerdeführenden Partei führte zur Aufhebung der Berufungsbescheide mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Mai 1988. Die Begründung ging dahin, daß die Behörde zunächst einen Feststellungsbescheid gemäß § 56 Abs. 4 des Vorarlberger Baugesetzes zu erlassen habe.

3. Im fortgesetzten Verfahren gab die mitbeteiligte Gemeinde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 7. Juni 1988 zunächst Gelegenheit, zum Inhalt der im Zuge des Ermittlungsverfahrens der beschwerdeführenden Partei bereits zugegangenen Gutachten Stellung zu nehmen. Die beschwerdeführende Partei nahm dazu im wesentlichen mit ihren bisherigen Argumenten Stellung.

4. In der weiteren Folge kam es zur Erlassung eines Feststellungsbescheides durch den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Juni 1988. Die Plakatanschlagtafeln beeinträchtigten das Landschafts- und Ortsbild. Der Amtssachverständige für Raumplanung und Baugestaltung beim Amt der Vorarlberger Landesregierung habe in seinen Gutachten festgestellt, daß diese Plakatanschlagtafeln als überproportional große und besonders auffallende Signalelemente in Erscheinung treten und daher eine grobe orts- und landschaftsbildliche Störwirkung nach sich zögen. Sämtliche Gutachten wären der beschwerdeführenden Partei im Zuge des Ermittlungsverfahrens nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei sei nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen zu entkräften.

5. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei blieb erfolglos. Zuvor hatte die mitbeteiligte Gemeinde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 26. September 1988 nochmals die Gutachten übermittelt, da diese in der Berufung behauptete, die Gutachten im einzelnen nicht zur Kenntnis erhalten zu haben. Nunmehr wies die beschwerdeführende Partei mit Stellungnahme vom 10. Oktober 1988 zunächst darauf hin, daß die Baubehörde die vorgeschriebene mündliche Verhandlung nicht durchgeführt habe, welcher Mangel auch nicht durch ein schriftliches Verfahren saniert werden könnte. Die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei enthält ins Detail gehende Auseinandersetzungen mit den Gutachten, weshalb jeweils nicht von einer Störwirkung auszugehen sei.

