Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ApKG §22 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Mag.pharm. K in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundeskanzleramt vom 18. Oktober 1989, Zl. D 3/1980, Dr. Sch/SI, betreffend Verhängung von Disziplinarstrafen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer war bis 30. September 1978 Konzessionär und verantwortlicher Leiter einer öffentlichen Apotheke in W. Er wurde in der Folge ab 29. Oktober 1978 als im Volldienst stehender vertretungsberechtigter Apotheker dieser Apotheke bei der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich angemeldet, wobei auf dem Formblatt für die "Anmeldung für pharmazeutische Fachkräfte" in der Rubrik "Rechtl. Stellung:
Konzessionär, Miteigentümer, Pächter, Dienstnehmer" die Eigenschaft als Miteigentümer bejaht wurde.
Mit Bescheid (Disziplinarerkenntnis) vom 28. Jänner 1981 erkannte der Disziplinarrat der Österreichischen Apothekerkammer den Beschwerdeführer schuldig, dieser habe dadurch, daß er in der Zeit von 1972 bis 1. März 1978
1) an P, 1,2 l Opiumtinktur, 120 Ampullen Morphium und Pantopon, etwa 40 g Cocain, ungefähr 10 g Pantopon-Substanz,
20 - 30 Tabletten Dicodid, 1 Schachtel Heptadon und 1 g
Morphium sowie
2) an A etwa 1,1 l Opiumtinktur, 10 Schachteln Morphium-Ampullen zu je 10 Stück und 20 - 30 Tabletten Dicodid verkauft und hiedurch das Verbrechen gegen die Volksgesundheit nach § 6 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes, BGBl. Nr. 234/1951, begangen habe, die Standesehre und das Standesansehen der Apothekerschaft beeinträchtigt und sohin ein Disziplinarvergehen im Sinne des § 18 Abs. 1 des Apothekerkammergesetzes, BGBl. Nr. 152/1947 (im folgenden: ApKG), begangen.
Gemäß § 23 Abs. 1 ApKG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 173/1957 wurden über den Beschwerdeführer folgende Disziplinarstrafen verhängt:
"1)
Gemäß lit. b) eine Geldstrafe in der Höhe von
5 Gehaltskassenumlagen,
2)
gem. lit. c) die dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten,
3)
gem. lit. e) die Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke auf die Dauer von 5 Jahren,
4)
gemäß lit. f) das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes auf die Dauer von 3 Jahren."
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
1.2. Mit Bescheid (Disziplinarerkenntnis) vom 12. März 1982 gab der Disziplinarberufungssenat der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz dieser Berufung keine Folge und bestimmte die Kosten des Disziplinarverfahrens in der Höhe von S 14.922,--, die gemäß § 24 Abs. 1 ApKG der Beschwerdeführer zu tragen habe.
1.3. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Unter anderem auf Grund des vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß dieses Beschwerdefalles gemäß Art. 140 B-VG gestellten Gesetzesprüfungsantrages (A 165/86) hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Oktober 1987, G 181/86 und Folgezahlen (und zwar G 45/87) = ZfVB 1988/2/644, § 21 Abs. 3 zweiter Satz und § 21 Abs. 4 ApKG als verfassungswidrig auf. Der Verfassungsgerichtshof sprach ferner aus, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten und daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. September 1988 in Kraft tritt.
Mit Erkenntnis vom 19. November 1987, Zl. 82/08/0104 = ZfVB 1988/4/1354, hob der Verwaltungsgerichtshof in der Folge den Bescheid des Disziplinarberufungssenates vom 12. März 1982 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, deren Rechtsgrundlage der Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben hatte, auf.
1.4. Mit Ersatzbescheid vom 18. Oktober 1989 sprach der Disziplinarberufungssenat der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundeskanzleramt aus: "Der Berufung wird keine Folge gegeben." Gemäß § 24 Abs. 1 ApKG habe der Beschwerdeführer auch die mit S 10.389,50 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Nach der Begründung dieses Bescheides sei gemäß § 18 Abs. 4 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 54/1989 Verjährung nicht eingetreten. Da sich die Verjährungsbestimmungen nicht zugunsten des Beschwerdeführers auswirken könnten, erweise sich das Recht vor der genannten Novelle in seinen Gesamtauswirkungen für den Beschuldigten günstiger, weil sein festgestelltes disziplinäres Fehlverhalten nach dem neuen Recht in zweifacher Hinsicht tatbildlich wäre, nämlich sowohl nach der Ziffer 1 als auch nach der Ziffer 2 des § 18 Abs. 1 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 54/1989. Demgemäß sei der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen.
