TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/25 92/09/0224

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Veröffentlicht am 25.09.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb idF 1988/231;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. März 1991, Zl. MA 62-III/312/90/Str, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Z in M, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im ersten Rechtsgang im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Februar 1990 wurde die mitbeteiligte Partei schuldig erkannt, sie habe es als zur Vertretung nach außen Berufener der X-GmbH gemäß § 9 VStG zu verantworten, daß die genannte juristische Person als Arbeitgeber am 20. Juli 1988 sieben Ausländer (jugoslawische Staatsangehörige), für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt gewesen sei, mit Bau-(Maurer-)Arbeiten auf einer Baustelle beschäftigt habe. Die mitbeteiligte Partei habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 begangen. Gleichzeitig setzte der Landeshauptmann von Wien die über die mitbeteiligte Partei verhängte Geldstrafe auf S 105.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) herab.

Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/09/0074, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Februar 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, die belangte Behörde habe jegliche konkrete Feststellung unterlassen, ob die Tatbestandsvoraussetzung des Beschäftigens nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sachverhaltsmäßig gegeben sei oder nicht. Dies wäre aber im Beschwerdefall schon deshalb notwendig gewesen, weil die mitbeteiligte Partei bereits im Verwaltungsstrafverfahren unter Vorlage des zwischen der Firma "X" und der Firma "Y" am 18. Juli 1988 abgeschlossenen Vertrages das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses der eingesetzten Ausländer zur X-GmbH und damit das Vorliegen einer Tatbestandsvoraussetzung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG bestritten habe. Soweit die belangte Behörde davon ausgegangen sein sollte, daß eine Auseinandersetzung mit diesem Vertrag mangels Bedeutung für die Lösung der im Beschwerdefall aufgeworfenen Rechtsfrage zu unterbleiben gehabt hätte, sei ihr ein Rechtsirrtum unterlaufen. Der von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Vertrag vom 18. Juli 1988 stelle sich seinem Inhalt nach als Werkvertrag dar, in dem die X-GmbH die Herstellung eines Werkes für den Besteller an einen Nach(Sub)unternehmer (die Firma "Y") übertragen habe, ohne daß nach dem vorgelegten Vertrag der "X-GmbH" irgendeine Einflußnahme auf die vom Subunternehmer eingestellten Arbeitskräfte zugekommen sei. Treffe dieses von der mitbeteiligten Partei bereits im Verwaltungsverfahren unter Vorlage des Werkvertrages erstattete Vorbringen zu, sei die "X-GmbH" zur ausländischen "Entsenderfirma", die Arbeitgeber der ausländischen Arbeitskräfte im Sinn des § 18 Abs. 1 AuslBG sei, ausschließlich in einer werkvertraglichen Beziehung gestanden. Der Einsatz der ausländischen Arbeitskräfte wäre demnach ausschließlich zur Durchführung der von der Firma Y der X-GmbH gegenüber übernommenen Verpflichtungen zur Erfüllung aus dem abgeschlossenen Werkvertrag erfolgt. Unbeschadet der auch in diesem Fall gegebenen Bewilligungspflicht nach § 18 Abs. 1 AuslBG könne aber in diesem Fall das inländische Unternehmen nicht als Betrieb, in dem der Ausländer beschäftigt werde (im Sinn des § 2 Abs. 3 lit. b AuslBG) angesehen werden. In Verkennung der Rechtslage habe es die Behörde unterlassen, sich mit dem für die Subsumtion des Verhaltens der mitbeteiligten Partei unter § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a oder b AuslBG erheblichen Vorbringen auseinanderzusetzen.

