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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1175;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der I in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 16. Jänner 1992, Zl. UVS-11/19/2-1991, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war bis zu ihrer Scheidung am 17. September 1990 mit F verheiratet, mit welchem sie in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (GesBR) das Hotel "XY" in S betrieb. Am 6. August 1990 erstattete das Arbeitsamt Salzburg gegen F Anzeige wegen Übertretung gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), weil er als Verantwortlicher des Hauses XY den philippinischen Staatsbürger E.D. vom 1. Juni 1990 bis zum 1. Juli 1990 unerlaubt beschäftigt habe. Dieses Verfahren wurde in der Folge gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG eingestellt und gleichzeitig gegen die Beschwerdeführerin als Inhaberin der für den Hotelbetrieb erforderlichen Konzessionen fortgesetzt.
In ihrer Rechtfertigung vom 14. März 1991 machte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Scheidung geltend, die bestandene GesBR zum Betrieb des Hauses XY sei mit 31. Dezember 1989 einvernehmlich aufgehoben worden, es treffe sie daher keine verwaltungsstrafrechtliche Haftung für die unerlaubte Beschäftigung des E.D. Die Beschwerdeführerin habe bereits am 1. April 1989 die häusliche Gemeinschaft mit F aufgelöst und habe die Führung des Hotels (Vertretung und Geschäftsführung) konkludent ihrem Mann übergeben. Dieses Vorbringen wiederholte die Beschwerdeführerin in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme vom 15. Mai 1991; durch die per 1. April 1989 de facto und per 31. Dezember 1989 formelle Auflösung der GesBR seien alle ihre Rechte und Pflichten als Mitglied dieser Gesellschaft schon ein halbes Jahr vor der angeblichen Begehung der strafbaren Handlung erloschen.
Mit Straferkenntnis des Magistrates Salzburg vom 18. Juli 1991 wurde die Beschwerdeführerin dann gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit zu fünf Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt, weil sie in Salzburg den philippinischen Staatsbürger E.D. vom 1. Juni 1990 bis zum 1. Juli 1990 beschäftigt habe, ohne daß eine Beschäftigungsbewilligung oder ein Befreiungsschein vorgelegen sei. Mit Rücksicht darauf, daß die Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt Inhaberin der zum Betrieb des Hotels erforderlichen Konzessionen gewesen sei, könne keinesfalls die Rede davon sein, daß sich die Beschwerdeführerin mit 1. April 1989 völlig aus dem Geschäft zurückgezogen und keinerlei Einfluß mehr auf die Betriebsführung gehabt habe. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte auch die Gewerbeberechtigung bereits zu diesem Zeitpunkt entsprechend geändert werden müssen. Die Beschwerdeführerin habe daher zumindest fahrlässig die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu verantworten.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gestand die Beschwerdeführerin zu, daß die ihr erteilten Konzessionen nach wie vor aufrecht seien. Dies ändere aber nichts daran, daß sie gemäß ihrem Vorbringen ab 1. April 1989 in der Führung des Hotels keine Dispositions- und Kontrollmöglichkeiten mehr gehabt habe. Sie könne daher mangels Verschuldens nicht nach dem AuslBG bestraft werden.
Im Berufungsverfahren führte die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin beantragten Einvernahmen der Zeugen M und F durch. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Jänner 1992 gab die belangte Behörde sodann der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG keine Folge und bestätigte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vollinhaltlich. Die beiden im Berufungsverfahren vernommenen Zeugen hätten im wesentlichen übereinstimmend angegeben, daß die Beschwerdeführerin das gemeinsame Haus und Hotel mit 1. April 1989 verlassen habe, daß sie seit diesem Zeitpunkt bei der Betriebsführung des Hotels keinerlei Dispositions- und Kontrollbefugnisse gehabt habe und daß die diesem Betrieb zugrunde gelegene GesBR im Zuge der Ehescheidung am 17. September 1990 rückwirkend mit Wirksamkeit
31. Dezember 1989 aufgelöst worden sei. Seit der Scheidung sei F Alleineigentümer des Hotels, die Geschäftsführungsbefugnisse seien ab 1. April 1989 auf ihn übergegangen, sodaß er als Arbeitgeber des E.D. verantwortlich gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht sei von § 9 Abs. 1 VStG auszugehen, wonach im Falle einer GesBR, von speziellen Ausnahmen abgesehen, derjenige strafrechtlich verantwortlich sei, der zur Vertretung nach außen berufen sei. Die Vertretung wie die Geschäftsführung einer GesBR stehe, abgesehen von gegenteiligen gesellschaftsvertraglichen Regelungen, grundsätzlich den Gesellschaftsmitgliedern zu, sodaß "gestützt auf die Ausführungen der Zeugen und der Beschuldigten selbst, die diesbezügliche Vertretungsbefugnis der Beschuldigten als bestanden zu haben, angenommen werden" könne. Eine konkludente Auflösung der GesBR mit der Wirkung der Beendigung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung sei nur unter der Voraussetzung möglich, daß unter Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Grund übrig bleibe, an der entsprechenden Auflösung zu zweifeln. Im vorliegenden Fall bestünden jedoch, unabhängig vom Verlassen von Haus und Hotel durch die Beschwerdeführerin mit 1. April 1989, einige Anhaltspunkte für ein Fortbestehen des Gesellschaftsverhältnisses, sodaß Zweifel an der nunmehr behaupteten stillschweigenden Beendigung desselben gerechtfertigt erschienen. Es werde daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin als zum Zeitpunkt der inkriminierten Tat nach wie vor bestehend erachtet. Solche Anhaltspunkte erblickte die belangte Behörde einerseits darin, daß