Dies gelte aber auch für den Strafausspruch. Die Strafzumessungsgründe seien in erster Instanz nicht nur vollständig erfaßt, sondern auch ihrem tatsächlichen Gewicht entsprechend gewertet worden. Durch die verhängten Strafen seien das Unrecht der Tat und die Schuld des Beschwerdeführers vom Disziplinarrat richtig zum Ausdruck gebracht worden. Insbesondere sei dem Disziplinarrat auch beizupflichten, daß die Disziplinarvergehen die Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Ausbildung von Aspiranten auf Dauer in Frage stellten, weshalb eine zeitliche Befristung der Ausübung dieses Ausbildungsrechtes nicht habe gewährt werden können. Ob und insoweit die sohin schuldgerecht bemessenen Strafen bereits vollzogen worden seien, könne bei der Prüfung der Angemessenheit derselben keine Rolle spielen.
1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.
Mit Beschluß vom 26. Februar 1990, B 122/90, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
1.6. In seiner Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof machte der Beschwerdeführer zum einen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Unterlassung der Prüfung, ob und inwieweit die mit dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis vom 28. Jänner 1981 über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafen in der Zwischenzeit bereits verbüßt worden seien) sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit (unrichtige Beurteilung der Rechtsfrage der Verjährung sowie Unterlassung der Zuerkennung der Anlaßfallwirkungen des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nach Art. 140 Abs. 7 B-VG) geltend. Aus dem Zusammenhang mit der Verfassungsgerichtshofbeschwerde ergibt sich, daß das in Beschwerde gezogene Disziplinarberufungserkenntnis seinem gesamten Inhalte nach angefochten wird.
1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Zulässigkeit der Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen einen Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beruht auf § 21 Abs. 6 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 54/1989.
2.2.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, das im ersten Rechtsgang ergangene Disziplinarberufungserkenntnis sei vom 12. März 1982 bis 19. November 1987, also mehr als fünfeinhalb Jahre hindurch, in Rechtswirksamkeit gestanden. Daher hätte die belangte Behörde hinsichtlich des Punktes 3 (Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke auf die Dauer von fünf Jahren) und des Punktes 4 (Verbot der Ausübung des Apothekerberufes auf die Dauer von drei Jahren) entweder von der Richtigkeit der Aussage des Beschwerdeführers in der Disziplinarberufungsverhandlung vom 18. Oktober 1989, er habe keine pharmazeutischen Tätigkeiten ausgeübt und sich sohin an das Berufsausübungsverbot gehalten, ausgehen oder Erhebungen darüber durchführen müssen, ob der Beschwerdeführer die genannten Disziplinarstrafen bereits verbüßt habe oder nicht. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers sei mit Stillschweigen übergangen worden. Für den Fall der Feststellung bereits erfolgter Strafverbüßung bedeute die Fassung des Spruches des angefochtenen Bescheides eine unzulässige Verdoppelung der Bestrafung. Dies gelte aus Gründen des Zeitablaufes insbesondere für das über den Beschwerdeführer zu Punkt 3 verhängte Leitungsverbot.
2.2.2. § 22 Abs. 1 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 54/1989 lautet:
"Soweit sich aus den Vorschriften dieses Bundesgesetzes nicht anderes ergibt, sind die §§ 107 bis 109 sowie die §§ 111 bis 151 der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, in der zuletzt mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 213/1972 geänderten Fassung sinngemäß anzuwenden."
§ 23 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 173/1957 bestimmt auszugsweise:
"§ 23. (1) Disziplinarstrafen sind:
a)
der schriftliche Verweis;
b)
Geldstrafen bis zur Höhe des 15fachen Betrages der Gehaltskassenumlage, die für einen angestellten Apotheker auf Grund der Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes, BGBl. Nr. 23/1928, jeweils zu leisten ist;
c)
die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten;
d)
die zeitliche oder dauernde Entziehung des Wahlrechtes und der Wählbarkeit zur Apothekerkammer;
e)
die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke;
f)
das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes bis zur Dauer von drei Jahren.