Mit Berufungsbescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Dezember 1988 wurden die Bescheide hinsichtlich der (von der beschwerdeführenden Partei mittlerweile entfernten) Plakatanschlagtafeln auf Gp. Nr. 86/2 und auf Bp. Nr. 399 aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Im übrigen wurde mit gleichlautenden Berufungsbescheiden derselben Behörde vom 20. Dezember 1988 den Berufungen keine Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide vollinhaltlich bestätigt. Begründend heißt es jeweils, der Amtssachverständige habe in seinen Gutachten festgestellt, daß die angefochtenen Plakatanschlagtafeln das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigten. Diese Fachmeinung werde in den Gutachten ausführlich und schlüssig begründet. Die Gutachten seien der beschwerdeführenden Partei am 26. September 1988 zur Stellungnahme zugeschickt worden und habe diese nichts vorgebracht, was geeignet sei, sie zu entkräften.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei die Vorstellung. Begründend wird zunächst ausgeführt, daß die gegenständlichen Tafeln bereits 37 Jahre bestünden und offenbar bisher weder die Behörde noch die Gemeindebürger gestört hätten. Eigentlicher Stein des Anstoßes wäre weder die Größe noch die Signalwirkung der Werbetafeln, sondern eine bestimmte Art der Werbung gewesen. Der Begründung des Bescheides des Bürgermeisters im ersten Verfahrensgang sei zu entnehmen, daß die Gemeinde es als störend empfunden hätte, daß die Anschlagtafeln zum überwiegenden Teil für sogenannte "Fremdwerbung" verwendet worden seien. Es ginge der Gemeinde daher in Wahrheit nicht um die Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes. Es habe unzulässigerweise keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Erst im Berufungsverfahren habe die Gemeinde die Sachverständigengutachten der beschwerdeführenden Partei zur Stellungnahme übermittelt. Obwohl die beschwerdeführende Partei bereits in der ersten Vorstellung vom 1. Februar 1988 auf die örtliche Situation der einzelnen Tafeln detailliert Bezug genommen habe und überdies auch zum Gutachten des Sachverständigen eine entsprechende Stellungnahme abgegeben habe, sei die Berufungsbehörde in ihrer Begründung auf diese Stellungnahme mit keinem Wort eingegangen, sondern stellte lediglich stereotyp und lapidar fest, das Gutachten sei ausführlich und schlüssig und die beschwerdeführende Partei habe nichts vorgebracht, was zur Entkräftung des Gutachtens geeignet sei. Damit habe die Berufungsbehörde gegen die Begründungspflicht des § 60 AVG verstoßen. Bei der Frage, ob Ankündigungen das Landschafts- und Ortsbild beeinträchtigten oder nicht, sei ferner zu unterscheiden, ob derartige Tafeln - wie im gegenständlichen Falle - in Fremdenverkehrsgemeinden aufgestellt seien oder in Gemeinden ohne Fremdenverkehr. Es sei zu berücksichtigen, daß in Gemeinden mit intensivem Fremdenverkehr eine große Anzahl von Reklame- und Hinweisschildern aufgestellt sei, Gebäude und Anlagen für den Fremdenverkehr errichtet seien und überdies auch ein reger Verkehr herrsche. Alle diese Umstände hätten weder der Sachverständige noch die mitbeteiligte Gemeinde im entsprechenden Ausmaß berücksichtigt. Die Gemeinde stütze sich auf das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes. Mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne darunter aber nur eine erhebliche Störung des Ortsbildes verstanden werden. Im folgenden wird in der Begründung der Vorstellung - wie schon im Berufungsverfahren - auf die einzelnen Werbeanschlagtafeln eingegangen und versucht darzulegen, wieso die von der Behörde angenommene Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes nicht gegeben sei.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Begründend heißt es, daß die Baubehörden ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Verträglichkeit der Werbeanlagen mit dem Landschafts- und Ortsbild durchgeführt und in für die Vorstellungsbehörde durchaus nachvollziehbarer Weise zur Ansicht gekommen wären, daß die angeführten Werbeanlagen das Landschafts- und Ortsbild beeinträchtigten. Die belangte Behörde habe sich auf ein Gutachten des Amtssachverständigen für Landschaftsschutz und Raumplanung beim Amt der Vorarlberger Landesregierung, das bei sämtlichen Plakatanschlagtafeln gravierende Beeinträchtigungen des Landschafts- und Ortsbildes feststellt, gestützt. Diese Feststellungen wären in dem Gutachten ausführlich und schlüssig begründet worden. Die Vorstellungswerberin habe nichts vorgebracht, was geeignet wäre, die Gutachten auch nur ansatzweise zu entkräften. Die Vorstellungswerberin habe der Vorstellungsbehörde zur Untermauerung ihres Standpunktes, die Plakatanschlagtafeln würden Interessen des Orts- und Landschaftsbildes nicht verletzen, Lichtbilder vorgelegt. Selbst aus diesen Lichtbildern, welche die Werbeanlagen aus dem für die Vorstellungswerberin günstigsten Blickwinkel zeigen, sei die massive Störwirkung ohne weiteres ersichtlich. Der Umstand, daß diese Werbeanlagen durch lange Zeit von der Baubehörde unbeanstandet geblieben wären, sei keinesfalls geeignet, den Standpunkt der Vorstellungswerberin zu stützen. Schließlich sei in der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung kein Verfahrensmangel zu erblicken, da das Gesetz für Feststellungsbescheide im Sinne des § 56 Abs. 4 des Baugesetzes keine mündliche Verhandlung vorsehe.

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet wird. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde haben Gegenschriften erstattet, in welchen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen. In den Gegenschriften wird weiters ausgeführt, daß der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde in der Zwischenzeit mit Bescheiden vom 15. Juni 1989 die Feststellungsbescheide hinsichtlich der Plakatanschlagtafeln auf den Gpn. Nr. 2705/1 und 3174/1, KG. Mittelberg, aufgehoben habe, sodaß hinsichtlich dieser Plakatanschlagtafeln die beschwerdeführende Partei materiell klaglos gestellt sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgebenden Vorschriften des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, lauten wie folgt:

§ 17 Abs. 1

"Ankündigungen und Werbeanlagen jeder Art einschließlich Schaukästen und Beleuchtungen dürfen nur mit Bewilligung der Behörde angebracht werden. Die Bewilligung ist zu versagen, wenn das Landschafts- und Ortsbild oder Interessen des Verkehrs beeinträchtigt oder unzumutbare Belästigungen verursacht werden. Wenn solche Gründe für eine Versagung nicht vorliegen, ist die Bewilligung zu erteilen."

