TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/25 92/09/0190

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Veröffentlicht am 25.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
64/03 Landeslehrer;

Norm

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
LDG 1984 §74 Z1;
LDG 1984 §74;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §92;
LDG 1984 §93 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des E in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Lehrer für öffentliche Berufsschulen vom 19. Mai 1992, Zl. prs. 3/21/4/1992, betreffend Einleitungsbeschluß, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Berufsschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Vorarlberg; seine Dienststelle ist die gewerbliche Berufsschule X.

Die Vorarlberger Landesregierung erstattete mit Schreiben vom 2. April 1992 gegen den Beschwerdeführer eine Disziplinaranzeige.

Auf Grund dieser Disziplinaranzeige faßte die belangte Behörde folgenden Einleitungsbeschluß:

"Die Disziplinarkommission für Lehrer an öffentlichen Berufsschulen des Landes hat in ihrer Sitzung vom 15.5.1992 gemäß § 92 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 einstimmig beschlossen, gegen Berufsschuloberlehrer E, aufgrund der Disziplinaranzeige des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 23.3.1992, Zl. IIa-L/Be, samt Unterlagen, ein Disziplinarverfahren durchzuführen.

Es ergibt sich der Verdacht, daß Berufsschuloberlehrer E seine Dienstpflichten durch die in der Disziplinaranzeige des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 23.3.1992 geschilderten Handlungen verletzt hat.

Gegen diesen Beschluß ist gemäß § 92 Abs. 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 kein Rechtsmittel zulässig."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der angefochtene Bescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. August 1992 insofern berichtigt, als das Datum der Disziplinaranzeige von "23.3.1992" durch das Datum "2.4.1992" ersetzt wurde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Nach § 92 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984), BGBl. Nr. 302 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen (Einleitung des Disziplinarverfahrens), so ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung dieser Beschluß dem beschuldigten Landeslehrer, dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

Nach § 74 LDG 1984 sind auf das Disziplinarverfahren, soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist,

1. das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 42 Abs. 1 und 2, 51, 51a, 57, 63 Abs. 1 und 5 erster Satz zweiter Halbsatz, 64 Abs. 2, 67a bis 67g, 68 Abs. 2 und 3 und 75 bis 80 sowie

2. das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, anzuwenden.

Die vorstehende Regelung des § 92 LDG 1984 ist in ihrem Wesensgehalt mit § 123 BDG 1979 inhaltsgleich. Die Heranziehung der zu der zuletzt genannten Bestimmung ergangenen Rechtsprechung ist daher angezeigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. November 1985, Zl. 84/09/0143, Slg. NF Nr. 11.938/A, dargelegt, daß die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung darin gelegen ist, dem einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Dies ist schon deshalb erforderlich, um klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfristen eingeleitet wurde.

Die im Zusammenhang mit dem Einleitungsbeschluß genannten Ermittlungen haben dabei das Ziel zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegeben sind. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, die die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ferner ist von der Disziplinarkommission zu prüfen, ob keine Einstellungsgründe gegeben sind. Die Disziplinarkommission hat in dem der Einleitung vorausgehenden Verfahren nicht positiv zu prüfen, ob eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen wurde, sondern - negativ - zu erheben, ob nicht ein Grund für die Einstellung des Verfahrens vorliegt. Die Kommission muß somit bei Fällung des Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat. Erst im nachfolgenden Verfahren ist ausdrücklich vorgesehen, daß der Sachverhalt "ausreichend" zu klären ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113).

Ein Verdacht kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. "Verdacht" ist mehr als eine bloße Vermutung. Es kommt auf die Kenntnis von Tatsachen an, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann. Bloße Gerüchte und Vermutungen allein reichen für die Einleitung eines Verfahrens nicht aus (vgl. beispielsweise das vorher genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes mit weiteren Judikaturzitaten).

Für den Einleitungsbeschluß kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes insoferne zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Hinblick auf die in den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG festgelegte Begründungspflicht ist die Behörde verhalten, den Grund für die Einleitung des Disziplinarverfahrens in der Bescheidbegründung sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. (Vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1989, Zl. 89/09/0014.).

Wenn auch der angefochtene Bescheid weder die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid enthält noch eine bescheidmäßige Gliederung aufweist, besteht in Übereinstimmung mit den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kein Zweifel an der normativen Qualität der angefochtenen Erledigung.

Da dem angefochtenen Bescheid, wie der bereits vorher dargestellten Wiedergabe zu entnehmen ist, aber jede eigenständige, über den bloßen Hinweis auf die Disziplinaranzeige hinausgehende Begründung fehlt und sich solcherart nicht entnehmen läßt, von welchem Sachverhalt die Behörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, ist der angefochtene Bescheid, insbesondere auch deshalb, weil der genannte Mangel den Verwaltungsgerichtshof daran hindert, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bescheides im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu überprüfen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu können. Die Entscheidung selbst konnte, da die maßgebende Frage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt war, gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Ersatz der Stempelgebührenaufwandes für einen überzähligen Schriftsatz war abzuweisen (vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 7. Februar 1989, Zl. 410/68).

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Einhaltung der Formvorschriften

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090190.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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