(2) Welche dieser Strafen zu verhängen ist, ist nach der Schwere des Verschuldens und der daraus entstandenen oder drohenden Nachteile zu beurteilen. Die Disziplinarstrafen können auch nebeneinander verhängt werden.
(3) Disziplinarstrafen nach Abs. 1 lit. b bis f können bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren verhängt werden, sofern über den Beschuldigten bisher keine andere Disziplinarstrafe als die des schriftlichen Verweises verhängt worden ist oder eine andere Disziplinarstrafe bereits getilgt ist."
Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Oktober 1987, G 181/86 und Folgezahlen = ZfVB 1988/2/644, den § 21 Abs. 3 zweiter Satz und den § 21 Abs. 4 ApKG als verfassungswidrig aufgehoben hatte, wurde mit der Novelle zum ApKG, BGBl. Nr. 54/1989, insbesondere die Organisation der Disziplinarbehörden (im besonderen der belangten Behörde) neu geregelt.
2.2.3. Der Beschwerdeführer geht zutreffend davon aus, daß der Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz vom 12. März 1982 ab dem Tag seiner Erlassung bis zur Erlassung des aufhebenden hg. Erkenntnisses vom 19. November 1987, Zl. 82/08/0104 = ZfVB 1988/4/1354, dem Rechtsbestand angehörte und - eine aufschiebende Wirkung wurde der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht zuerkannt - alle mit dem Begriff der Rechtskraft umschriebenen Rechtswirkungen (darunter die Vollstreckbarkeitswirkung) entfaltete. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß dem Beschwerdeführer gegenüber die verhängten Disziplinarstrafen vollzogen wurden bzw. in Wirksamkeit getreten sind und er darunter auch die in den Punkten 3 und 4 des Disziplinarerkenntnisses erster Instanz genannten Disziplinarstrafen ganz oder teilweise verbüßt hat.
Der Spruch des angefochtenen Disziplinarberufungserkenntnisses beschränkt sich nun darauf, daß der Berufung "keine Folge" gegeben werde. Zur Auslegung eines Spruches dieser Art muß die Begründung herangezogen werden. Aus der Begründung könnte sich erkennen lassen, ob die Berufungsbehörde eine erfolgte Strafverbüßung aus rechtlichen Gründen keinesfalls im Spruch berücksichtigen und den Beschwerdeführer mit der Einwendung dieser Art ausschließlich auf das Vollzugsverfahren verweisen wollte (wie dies in der Gegenschrift vertreten wird) oder ob die Berufungsbehörde, hätte sie eine Strafverbüßung festgestellt, darauf in der Festsetzung des verbleibenden Strafausmaßes Rücksicht genommen hätte. Die vorliegende Begründung enthält nun eine Feststellung, daß die Strafen im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis richtig bemessen worden seien; daran schließt der Satz an: "Ob und insoweit die sohin schuldgerecht bemessenen Strafen bereits vollzogen wurden, kann bei der Prüfung der Angemessenheit derselben keine Rolle spielen."
Dieses Begründungselement bezieht sich lediglich auf die Strafbemessung und bringt die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde zum Ausdruck, daß die gänzliche oder teilweise Verbüßung der Disziplinarstrafen bei der Bemessung der (Gesamt)Strafen (im Sinne von Zumessung der Strafhöhe) nicht zu berücksichtigen sei. Der angefochtene Bescheid enthält hingegen keine erkennbare Äußerung (weder im Spruch noch in der Begründung), die eine Deutung des Spruches dieses Disziplinarberufungserkenntnisses, mit welchem das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch der bemessenen Strafhöhe bestätigt wird, dahingehend zuließe, daß die zwischenzeitige Strafverbüßung angerechnet und deutlich gemacht werde, ob und welcher Strafrest allenfalls noch offen ist.