§ 56 Abs. 4

"Auf Ankündigungen und Werbeanlagen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes angebracht wurden, ist der § 17 Abs. 5 bis 8 anzuwenden, wenn die Behörde durch Bescheid festgestellt hat, daß durch diese Ankündigungen und Werbeanlagen das Landschafts- und Ortsbild oder Interessen des Verkehrs beeinträchtigt oder unzumutbare Belästigungen verursacht werden."

§ 17 Abs. 5 bis 7 enthalten nähere Bestimmungen über die Entfernung konsensloser (also: hier störender) Werbeanlagen und Sondervorschriften für Geschäfts- und Betriebsanlagenbezeichnungen. § 17 Abs. 8 schließt die Geltung dieser Vorschriften außerhalb des bebauten Gebietes aus.

2. Der angefochtene Bescheid bezieht sich seiner Einleitung nach auf Werbetafeln der beschwerdeführenden Partei auf allen acht ursprünglichen Standplätzen und beruht offensichtlich auf der aktenwidrigen Annahme, daß die Berufungsbehörde sämtliche Bescheide bestätigte. Demgegenüber hat die Berufungsbehörde den Rechtsmitteln der Beschwerdeführerin in zwei Fällen, nämlich hinsichtlich der Werbetafeln auf Gp. Nr. 86/2 und Bp. 399, welche von der Beschwerdeführerin bereits entfernt worden waren, stattgegeben und die Feststellungsbescheide des Bürgermeisters aufgehoben. Die Vorstellung der Beschwerdeführerin richtete sich auch ausdrücklich nur gegen jene Bescheide der Berufungsbehörde vom 20. Dezember 1988, "sofern nicht unserer Berufung Folge gegeben wurde", d.h. nicht gegen die Aufhebungsbescheide in den zwei genannten Fällen. Dennoch hat die Vorstellungsbehörde nicht etwa dadurch eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr - mangels Vorliegens einer Vorstellung - in diesen beiden Fällen nicht zukam, weil sie ihre Vorstellungsentscheidung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Spruches auf die Vorstellung der Beschwerdeführerin beschränkte, soweit sich diese gegen "diese Bescheide", nämlich jene richtete, mit denen die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde den Berufungen der Beschwerdeführerin KEINE Folge gab. Die zufolge Bezugnahme auf alle acht Standorte sich ergebende aktenwidrige Feststellung im Spruch des angefochtenen Bescheides, daß der Gemeindevorstand mit Bescheiden vom 20. Dezember 1988 sämtlichen Berufungen der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben hat, führte daher zwar zu einem mißverständlichen Spruch des angefochtenen Bescheides, nicht aber zu seiner Rechtswidrigkeit.

Auf Grund der unbestrittenen Mitteilung in den Gegenschriften ist weiters von der Aufhebung der Feststellungsbescheide hinsichtlich der Plakatanschlagtafeln auf den Gpn. Nr. 2705/1 und 3174/1 durch den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 15. Juni 1989, also nach Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, auszugehen. Insoweit entfaltet der angefochtene Bescheid keine für die Beschwerdeführerin nachteilige Rechtswirkungen mehr; auch würde die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch sonst keine Änderung mehr erfahren. Durch die Aufhebung der - nicht beschwerdegegenständlichen - Berufungsbescheide ist daher zwar keine formelle Klaglosstellung im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG erfolgt, wohl aber eine Klaglosstellung in materiellen Sinne, sodaß das verwaltungsgerichtliche Verfahren insoweit für gegenstandslos zu erklären und in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen war (vgl. den hg. Beschluß vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0022, u.v.a.).

