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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des A in I, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen die schriftliche Erledigung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 9. Juli 1992, Zl. 947.301/1-2/92, betreffend Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bringt vor, er stehe im Bezug einer Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 80 Prozent. Ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erhöhung dieser Beschädigtenrente sei mit Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 6. Juli 1990 abgewiesen, der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung mit Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Tirol vom 5. Juli 1991 keine Folge gegeben worden.
Mit Eingabe vom 29. Juli 1991 beantragte der Beschwerdeführer bei der nunmehr belangten Behörde die Aufhebung des zuletzt genannten zweitinstanzlichen Bescheides vom 5. Juli 1991 gemäß § 68 AVG, weil das diesem vorangegangene Verfahren mit wesentlichen Mängeln behaftet gewesen sei.
Nach Überprüfung des Falles richtete die belangte Behörde das nunmehr als Bescheid angefochtene Schreiben vom 9. Juli 1992 an den Vertreter des Beschwerdeführers, das folgenden Wortlaut hat:
"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt
Mit Beziehung auf Ihren Antrag vom 29.7.1991 ... wird Ihnen
mitgeteilt, daß auf Grund der nunmehr abgeschlossenen Prüfung
seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales keine
Veranlassung besteht, den Bescheid der Schiedskommission beim
Landesinvalidenamt für Tirol vom 5.7.1991 ... gemäß § 68 des
Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) abzuändern bzw.
aufzuheben.
Nach Auffassung des ho. ärztlichen Fachberaters wurde die zweitinstanzliche Begutachtung durch den neurologischen Gutachter Dr. D ausführlich ... durchgeführt. Auch die von ho. angeordnete nachträgliche chirurgische Befundung und Kausalitätsbegründung sind einwandfrei.
Zu beanstanden ist lediglich, daß der im Rahmen der CT-Untersuchung festgestellte Splitter nicht gesondert nach Richtsatzposition eingeschätzt wurde, wodurch sich die führende neurologische Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 von Hundert durch die weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit von seiten des Splitters auf eine Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 vom Hundert erhöht hätte. Ein Anspruch auf Erhöhung der Beschädigtenrente ist daraus allerdings nicht abzuleiten, weil Herr A auf Grund der Entscheidung des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 31.1.1977 Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 vom Hundert bezieht und der damaligen berufskundlichen Einschätzung bereits eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 vom Hundert gemäß § 7 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 gegenübergestellt wurde.
Hochachtungsvoll
Für den Bundesminister:
XY"
Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, "die umfassende Überprüfung und Abänderung des Bescheides der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Tirol vom 5.7.1991 nach jeder Richtung zu begehren", verletzt.
Die Beschwerde erweist sich aus den nachstehenden Überlegungen aus zwei Gründen als unzulässig.
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den BESCHEID einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Verhandlung eignen oder denen offenbar die Einwendung der entschiedenen Sache oder der MANGEL DER BERECHTIGUNG ZUR ERHEBUNG DER BESCHWERDE entgegenstehen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Unter Bescheiden im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG können nur solche Erledigungen der Behörde verstanden werden, die in einer förmlichen und der Rechtskraft fähigen Weise über konkrete Rechtsverhältnisse absprechen. Unabdingbare Voraussetzung für das Vorhandensein eines Bescheides ist einerseits der Bescheidwille der Behörde, andererseits der Umstand, daß der Bescheid nach außen in Erscheinung getreten ist. Läßt der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen, dann ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Bescheidspruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, ist hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab anzulegen; so spricht etwa die Briefform gegen die Annahme eines Bescheidwillens der Behörde (vgl. zu diesen Überlegungen die reichhaltige, bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 338 ff zusammengestellte Judikatur).
Die im Beschwerdefall angefochtene Erledigung der belangten Behörde läßt ihrer äußeren Form nach keinen Bescheidwillen des Bundesministers für Arbeit und Soziales erkennen; sie ist weder als Bescheid bezeichnet noch entspricht sie sonst dem § 58 AVG über Form und Inhalt von Bescheiden. Es handelt sich vielmehr nur um die in Briefform gekleidete Mitteilung an den Vertreter des Beschwerdeführers, daß sich die belangte Behörde nach eingehender Überprüfung des Falles nicht zu der vom Beschwerdeführer angeregten amtswegigen Vorgangsweise gemäß § 68 AVG veranlaßt sieht. Während aber naturgemäß die Vornahme einer Abänderung und Behebung von Bescheiden gemäß den Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG in Bescheidform zu ergehen hat, sieht das Gesetz für ein Absehen von einer solchen Vorgangsweise keine Bescheiderlassung durch die damit befaßte Behörde vor.
Gemäß dem ersten Satz des § 68 Abs. 7 AVG steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu.
Abgesehen vom fehlenden Bescheidcharakter der angefochtenen Erledigung mangelte dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde deshalb, weil ihm im Hinblick auf den bereits oben wiedergegebenen ersten Satz des § 68 Abs. 7 AVG ein Recht auf "umfassende Prüfung und Abänderung" eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides durch amtswegiges Vorgehen gemäß den Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG nicht zustand und er somit in einem solchen Recht durch die angefochtene Erledigung auch nicht verletzt werden konnte.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und Rechtsbelehrungen Verwaltungsgerichtsbarkeit Bescheidcharakter von Erledigungen nach AVG §68 Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Bescheidcharakter Bescheidbegriff Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090218.X00Im RIS seit
25.01.2001