2.2.4.1 Durch die undifferenzierte Fassung des Spruches "Der Berufung wird keine Folge gegeben" wird der Spruch des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses zum Inhalt des angefochtenen Disziplinarberufungserkenntnisses und geht normativ in diesem auf. Dieser Spruch hat nun keineswegs nur feststellende Wirkung (hinsichtlich des Schuldspruches), sondern enthält innerhalb des Bereiches des Abspruches, der die Verhängung der Strafsanktion zum Gegenstand hat, auch konstitutive Elemente, für die die Sachlage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgebend ist.
Ein Abspruch, der in der vorliegenden Apothekerdisziplinarangelegenheit den Verlust einzelner Berufsausübungsbefugnisse zum Inhalt hat, läßt - vor dem Hintergrund des Zeitraumes, während dessen das seinerzeitige Disziplinarerkenntnis rechtskräftig aufrecht war - die erforderliche Klarheit darin vermissen, ob und welche Zeiträume hinsichtlich der im einzelnen angeordneten Rechtsverluste und Berufsausübungsverbote als verbüßt zu gelten haben. Ein Abspruch dieser Art erweist sich wegen seiner Unvollständigkeit in diesem Punkt als inhaltlich rechtswidrig.
Diese Betrachtungsweise erscheint insbesondere auch vor dem Hintergrund der Verfassungsnorm des Art. 6 Abs. 1 MRK geboten. Hängt nämlich die Beurteilung der mittlerweile eingetretenen gänzlichen oder teilweisen Verbüßung der dem Art. 6 MRK unterfallenden Disziplinarstrafen von unter Umständen nicht einfach zu beurteilenden Rechtsfragen und festzustellenden Sachverhaltselementen ab, dann erfordert es der normative Gehalt des Art. 6 Abs. 1 MRK, der die im vorliegenden fortgesetzten Verfahren (neuerdings) zu treffende "Entscheidung" über die strafrechtliche Anklage einem Tribunal vorbehält, daß auch die Frage der Anrechnung verbüßter, in Form von Rechtsverlusten ausgesprochener Disziplinarstrafen vom Disziplinarberufungssenat (dem im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK eingerichteten Tribunal) selbst entschieden und nicht den mit dem Vollzug und dessen Überwachung betrauten Verwaltungsbehörden überlassen wird.
2.2.4.1. Zur Ergänzung der vorstehenden Erwägungen verweist der Verwaltungsgerichtshof auf folgende Regelung, die das hier anzuwendende Disziplinarrecht für einen anderen Fall einer neuerlichen Disziplinarentscheidung bei bereits gänzlich oder teilweise verbüßter Strafe getroffen hat:
Die §§ 137 bis 142 der sinngemäß anzuwendenden Dienstpragmatik regeln die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens. Die §§ 140 und 141 Abs. 1 DP lauten:
"§ 140. (1) Durch die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens wird das Erkenntnis soweit aufgehoben, als es diejenige Handlung betrifft, bezüglich welcher die Wiederaufnahme bewilligt wurde.
(2) Durch die Wiederaufnahme tritt die Sache in der Regel in den Stand der Untersuchung. Mit dem Vollzug der Disziplinarstrafe ist innezuhalten.
§ 141. (1) Wird der Beamte, zu dessen Gunsten die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt wurde, neuerlich als schuldig erkannt, so kann über ihn keine strengere als die ihm im früheren Erkenntnis auferlegte Strafe verhängt werden. Bei Bemessung der Strafe ist auf die bereits erlittene Strafe Rücksicht zu nehmen.
(2) ..."
Der Verwaltungsgerichtshof ist nun der Auffassung, daß die Wirkung der Bewilligung der Wiederaufnahme mit jener des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes im hier entscheidenden Punkt rechtsähnlich ist. Zwar tritt das Disziplinarverfahren im Fall der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung des Berufungsbescheides nicht wie bei der Wiederaufnahme in den Stand der Untersuchung zurück, sondern in das Berufungsstadium (§ 42 Abs. 3 VwGG); auch ist es im vorliegenden Zusammenhang entbehrlich, Erwägungen darüber anzustellen, ob eine analoge Anwendung des Verbotes der reformatio in peius nach § 141 Abs. 1 DP auf einen Ersatzbescheid nach verwaltungsgerichtlicher Aufhebung übertragen werden könnte. Ein für beide Aufhebungsfälle anzuwendender Rechtsgedanke wird allerdings durch die Regelung der §§ 141 und 142 DP, daß "bei der Bemessung der Strafe ... auf die bereits erlittene Strafe Rücksicht zu nehmen" ist, zum Ausdruck gebracht. Anders als bei der Sachlage, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. März 1977, Slg. Nr. 8017 (Gleichheitswidrigkeit des § 19 VStG wegen Nichtanrechnung einer Vorhaft), zugrunde lag, ist somit im vorliegenden Fall ein sachliches und damit dem Gleichheitssatz entsprechendes Ergebnis im Auslegungswege zu gewinnen.