3. Hinsichtlich der übrigen Werbetafeln (auf Bp. Nr. 79, 277 und 1204 sowie Gp. Nr. 1625/7) läßt sich die Beschwerdebehauptung dahingehend zusammenfassen, daß die Behörde die Amtssachverständigengutachten in einem "Geheimverfahren" ohne mündliche Verhandlung eingeholt habe, daß sie auf die detaillierten Stellungnahmen der beschwerdeführenden Partei nicht eingegangen sei, sondern lediglich stereotyp und lapidar festgestellt habe, die Gutachten seien ausführlich und schlüssig und die beschwerdeführende Partei habe nichts vorgebracht, was zur Entkräftung der Gutachten geeignet sei. Die "erhebliche" Störung des Ortsbildes im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liege nicht vor. Wie aus den Stellungnahmen der beschwerdeführenden Partei zu den einzelnen Gutachten ersichtlich sei, befänden sich die Plakatanschlagtafeln entweder in der Nähe von Gewerbebetrieben (wie Cafes, Lebensmittelgeschäften, Hotels, Lift- und Seilbahntalstationen), auf Parkplätzen in der Nähe von Talstationen mit Kiosken etc. oder an stark frequentierten Durchzugsstraßen.

4. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1980, VwSlg. N. F. Nr. 10.067/A, setzt die Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "Beeinträchtigung" des Ortsbildes im § 17 des Vorarlberger Baugesetzes eine in den Bereich der Rechtsanwendung fallende Wertung auf Grund eines bestimmt festzustellenden Sachverhaltes voraus, sei also eine gemischte Rechts- und Sachfrage. Insofern müsse auch das Gutachten des Sachverständigen nicht nur reine Sachverhaltsermittlungen, sondern bereits derartige Wertungen enthalten. Damit die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entsprechend ihrer Verpflichtung diese Schlüsse nachvollziehen können, bedürfe es der detaillierten Wiedergabe des konkreten Sachverhaltes, aus dem der Sachverständige sein Gutachten schöpfe (Befund). Beschränke sich dieser Befund jedoch auf ganz wenige Angaben, aus denen für das Ortsbild überhaupt nichts abgeleitet werden kann, führe dies zu einer Verletzung von Verfahrensvorschriften. In seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 85/06/0167, hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, daß bei der Frage, ob eine Werbetafel das Ortsbild beeinträchtigt, nicht vom Ortsbild schlechthin auszugehen sei, sondern von der baulichen Maßnahme und ihrer näheren Umgebung. Das Ortsbild ergebe sich aus dem Gesamteindruck der verschiedenen Objekte im örtlichen Zusammenhang. Selbst das Vorhandensein einzelner störender Objekte könne nicht dazu führen, daß ein weiterer Eingriff in das Ortsbild nicht mehr als störend angesehen werden könne, soweit überhaupt noch ein schutzwürdiges vorhanden ist.

5. Im Kern des gegenständlichen Verfahrens steht somit die Frage, ob die belangte Behörde im Licht der einzelnen Sachverständigengutachten und der Darlegung der beschwerdeführenden Partei in den verschiedenen Stadien des Verwaltungsverfahrens insbesondere aber auch im Lichte ihrer detaillierten Stellungnahme im Berufungs- und Vorstellungsverfahren zu Recht von einer erheblichen Störung des Orts- und Landschaftsbildes ausgehen konnte.

Dazu ist es erforderlich, im einzelnen auf die Gutachten und die Äußerungen der beschwerdeführenden Partei dazu einzugehen.

Zur Plakatanschlagtafel auf Bp. Nr. 79:

Im Gutachten wird ausgeführt, daß sich die Plakatanschlagtafel im Ortsteil Außerriezlern unmittelbar an der Bundesstraße befände; sie sei an der Außenwand eines Heustadels aufgebracht und habe ein Ausmaß von ca. 6,20 m x 3,50 m. Bei dem Heustadel handle es sich um ein Holzgebäude mit Schindeldach in der für das Tal charakteristischen Bauform. In der Nachbarschaft befänden sich einige Einzelbebauungen entlang der Bundesstraße, unter anderem ein dreigeschoßiges Hotel sowie die Garage eines Busunternehmens samt Parkplatz. Größere Reklameeinrichtungen seien in diesem Bereich nicht vorhanden. Das Erscheinungsbild dieses Bereiches sei sowohl durch die vorhandene Bebauung als auch durch die im oberen Teil unbebauten und eine reiche landschaftliche Gliederung aufweisenden Hangflanken gekennzeichnet. Die gegenständliche Plakatanschlagtafel, die vor allem aus der Sicht von Nordosten sehr gut einsehbar wäre, trete hier als ein überproportional großes und besonders auffallendes Signalelement in Erscheinung. Sowohl der Heustadel mit seiner traditionellen Bauform und Materialverwendung als auch der gesamte Umgebungsbereich würden dadurch gestalterisch verunklärt. Durch die hier vorhandene Plakatierungstafel wären daher nach Auffassung des Gutachters wesentliche orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen gegeben.

