TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/28 92/10/0055

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Veröffentlicht am 28.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des FP und der VP in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Jänner 1992, Zl. 6-55/3 Ae 1/1-1992, betreffend Zurückweisung eines Antrages i.A. einer naturschutzrechtlichen Bewilligung wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur versagte den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 6. Dezember 1982 gemäß §§ 6 und 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 in Verbindung mit der Landschaftsschutzverordnung LGBl. Nr. 35/1956 die Bewilligung zur Errichtung eines Wochenendhäuschens auf dem Grundstück Nr. nn1, KG G. Nach der Begründung sei die begehrte Bewilligung wegen zu erwartender nachhaltiger Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b NSchG 1976 zu versagen, und zwar insbesondere deshalb, "weil das gegenständliche Objekt als Siedlungssplitter in exponierter Waldrandlage im Landschaftsschutzgebiet Nr. 20 errichtet wurde". Dazu wird in der Begründung als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im wesentlichen folgendes festgehalten:

Das Objekt befinde sich auf einem mittelgeneigten Osthang am Rande eines kleinen Wäldchens. Die Umgebungsbebauung bestehe im Westen aus einem bäuerlichen Anwesen in ca. 50 bis 60 m Entfernung. In ca. 120 m Entfernung Richtung Talboden (östlich) befänden sich ein isoliert gelegenes, sehr störendes Einfamilienhaus und eine gemauerte Garage, wodurch die Landschaft formal ebenfalls sehr stark belastet werde. Im Norden befänden sich in dem erwähnten Wäldchen zwei Ferienhütten, die jedoch teilweise verdeckt seien. Dazu komme hangaufwärts in ca. 150 m Entfernung ein Holzwohnhaus. Der Abstand zum nächsten Siedlungsgebiet (im Süden) betrage ca. 450 m. Einsehbar sei das Haus von der Bundesstraße, und zwar von einem näher bezeichneten Standort aus, und von den diversen Zufahrtsstraßen zu den vorhin genannten Objekten. Vom direkten Talboden aus könne das Gebäude aufgrund der Entfernung und der dunklen Außenwände (Holz) nicht mehr wahrgenommen werden. Der gegenständliche Bereich sei aus der Sicht des Landschaftsbildes bereits durch ein Wohnhaus und ein Garagengebäude in isolierter Lage sehr stark belastet. Daraus ergebe sich, daß dieser Landschaftsteil nicht mehr weiter belastet werden könne. Willkürlich wirkende Maßnahmen, wie das Überhandnehmen einer zerstreuten Bebauung ohne Ordnungskriterien im Sinne einer Zersiedelung und ohne Abstimmung der Gebäude in formaler Hinsicht untereinander, stellten eine Beeinträchtigung des Landschaftscharakters im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b NSchG 1976 dar. Dieser Bescheid erwuchs mangels Bekämpfung in Rechtskraft.

Mit Eingabe an die Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Leitha vom 28. August 1990 ersuchten die Beschwerdeführer neuerlich um die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für das gegenständliche Objekt. Zur Begründung führten sie aus, das Objekt könne infolge der in der Zwischenzeit gepflanzten Bäume und Sträucher von der Bundesstraße aus viel weniger bzw. überhaupt nicht mehr eingesehen werden. Außerdem hätten sie das Häuschen mit einem dunkleren Anstrich versehen, sodaß es sich nunmehr unauffällig in das Landschaftsbild einfüge.

Der Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Jänner 1992 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Nach der Begründung sei kein Anhaltspunkt dafür feststellbar, daß unter dem Blickwinkel der seinerzeit maßgebend gewesenen Erwägungen eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten wäre. Die Tatsache, daß zwischenzeitig weitere Bepflanzungen vorgenommen worden seien, bilde jedenfalls keine wesentliche Änderung des maßgebenden Sachverhaltes.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragen deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und einen allgemeinen Kostenantrag gestellt, aber keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den (hier nicht gegebenen) Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird demgemäß durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem bereits formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung als Kriterium der "entschiedenen Sache" ist nicht nach der objektiven Rechtslage zu beurteilen, sondern nach der Wertung, die das geänderte Sachverhaltselement in der rechtskräftig gewordenen Entscheidung erfahren hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1990, Zl. 89/10/0225, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Tragender Versagungsgrund gemäß § 6 Abs. 6 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Stmk. Naturschutzgesetzes 1976 war nach der Begründung des Bescheides vom 6. Dezember 1982, daß angesichts des ohnedies bereits durch einzelne isoliert gelegene Bauten belasteten Landschaftsbildes der Landschaftscharakter in diesem Teil des Landschaftsschutzgebietes durch das exponiert gelegene gegenständliche Objekt im Sinne einer Zersiedelung ("Siedlungssplitter") beeinträchtigt werde. Dazu hat die belangte Behörde festgestellt, es sei kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß sich der insoweit maßgebende Sachverhalt seither geändert habe. Diese Feststellung entspricht der Aktenlage. Sie bietet keinen Hinweis darauf, daß im gegenständlichen Bereich nach Erlassung des seinerzeitigen Versagungsbescheides eine weitere Bebauung (im Sinne einer geordneten Siedlungstätigkeit) erfolgt oder auch nur die rechtliche Möglichkeit dazu geschaffen worden wäre, in die sich letztlich auch das Objekt der Beschwerdeführer ohne Beeinträchtigung des Landschaftscharakters einfügen könnte. Die Beschwerdeführer verweisen in diesem Zusammenhang lediglich auf den verbesserten Sichtschutz infolge der vorgenommenen Bepflanzungen und die optische Verschönerung des Objektes durch einen dunkleren Anstrich. Bei diesem Vorbringen übersehen die Beschwerdeführer, daß für die seinerzeitige Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung nicht die Tatsache und das Ausmaß der Einsehbarkeit des Objektes bzw. dessen Erscheinungsbild maßgebend waren (die Einsehbarkeit wurde lediglich unter anderem erwähnt), sondern ausschließlich der Umstand, daß dessen Vorhandensein "als Siedlungssplitter" eine weitere Beeinträchtigung des Landschaftscharakters in diesem Teil des Landschaftsschutzgebietes Nr. 20 im Sinne einer Zersiedelung bewirken würde. Daran vermögen die von den Beschwerdeführern getroffenen Maßnahmen von vornherein nichts zu ändern. Da es somit nicht darauf ankommt, ob durch diese Maßnahmen "eine gravierende Änderung des Erscheinungsbildes der Hütte" bewirkt wurde oder nicht, bedurfte es insoweit auch keiner Ermittlungen und Erörterungen. Daher gehen die diesbezüglichen Verfahrensrügen ins Leere. Desgleichen ist im gegebenen Zusammenhang das Vorbringen, die Behörde habe gegen zwei weitere, bereits etwas früher ohne Bewilligung errichtete Objekte nichts unternommen, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne rechtliche Bedeutung. Im Hinblick auf die zutreffende Feststellung der belangten Behörde, daß sich der für die seinerzeitige Versagung maßgebend gewesene Sachverhalt nicht geändert habe, entspricht die Zurückweisung des neuerlichen Bewilligungsantrages der Beschwerdeführer wegen entschiedener Sache dem Gesetz.

Die Beschwerde ist somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz für die Aktenvorlage stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992100055.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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