TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/14 B201/89

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Veröffentlicht am 14.03.1990
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Index

L3 Finanzrecht
L3701 Getränkeabgabe, Speiseeissteuer

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall B-VG Art7 Abs1 / Verw.akt Oö Gemeinde-GetränkesteuerGNov ArtII

Leitsatz

Mit dem zweiten Satz des ArtII der Gemeinde-GetränkesteuerG-Novelle 1988 wurde rückwirkend ein neuer Steuertatbestand geschaffen. Indem die Steuerbehörde die damit neu begründete Steuerschuld nicht nur zum Anlaß einer nachträglichen Steuervorschreibung nahm, sondern auch einen Säumniszuschlag vorschrieb, hat sie dem Gesetz - fälschlicherweise - einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei, zu Handen ihres Rechtsvertreters, die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 29. Dezember 1987 stellte die

U Handelsgesellschaft m.b.H. & Co KG den Antrag, ihre Steuervoranmeldungen rückwirkend ab Jänner 1985 zu berichtigen, weil der anteilige Wert für Verpackungen aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden sei, und begehrte die Rückerstattung der zuviel entrichteten Getränke- und Speiseeissteuer für die Jahre 1985 und 1986.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Ampflwang im Hausruckwald vom 17. Juni 1988 für die Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 31. März 1988 die Getränkesteuer mit S 308.304,-- festgesetzt und eine offene Getränkesteuerschuld in Höhe von S 3.380,-- (inklusive Säumniszuschlag in der Höhe von S 130,--) festgesetzt und zur Zahlung vorgeschrieben.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Ampflwang im Hausruckwald vom 27. September 1988 unter Hinweis auf die Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Jänner 1989, ZGem - 7012/2 - 1988 - Si, als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B201/89 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Norm geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, begehrt wird.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat ua. aus Anlaß dieser Beschwerde ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des ArtII des Gesetzes vom 28. Jänner 1988, mit dem das Gemeinde-Getränkesteuergesetz geändert wird (Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988), LGBl. für Oberösterreich Nr. 22/1988, eingeleitet. Mit Erkenntnis vom 14. März 1990, G283/89 ua., hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogene Regelung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. das Gesetzesprüfungserkenntnis) - Beschwerde erwogen:

3.1. Soweit in der Beschwerde die Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Gemeinde-Getränkesteuergesetzes idF der Novelle 1988 behauptet wird, ist auf Punkt 2. sowie auf das Erkenntnis des VfGH vom 14. März 1990, B173/89, zu verweisen.

3.2. Die Beschwerde macht jedoch auch die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, geltend.

Diese Behauptung trifft aus folgenden Gründen zu:

Mit dem im Instanzenzug bestätigten Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Juni 1988 wird der Beschwerdeführerin für den anteiligen Wert der Verpackungen Getränkesteuer für die Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 31. März 1988 in Höhe von S 3.250,-- zuzüglich einem Säumniszuschlag von S 130,-- vorgeschrieben. Mit dem zweiten Satz des ArtII der Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 wurde rückwirkend ein neuer Steuertatbestand geschaffen. Indem die Steuerbehörde die damit neu begründete Steuerschuld nicht nur zum Anlaß einer nachträglichen Steuervorschreibung nahm, sondern auch einen Säumniszuschlag vorschrieb, hat sie dem Gesetz - fälschlicherweise - jenen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, der den Verfassungsgerichtshof veranlaßt hat, mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1988, G121/88, das Gesetz vom 30. September 1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes rückwirkend aufzuheben.

Die Vorstellungsbehörde hätte diese Verfassungswidrigkeit durch Bescheidaufhebung wahrzunehmen gehabt. Da dies unterblieben ist, ist die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid selbst im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist USt in Höhe von S 2.500,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, Getränkesteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B201.1989

Dokumentnummer

JFT_10099686_89B00201_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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