In ihrer Stellungnahme dazu wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, daß sich laut dem Gutachten in der unmittelbaren Nähe dieser Tafel unter anderem ein dreigeschoßiges Hotel sowie die Garage eines Busunternehmens samt Parkplatz befänden. Die gesamte Umgebung sei gewerblich geprägt. Die Plakattafel füge sich organisch in das Ortsbild ein. Die optische Wirkung des Stallgebäudes bliebe unbeeinträchtigt. Eine wesentliche Störung des Landschafts- und Ortsbildes liege ebenfalls nicht vor.

Zur Plakatanschlagtafel auf Bp. Nr. 277:

Der Gutachter führt aus, daß sich die Plakatanschlagtafel unmittelbar an der Schwändestraße an der Außenwand eines Stallgebäudes befände und ein Ausmaß von ca. 3,70 m x 2,60 m habe. Das Stallgebäude sei direkt dem landwirtschaftlichen Wohngebäude zugeordnet und besitze eine durchgehende Außenwandverschalung aus Holz. In der unmittelbaren Nachbarschaft befänden sich einige Privathäuser, ein Hotel sowie ein Lebensmittelgeschäft. Die vorhandenen Bauten hätten durchwegs etwa zwei bis drei Geschoße und wiesen eine maßstäbliche baukörperliche Größenordnung auf. Der nordwestseitig der Schwändestraße gelegene Flächenbereich sei unbebaut und erstrecke sich hangaufwärts bis zum bestehenden Waldrand. Größere Reklameeinrichtungen seien in diesem Bereich bisher nicht vorhanden. Insgesamt ergebe sich somit auf Grund der vorhandenen Bausubstanz, der naturräumlichen Gegebenheiten sowie auch zufolge der charakteristischen Sichtbeziehungen zum gegenüberliegenden Talbereich ein weitgehend intaktes und qualitätsvolles Gesamterscheinungsbild dieses Ortsbereiches. Die gegenständliche Plakatanschlagtafel trete in der gegebenen Lage als ein überproportional großes und besonders auffallendes Signalelement hervor, das sowohl das Stallgebäude als auch den gesamten Umgebungsbereich gestalterisch verunkläre. Durch die Plakatierungstafeln wären daher nach Auffassung des Gutachters wesentliche orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen gegeben.

Dazu wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, daß sich die Tafel im Ortsbereich von Riezlern befände. Dies könne nicht störend wirken, da Riezlern als Zentrum des Fremdenverkehrs des kleinen Walsertales durch die moderne Gestaltung der Restaurants, Hotels und nicht zuletzt des Casinos diesem Anspruch gerecht werde. Die Tafel sei relativ unauffällig an der Außenseite eines Stadels angebracht; wesentlich auffälliger wirke - wie einer Lichtbildbeilage zu entnehmen sei - beispielsweise das an der Hauswand des benachbarten Gebäudes angebrachte Bild.

Zur Plakatanschlagtafel auf Bp. Nr. 1204:

Der Gutachter führt aus, daß sich die Plakatanschlagtafel im Ortsteil Baad im Bereich des bestehenden Siedlungsrandes befände; sie sei an der Außenwand eines Holzstadels aufgebracht und habe ein Ausmaß von ca. 5,50 m x 2,50 m. Der Holzstadel sei einem bestehenden Wohngebäude zugeordnet, das sich am Eingang in die Seitentäler Bergunt, Derra und Tura befände. Es handle sich hier vor allem aus der Sicht des Zufahrtweges in Richtung Südwesten um einen landwirtschaftlich sehr eindrucksvollen und intakten Bereich.

Die gegenständliche Plakatanschlagtafel trete hier als ein überproportional großes und besonders auffallendes Signalelement in Erscheinung. Sowohl der Holzstadel mit seiner traditionellen Bauform und Materialverwendung als auch der gesamte Umgebungs- und Sichtbereich würden dadurch gestalterisch verunklärt. Durch die vorhandene Plakatierungstafel wären daher nach Auffassung des Gutachters wesentliche orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen gegeben.

