TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/29 91/17/0072

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Index

55 Wirtschaftslenkung;

Norm

MOG 1985 §27 Abs1;
MOG 1985 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der G P in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des geschäftsführenden Ausschusses des Getreidewirtschaftsfonds vom 23. April 1991, Zl. 14.366/I, betreffend Importbewilligung nach dem Marktordnungsgesetz 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 6. Februar 1991 die Erteilung einer Einfuhrbewilligung für 10 Tonnen türkischer Weizengrütze.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde auf Grund des Beschlusses des geschäftsführenden Ausschusses des Getreidewirtschaftsfonds vom 22. April 1991 die Bewilligung für die Einfuhr von 10 Tonnen türkischer Weizengrütze nicht erteilt.

Dieser Abspruch wurde wie folgt begründet:

"Gemäß § 28 MOG bedarf die Einfuhr von Weizengrütze, wie die Einfuhr der übrigen im § 26 MOG genannten Waren, der Bewilligung des Fonds, der, sofern die Bedarfslage es erfordert, entsprechende Einfuhren zu veranlassen hat.

Nach den Erhebungen des Fonds werden sämtliche am Markt befindliche Weizengrütze-Typen im Inland in für ganz Österreich bedarfsdeckendem Ausmaß erzeugt.

Im übrigen unterliegt Weizengrütze anläßlich der Einfuhr einem Importausgleich gemäß § 38 MOG, mit dem die Preisdifferenz zwischen niedrigerem Auslandspreis und höherem Inlandspreis abgeschöpft wird, sodaß die importierte Ware nur zum selben Preis abgegeben werden kann.

Dieser Sachverhalt wurde Ihnen mit Schreiben vom

26.

Februrar 1991 mitgeteilt.

In Ihrer Stellungnahme vom 16. März 1991 führen Sie aus, daß die im Inland angebotene Weizengrütze (Bulgur) nicht den üblichen Verbrauchserwartungen türkischer Gastarbeiter entspreche und von ihnen deshalb nicht angenommen werde, weil sie im Geschmack und in der Verpackung dem gewohnten türkischen Produkt nicht entspreche. Obwohl es also eigentlich ein Grundnahrungsmittel sei, das besonders von Personen der niederen sozialen Schichten konsumiert werde und der Bedarf demgemäß entsprechend groß sei, wäre Bulgur praktisch aus den Lebensmittelgeschäften verschwunden.

Maßgeblich dafür könnten laut Ihrer Stellungnahme auch religiöse Gründe sein, da türkische Gastarbeiter auf Grund religiöser Gebundenheiten sehr mißtrauisch gegen österreichische Erzeugnisse seien.

Es sei daher schwer verständlich, daß Gastarbeitern in Österreich bestimmte Grundnahrungsmittel nicht gewährt würden. Ihre Stellungnahme untermauern Sie mit 27 gleichlautenden Erklärungen türkischer Lebensmittelhändler, die neben dem bereits Genannten darauf verweisen, daß inländischer Bulgur erheblich teurer sei als türkischer, auch nach Ausschöpfung des Importausgleiches.

Hiezu ist festzustellen, daß im Inland jährlich rund 25.000 Tonnen Überschußdurumweizen (Rohware für Bulgur ist Durumweizen) produziert wird, dessen Export zur Marktentlastung nur unter Aufwendung beträchtlicher Stützungsmittel durchgeführt werden kann.

Die inländische Herstellerfirma hat vor Produktionsbeginn umfangreiche Erkundigungen in der Türkei eingeholt und ist nicht zuletzt deshalb in der Lage, sämtliche Bulgurtypen geschmacksgerecht zu erzeugen.

Die Aufschrift und die Verpackung des Produktes stellen keine Kriterien dar, die eine Einfuhr im Sinne des § 28 Abs. 3 MOG trotz bedarfsdeckender Produktion von Weizengrütze im Inland rechtfertigen würde.

Die von Ihnen angeführten Preisunterschiede kommen deshalb nicht zum Tragen, da, wie bereits ausgeführt, im Falle der Importbewilligung ein Importausgleich gemäß § 38 MOG festgelegt würde, mit dem die gesamte Differenz zwischen höherem Inlandspreis und niedrigerem Auslandspreis abgeschöpft wird.

Da somit eine ausreichende Versorgung mit Weizengrütze in bedarfsgerechter Qualität im Inland gegeben ist, war die Erteilung einer Einfuhrbewilligung, wie im Spruch ersichtlich, abzulehnen."

