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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1175;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Oktober 1991, Zl. MA 62 - III/177/91/Str, betreffend Bestrafung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.639,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im Zuge eines über Antrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gegen das Dienstleistungsservice S wurde auch der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung zu ihm im Zusammenhang mit der Beschäftigung des U vorgeworfenen Verstößen gegen § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. b und c des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988 (AÜG), im November 1988 aufgefordert und mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (MBA XVIII) vom 21. Dezember 1990 zu zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 5.000,-- verurteilt.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist eine mit 19. März 1991 datierte Berufung erhoben. Dieser ließ er mit Schriftsatz vom 2. April 1991 eine weitere "Berufung" folgen, in welcher er erstmals vorbrachte, Dienstgeber sei das "Dienstleistungsservice S, Personalbereitstellungen und Dienstleistungen aller Art, S-GesnbR.", gewesen; der Beschwerdeführer sei "nicht persönlich haftender Gesellschafter, sondern lediglich atypisch stiller Gesellschafter", weshalb er für Übertretungen gegen das AÜG nicht zu haften habe.
Nach ergänzenden Ermittlungen erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Oktober 1991, mit welchem das Strafverfahren hinsichtlich einzelner Vorwürfe eingestellt, die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen nach § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. b und lit. c AÜG aber in etwas reduziertem Umfang und bei Herabsetzung einer der beiden Geldstrafen auf S 2.000,-- aufrecht blieb.
Zu der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren allein entscheidenden Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde begründend aus, aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Dienstvertrag mit Herrn U sei ersichtlich, daß eine Kündigungserklärung nur an Herrn S und an den Beschwerdeführer sowie an die Filialleiter erfolgen konnte. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er das Gewerbe ("Überlassung von Arbeitskräften") vom 1. Juli 1983 bis zum 1.Juli 1988 ausgeübt habe. Dazu sei zu bemerken, daß ein wesentliches Merkmal des vom Beschwerdeführer behaupteten atypischen Gesellschafters seine Geschäftsführungsbefugnis sei. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer strafrechtlich Verantwortlicher der gegenständlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 25. Feber 1992, B 1366/91-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt seine Aufhebung in dem den erstinstanzlichen Schuldspruch bestätigenden Teil. Er führt dazu u.a. erneut aus, daß er als stiller Gesellschafter von der Vertretung nach außen zwingend ausgeschlossen gewesen und daher nicht nach § 9 VStG strafrechtlich verantwortlich gewesen sei. Feststellungen dahin, daß dem Beschwerdeführer vom Geschäftsinhaber Vertretungsmacht eingeräumt worden sei, hätten die Verwaltungsstrafbehörden nicht getroffen. Zudem wäre selbst dann dem Beschwerdeführer zugute zu halten, daß jedenfalls der "nach außen hin in Erscheinung tretende Gesellschafter, S, als verantwortlicher Beauftragter bestellt" sei, weshalb der Beschwerdeführer von einer Haftung gemäß § 9 VStG befreit sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. In der Gegenschrift geht die belangte Behörde von der Eigenschaft des Beschwerdeführers als Gesellschafter der Firma "S-GesnbR." aus, als welcher er für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts vertretungsbefugt und somit verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gewesen sei. Davon, daß der Beschwerdeführer im Tatzeitraum atypisch stiller Gesellschafter gewesen wäre, sei im angefochtenen Bescheid nicht ausgegangen worden. Daß allein S zum verantwortlichen Beauftragten bestellt gewesen sei, stelle ein unzulässiges neues Vorbringen dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerdeführer als "Überlasser im Sinne des AÜG mit Sitz in W" zur Verantwortung gezogen. Dem von der belangten Behörde ausdrücklich dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Dienstvertrag mit U ist zu entnehmen, daß als Dienstgeber das "Dienstleistungsservice S, Personalbereitstellung und Dienstleistungen aller Art, S-GesnbR." in W, aufgetreten ist. Welche Stellung der Beschwerdeführer im Rahmen dieser bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft zur Tatzeit eingenommen hat, ist in dem dem angefochtenen Bescheid vorangegangenen Verfahren unaufgeklärt geblieben. So erklärt sich auch die widersprüchliche Haltung der belangten Behörde selbst, die im angefochtenen Bescheid zwar vom Vorliegen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, aber zuzüglich von einer für einen atypischen (stillen) Gesellschafter wesentlichen Geschäftsführungsbefugnis ausgeht, in ihrer Gegenschrift hingegen von einer Stellung des Beschwerdeführers als vertretungsbefugter Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft.
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Im Beschwerdefall sind besondere Verwaltungsvorschriften im Sinne dieser Bestimmung nicht gegeben. Die Behauptung, S wäre zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden, stellt, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar. Abgesehen davon müßte diesbezüglich bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1991, Zl. 91/09/0056).
Die Frage, wer zur Tatzeit zur Vertretung der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, die als Dienstgeber aufgetreten ist, nach außen berufen war, ist somit für eine allfällige verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des angefochtenen Bescheides von wesentlicher Bedeutung. Insoweit erweist sich - ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen hier einzugehen war - der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt in jedem Falle als ergänzungsbedürftig.
Sollten die diesbezüglich erforderlichen ergänzenden Erhebungen ergeben, daß der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt Gesellschafter der als Dienstgeber aufgetretenen bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft war, dann wird grundsätzlich von seiner Vertretungsbefugnis und damit von seiner Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG auszugehen sein. Ein stiller Gesellschafter hingegen wäre - ohne allfällige Einräumung von Prokura oder Handlungsvollmacht durch den Geschäftsinhaber - grundsätzlich nicht zur Vertretung des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, berufen (vgl. Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5, S. 169). Eine solche Vertretungsmacht kann auch - anders als dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid getan hat - weder allein daraus abgeleitet werden, daß laut Dienstvertrag eine Kündigung des Dienstnehmers u.a. gegenüber dem Beschwerdeführer erfolgen konnte, noch daraus, daß der Beschwerdeführer in der Zeit VOR dem Abschluß dieses Dienstvertrages (8. November 1988), nämlich bis zum 1. Juli 1988, zugegebenermaßen das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung ausgeübt hat.
Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es dazu der Abhaltung einer vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bedurft hätte (§ 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz in dem für Schriftsatzaufwand und Stempelgebühren beantragten Ausmaß gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den verzeichneten Verhandlungsaufwand.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090114.X00Im RIS seit
25.09.1992