Dagegen wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, daß die Tafel in unmittelbarer Nähe des Kaffees Norrishütte im Ortsteil Baad aufgestellt sei; neben dem angeführten Gastronomiebetrieb befänden sich in unmittelbarer Nähe ein Lebensmittelgeschäft und eine Tabakwarenhandlung. Die gewerblichen Betriebe mit ihren Reklameeinrichtungen prägten das Landschafts- und Ortsbild in weit höherem Maße als die Plakattafel; insbesondere werde im Garten des Gastgewerbebetriebes auf den Sonnenschirmen in auffallendster Weise Reklame für Zigaretten und Getränke gemacht.

Zur Plakatanschlagtafel auf Gp. Nr. 1625/7:

Der Gutachter führt aus, daß sich die Plakatanschlagtafel an der Schwarzwasser Talstraße vor dem Hintergrund einer steilen und unbebauten Hangböschung befände. Die Tafel habe ein Ausmaß von ca. 3,70 m x 2,60 m und sei freistehend sowie rechtwinkelig zur Straße angeordnet. Entlang der Schwarzwasser Talstraße befänden sich in lockerer Folge einige Einzelbebauungen in maßstäblicher Größenordnung; größere Teile dieses Gebietes seien jedoch unverbaut, so etwa der Bereich gegenüber der Straße sowie hangaufwärts des Tafelstandortes. Größere Reklameeinrichtungen seien in diesem Bereich bisher nicht vorhanden. Ingesamt ergebe sich somit ein weitgehend intaktes und qualitätsvolles Gesamterscheinungsbild dieses Ortsbereiches, wobei vor allem auch auf den attraktiven Blick auf Riezlern und die dahinterliegender Bergkulisse des Fellhorn- und Söllergebietes hinzuweisen sei. Die gegenständliche Plakatanschlagtafel, die sowohl von Nordosten als auch von Südwesten sehr gut einsehbar sei, trete hier als ein überproportional großes und besonders auffallendes Signalelement in Erscheinung, das zu einer optischen Verunklärung dieses Bereiches führe und nach Auffassung des Gutachters grobe orts- und landschaftsbildliche Störwirkungen nach sich zöge.

Dazu führte die beschwerdeführende Partei aus, daß die Schwarzwasser Talstraße das riesige Schigebiet Ifen 2000 erschließe. An dieser unruhigen, viel befahrenen Straße könne eine Werbeanlage nicht störend wirken. Gegenüber der Plakattafel befände sich der Parkplatz für den Parsenn-Lift sowie die Talstation der Liftanlage. An dieser wären mehrere großflächige Reklameschilder angebracht. Von einem intakten und qualitätsvollen Gesamterscheinungsbild des Ortsbereiches könne, wie ebenfalls den Lichtbildern unschwer zu entnehmen ist, nicht gesprochen werden.

Die von der Beschwerdeführerin gegen die einzelnen Gutachten erhobenen Einwände wurden sowohl von der Berufungsbehörde als auch von der belangten Behörde mit dem Hinweis abgetan, sie seien nicht geeignet, das Gutachten zu entkräften. Dies träfe jedoch nur dann zu, wenn sich die Beschwerdeführerin auf eine Bestreitung der gutachtlichen Schlußfolgerungen beschränkt hätte, ohne diesen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Damit hat sich die Beschwerdeführerin jedoch keineswegs begnügt: Wie aus den oben wiedergegebenen Einwänden ersichtlich ist, behauptet die Beschwerdeführerin konkret in allen Fällen - der Sache nach - auch eine Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit des Befundes über die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten. Mit diesen Einwänden hätte sich die Berufungsbehörde aber - allenfalls unter Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen - im Detail auseinandersetzen müssen. Es kann jedenfalls aufgrund der Aktenlage und ohne nähere Begründung nicht nachvollzogen werden, aus welchen Gründen diesen Einwänden der Beschwerdeführerin VON VORNHEREIN die EIGNUNG abgehen soll, die gutachtlichen Feststellungen (unter Umständen mit Konsequenzen für die gutachtlichen Schlußfolgerungen) zu ergänzen oder auch zu entkräften. Dadurch, daß die belangte Behörde diese Ergänzungsbedürftigkeit des auf Gemeindeebene durchgeführten Verwaltungsverfahrens nicht erkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit in den Entscheidungsgründen auf frühere, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Erkenntnisse verwiesen wird, wird Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, in Erinnerung gebracht.

Schlagworte

Gutachten rechtliche Beurteilung Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild Landschaftsbild

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989060086.X00

Im RIS seit

24.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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