Mit dem nunmehr vom Landesarbeitsamt Wien bekämpften im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheid vom 6. März 1991 hob der Landeshauptmann von Wien das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG ein. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, aus dem Wortlaut des zitierten Werkvertrages ergebe sich jedenfalls, daß die Firma Y die darin aufgezählten Arbeiten durchzuführen gehabt habe. Aus den Zahlungsbedingungen gehe ferner hervor, daß die Leistung nach den durchgeführten Arbeiten abgegolten werden sollte, nicht jedoch auf Grund der eingesetzten Arbeitnehmer. Aus dem Werkvertrag könne außerdem nicht geschlossen werden, daß die X-GmbH irgendeine Einflußnahme auf die der Firma Y taxativ übertragenen Arbeiten zu nehmen beabsichtigt habe. Aus diesen Gründen sei davon auszugehen, daß die jugoslawischen Staatsangehörigen in einem Arbeitsverhältnis zur Firma Y im Sinn des § 18 Abs. 1 AuslBG und die beiden Firmen ausschließlich in werkvertraglicher Beziehung zueinander gestanden seien. Die X-GmbH könne daher nicht als Betrieb, in welchem die Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. b AuslBG beschäftigt seien, angesehen werden; daher sei das Verhalten der mitbeteiligten Partei nicht unter § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG, sondern unter § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG zu subsumieren. Da die letztgenannte Tat der mitbeteiligten Partei nicht angelastet und diesbezüglich gegen sie innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine rechtsgültige Verfolgungshandlung gesetzt worden sei, sei in der Zwischenzeit Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob das Landesarbeitsamt Wien die auf § 28a AuslBG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestreitet im wesentlichen die aus dem Werkvertrag gezogenen Schlußfolgerungen der belangten Behörde und vertritt die Ansicht, die mitbeteiligte Partei habe eine nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu bestrafende Verwaltungsübertretung begangen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a oder b des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988, anzuwenden ist.

Die Lösung dieser Frage kann jedoch auf sich beruhen, da bezüglich beider Gesetzesbestimmungen der Verfassungsgerichtshof deren Verfassungswidrigkeit festgestellt hat und in beiden Gesetzesprüfungsverfahren die Anlaßfallwirkung dem Beschwerdefall zugute kommt.

Für die Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der zitierten Fassung ergibt sich dies aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, G 294/91, in dem er in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zu Recht erkannt hat, daß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988, verfassungswidrig war. Gleichzeitig hat er nach Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen, daß diese Vorschrift auch auf die derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden ist. In der Kundmachung des Bundeskanzlers über den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, daß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verfassungswidrig war, BGBl. Nr. 105/1992, wird im Abs. 2 - im Einklang mit der Begründung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses - ausgesprochen, daß die genannte Vorschrift (idF der Novelle BGBl. Nr. 231/1988) "auch auf die am 13. Dezember 1991 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anwendbar" ist.

Im Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des Beschwerdevorbringens auch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der Fassung, BGBl. Nr. 231/1988, anzuwenden. Die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei war beim Verwaltungsgerichtshof bereits vor dem 13. Dezember 1991 anhängig.

Auf Grund der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, daß die für den angefochtenen Bescheid maßgebende Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 verfassungswidrig war und des oben wiedergegebenen auf Art. 140 Abs. 7 B-VG gestützten Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes (Erweiterung der Anlaßfallwirkung) ist diese Gesetzesstelle unter anderem auch nicht mehr anzuwenden.

Mit Erkenntnis vom 26. Juni 1992, G 40/92 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren unter anderem zu Recht erkannt, daß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung der Novelle, BGBl. Nr. 231/1988, verfassungswidrig war. Dies hat gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG zur Folge, daß auch diese Gesetzesstelle im Beschwerdefall als einem Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist. Dies hat zur Folge, daß die mitbeteiligte Partei auf Grund keiner der in Betracht kommenden Bestimmungen bestraft werden konnte, weshalb sich die von der beschwerdeführenden Partei bekämpfte Einstellung des gegen die mitbeteiligte Partei geführten Verwaltungsstrafverfahrens im Ergebnis als zutreffend erweist.

Die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf ihr Vorbringen näher einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Anspruches auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren betrifft nicht zu entrichtende Stempelgebühren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090224.X00

Im RIS seit

25.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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