2.2.4.3. Zusammenfassend folgt somit aus den unter Punkt 2.2.4. angestellten Erwägungen, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.
2.3.1. In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, die belangte Behörde verneine die Frage des Eintrittes der Verfolgungsverjährung mit der Begründung, daß die nach dem 12. März 1982 bis zur Aufhebung des Berufungsbescheides mit 19. November 1987 verflossene Zeit ihrer Natur nach keine Verjährungszeit sein könne, weil nach einem rechtskräftigen Schuldspruch keine Verfolgungs-, sondern nur mehr eine Vollstreckungsverjährung stattfinden könne. Diese Auffassung sei unrichtig, da der Zeitraum vor der Aufhebung des Disziplinarberufungserkenntnisses keinesfalls in eine allfällige Vollstreckungsverjährungsfrist einzurechnen sei. Im übrigen kenne das ApKG verfassungswidrigerweise die Vollstreckungsverjährung nicht. Der Zeitraum vom 12. März 1982 bis 19. November 1987 müsse daher ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsverjährung beurteilt werden. Da dieser Zeitraum mehr als fünf Jahre betrage, sei Verfolgungsverjährung eingetreten.
Im übrigen sei die Fortsetzung des Berufungsverfahrens nach der Novellierung des ApKG, die die Organisation der Disziplinarbehörden im Jahr 1989 betraf, rechtlich nicht gedeckt, da hiedurch die dem Beschwerdeführer verfassungsgesetzlich zugestandene Anlaßfallwirkung gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG völlig releviert (richtig wohl: relativiert) würde.
2.3.2. § 18 Abs. 4 und 5 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 54/1989 lautet:
"(4) Die Verfolgbarkeit eines Disziplinarvergehens erlischt durch Verjährung, wenn der Disziplinaranwalt nicht innerhalb von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Handlung oder Unterlassung, die Anzeige an den Disziplinaranwalt erstattet hat. Ist ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst nach Beendigung der Handlung oder Unterlassung eingetreten, läuft die Frist erst ab diesem Zeitpunkt. Begeht der Beschuldigte während der Verjährungsfrist neuerlich ein Disziplinarvergehen, so tritt die Verjährung nicht ein, bevor auch für dieses Disziplinarvergehen die Verjährung abgelaufen ist.
(5) Ist der dem Disziplinarvergehen zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens, so wird der Lauf der im Abs. 4 angeführten Frist für die Dauer dieses Verfahrens gehemmt."
Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen einer Regelung über die Verjährung der Befugnis, ein Disziplinarerkenntnis zu fällen (Strafbarkeitsverjährung etwa im Sinne des § 30 Abs. 3 erster Satz VStG) oder das Fehlen einer Vollstreckbarkeitsverjährung (etwa im Sinne des § 30 Abs. 3 zweiter Satz VStG) als verfassungswidrig rügt, sind verfassungsrechtliche Bedenken beim Verwaltungsgerichtshof, insbesondere auch im Hinblick auf die im Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 1990, B 122/90, zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes, nicht entstanden. Bemerkt sei, daß auch die (hinsichtlich der Verjährung nicht sinngemäß anzuwendende) Dienstpragmatik eine Regelung der vom Beschwerdeführer gedachten Art in ihrem § 87a nicht kennt. Vielmehr sieht § 87a Abs. 2 DP sogar darüber hinaus auch für die Verfolgungsverjährung vor, daß Pflichtverletzungen, die zugleich auch als Verbrechen nach den Strafgesetzen zu verfolgen sind (was auf den Beschwerdefall zuträfe), nicht verjähren.