der Name der Beschwerdeführerin auf dem Stempel am Antrag um Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung für E.D. vom 16. Mai 1990 aufscheine, sowie andererseits in dem von der Beschwerdeführerin selbst behaupteten aufrechten Bestand ihrer Konzessionen zum Hotelbetrieb. Die Zeugenaussagen hätten auch ergeben, daß seitens der Beschwerdeführerin nach der behaupteten konkludenten Gesellschaftsauflösung auf die zu veranlassende Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung für E.D. hingewiesen worden sei. Aus diesen Umständen ergebe sich, daß das entsprechende Gesellschaftsverhältnis im Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung "faktisch zwar beendet gewesen sein mag", die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 1 VStG jedoch auf Grund der nach außen in Erscheinung getretenen Umstände aufrecht bestanden habe. Sie habe daher zumindest die fahrlässige Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung zu verantworten, weil sie die notwendige Sorgfalt, wenigstens zur Veranlassung der rechtzeitigen Beantragung der Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche einer rechtlich noch bestehenden GesBR nicht wahrgenommen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach dem gesamten Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht wegen Übertretung des AuslBG bestraft zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, daß E.D. zur Tatzeit im damaligen Hotel XY ohne die nach dem AuslBG erforderliche Bewilligung beschäftigt war. Allein strittig ist im Beschwerdefall die Frage, ob die Beschwerdeführerin dafür als ehemalige Gesellschafterin jener GesBR, die dieses Hotel betrieben hat, verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid vom aufrechten Bestand dieser GesBR im Tatzeitpunkt ausgegangen, zumal sie die von ihr bejahte Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin ausschließlich darauf stützt, daß sie gemäß § 9 Abs. 1 VStG als für diese GesBR Vertretungsberechtigte strafrechtlich einzustehen habe. Auch die Beschwerdeführerin geht in ihrer Beschwerde davon aus, daß die GesBR im Tatzeitpunkt noch nicht aufgelöst gewesen sei. Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist allerdings unbegründet, hat doch die Beschwerdeführerin selbst ursprünglich von einer "de facto-Auflösung" der GesBR per 1. April 1989 gesprochen.
Der Verwaltungsgerichtshof folgt der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, wonach es nicht entscheidend darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die frühere GesBR, sei es konkludent oder formell, aufgelöst worden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob und wann es zu einer gesellschaftsrechtlich verbindlichen Einigung der Gesellschafter betreffend eine geänderte Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis gekommen ist. Der angefochtene Bescheid erweist sich aus diesem Blickwinkel unter Zugrundelegung der Auffassung der belangten Behörde vom aufrechten Bestand der GesBR im Tatzeitpunkt als rechtswidrig.
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Zur Vertretung wie zur Geschäftsführung einer GesBR sind grundsätzlich alle Teilhaber berufen; allerdings kann sowohl die Geschäftsführung als auch die Vertretung im Gesellschaftsvertrag (abweichend) geregelt werden (vgl. dazu die Ausführungen bei Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5, S. 63 und 66).
Die Beschwerdeführerin hat schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht, und die von ihr dazu geführten Zeugen haben dies im Berufungsverfahren bestätigt, daß es am 1. April 1989 zwischen ihr und F als den Gesellschaftern der GesBR zu einer Einigung dahin gekommen ist, daß ab diesem Zeitpunkt Geschäftsführung und Vertretung der GesBR ausschließlich dem nunmehr geschiedenen Gatten der Beschwerdeführerin zukommen sollten, während die Beschwerdeführerin keine Dispositions- und Kontrollbefugnisse behalten und das Haus verlassen sollte. Die belangte Behörde hat sich allerdings, obwohl sie selbst davon ausging, daß die Vertretung einer GesBR gesellschaftsvertraglich abweichend von der Vertretungsbefugnis der Gesellschaftsmitglieder geregelt werden könne, zu den entsprechenden Konsequenzen aus einer diesbezüglichen Feststellung nicht veranlaßt gesehen. Sie hat vielmehr in Verkennung der Rechtslage die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung der Beschwerdeführerin ausschließlich mit der Begründung bejaht, daß bestimmte äußere Umstände erkennen ließen, daß die GesBR über den 1. April 1989 hinaus bestanden habe.
Diese von der belangten Behörde festgestellten äußeren Umstände vermögen auch nicht die Annahme zu rechtfertigen, der Beschwerdeführerin sei trotz der getroffenen Absprache über den 1. April 1989 hinaus Vertretungsmacht für die GesBR zugekommen. Sie hatte nach dem Gesagten keinen Einfluß darauf, welcher Firmenstempel bei der Antragstellung um Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung für E.D. verwendet wurde. Auch wird die Beschwerdeführerin durch den Umstand, daß sie selbst ihren Gatten und ihren Sohn auf die Notwendigkeit dieser Verlängerung hingewiesen hat, nicht dafür verantwortlich, daß dieser Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden ist. Aber auch die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin Inhaberin der für den Hotelbetrieb erforderlichen Konzessionen war, sagt für sich allein nichts über die für eine Haftung nach § 9 Abs. 1 VStG vorausgesetzte Vertretungsbefugnis aus.
Da die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage somit der Beschwerdeführerin zu Unrecht eine schuldhafte Verletzung der Vorschriften des AuslBG zum Vorwurf machte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für die Vorlage entbehrlicher Beilagen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090138.X00Im RIS seit
25.09.1992