Unverständlich ist, warum während der Zeit des aufrechten Bestandes des rechtskräftigen Disziplinarberufungserkenntnisses vom 12. März 1982 (bis zum 19. November 1987) die Verjährungsfrist (neuerdings) laufen sollte, ist doch der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist ein für alle Mal durch die rechtzeitige Anzeige des Disziplinaranwaltes an den Disziplinarrat unterbrochen, genauer gesagt: beendet worden, da die Verfolgung durch diese Verfolgungshandlung rechtzeitig aufgenommen wurde (§ 18 Abs. 4 erster und zweiter Satz ApKG). (Vgl. zur zeitlich uneingeschränkten Wirkung der Unterbrechungsmaßnahme bei der Beitragsfestsetzungsverjährung nach § 68 Abs. 1 ASVG das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 88/08/0193.)
2.3.3. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Anlaßfallwirkung einer Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind ebenso verfehlt. Der Anlaßfallwirkung nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG wurde vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 19. November 1987, Zl. 82/08/0104 = ZfVB 1988/4/1354, Rechnung getragen. Darin sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß "der Disziplinarberufungssenat bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, weil nicht verfassungsgemäß eingerichtet, zu Akten der Vollziehung - auch zur Erlassung des angefochtenen Bescheides - nicht zuständig war (vgl. hiezu und damit unter dem Gesichtspunkt der für den Verfassungsgerichtshof wesentlichen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. März 1974, Slg. Nr. 7290). Der angefochtene Bescheid beruht somit unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung der Gesetzesaufhebung auf den Anlaßfall nicht auf einer durch Gesetz vorgesehenen Zuständigkeitsordnung."
Der Verwaltungsgerichtshof hob den damals angefochtenen Berufungsbescheid wegen Unzuständigkeit des belangten Disziplinarberufungssenates im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG auf. Der Beschwerdeführer verkennt, daß die Anlaßfallwirkung nicht das Recht des Beschwerdeführers konstituiert, im Beschwerdefall überhaupt nicht bestraft zu werden, sondern darin besteht, dem Recht des Beschwerdeführers darauf zum Durchbruch zu verhelfen, daß über seine Berufung gegen die erstinstanzlich verhängten Disziplinarstrafen eine dem Art. 6 MRK entsprechend zusammengesetzte Behörde (Tribunal) entscheidet.
2.4.1. Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß der angefochtene Bescheid nicht darauf Bedacht nehme, daß die Tat bereits mehr als zehn Jahre zurückliege und sich der Beschwerdeführer seitdem wohlverhalten habe, sodaß die Ausschöpfung der jeweils vorgesehenen Höchststrafen nicht zulässig erscheine.
2.4.2. Gemäß § 23 Abs. 2 ApKG in der Fassung BGBl. Nr. 173/1957 ist die Frage, welche der Disziplinarstrafen nach § 23 Abs. 1 ApKG zu verhängen ist, nach der Schwere des Verschuldens und der daraus entstandenen oder drohenden Nachteile zu beurteilen. Die Disziplinarstrafen können auch nebeneinander verhängt werden. Die Berücksichtigung des Wohlverhaltens des Disziplinarbeschuldigten, des Beschwerdeführers, nach der Tat ist danach kein Strafzumessungskriterium (anders als etwa nach § 19 VStG in Verbindung mit § 34 Z. 18 StGB).
2.5. Gegen die angewendeten Bestimmungen des ApKG sind beim Verwaltungsgerichtshof weder neue verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die gesetzliche Regelung der Novelle BGBl. Nr. 54/1989 noch andere Bedenken entstanden, als sie der Verwaltungsgerichtshof seinerzeit in seinen Gesetzesprüfungsanträgen aus Anlaß des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens zu Zl. 82/08/0140 (A 165/86) im Gesetzesprüfungsverfahren des Verfassungsgerichtshofes zu G 181/86 und Folgezahlen = ZfVB 1988/2/644, geltend gemacht hat.
2.6. Diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde im Sinne des Punktes 2.2. den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.8. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).
2.9. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme BerufungsverfahrenBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990100054.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
31.10.2016