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt, "die beantragten 10 Tonnen türkischer Weizengrütze nach Österreich einzuführen". Das Beschwerdevorbringen geht dahin, die von der belangten Behörde getroffenen Tatsachenfeststellungen reichten nach richtiger Rechtsansicht nicht aus, um die Frage zu beantworten, ob die Voraussetzungen für eine Einfuhrbewilligung (Stabilität der Preise und Bedarfslage) im Beschwerdefall vorlägen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der § 27 Abs. 1 des Marktordnungsgesetzes 1985 - MOG, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 210, (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Marktordnungsgesetz-Novelle 1992, BGBl. Nr. 373) bestimmt:

"Zur Erreichung folgender Ziele wird der "Getreidewirtschaftsfonds" (in den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes als "Fonds" bezeichnet) errichtet:

1.

Schutz der inländischen Getreideerzeugung,

2.

Stabilisierung der Brot- und Mehlpreise,

3.

Gewährleistung der Versorgung mit den im § 26 genannten Waren in einer der Verwendung entsprechenden Qualität."

Der § 28 Abs. 3 MOG hat folgenden Wortlaut:

"(3) Einfuhren der im § 26 genannten Waren bedürfen der Bewilligung des Fonds. Soweit es die Stabilität der Preise der im § 26 genannten Waren und die Bedarfslage erfordern, hat der Fonds die entsprechenden Einfuhren zu veranlassen. Zu diesem Zweck hat er zu Anbotstellungen für die in Aussicht genommenen Einfuhren durch öffentliche Bekanntmachung aufzufordern oder einen den jeweiligen wirtschaftlichen Notwendigkeiten entsprechenden Bewilligungsvorgang zu beschließen, bei welchem er auch Mindest- und Höchstmengen für jeden Einfuhrantrag festsetzen kann. Fordert der Fonds durch öffentliche Bekanntmachung zu Anbotstellungen auf, so ist der Importabgabepreis Preisbasis für die Anbotstellungen, sofern der Fonds nicht zur Erreichung der im § 27 Abs. 1 genannten Ziele in der öffentlichen Bekanntmachung eine andere Preisbasis bestimmt. Der Fonds hat den preiswertesten Einfuhrantrag zu bewilligen; er hat jedoch die Bewilligung nur für eine Teilmenge zu erteilen oder von einer Bewilligung überhaupt abzusehen, wenn seit der Aufforderung zur Anbotstellung Änderungen in den für diese Aufforderung maßgebenden Voraussetzungen - insbesondere hinsichtlich der Bedarfslage oder der Preislage - eingetreten sind. Bei der Beurteilung der Preiswertigkeit hat der Fonds auch auf die allgemeinen volkswirtschaftlichen Interessen (wie z.B. die Bedürfnisse der Handels- und Devisenpolitik, die allgemeine Marktlage, die Marktbedürfnisse und die handelsüblichen Gepflogenheiten) Bedacht zu nehmen. Die Bewilligung des Fonds bildet die Voraussetzung für die Erteilung der nach den devisenrechtlichen Vorschriften und der nach den Vorschriften über den Warenverkehr mit dem Ausland erforderlichen Bewilligungen."

Die belangte Behörde hat die Rechtslage verkannt, indem sie erkennbar als Bewilligungsmaßstab für den gegenständlichen Antrag die Kriterien des § 28 Abs. 3 zweiter Satz MOG heranzog:

Wie sich aus der oben wörtlich wiedergegebenen Regelung des § 28 Abs. 3 MOG ergibt, hat, soweit es die Preisstabilität und die Bedarfslage erfordern, der Fonds die entsprechenden Einfuhren "zu veranlassen". Er hat also unter diesen Voraussetzungen von Amts wegen ein sogenanntes "Ausschreibungsverfahren" einzuleiten bzw. "einen den jeweiligen wirtschaftlichen Notwendigkeiten entsprechenden Bewilligungsvorgang zu beschließen"; im Falle der Aufforderung zur Anbotstellung ist der preiswerteste Einfuhrantrag unter den näher bezeichneten Kriterien zu bewilligen. Die Preisstabilität und die Bedarfslage sind nur Kriterien für die amtswegige Einleitung eines dieser beiden im Gesetz besonders geregelten Einfuhrverfahren, nicht jedoch Maßstab für die Bewilligung eines außerhalb DIESER Einfuhrverfahren gestellten Antrages.

Als Bewilligungsmaßstab für einen außerhalb der oben genannten (besonderen) Einfuhrverfahren gestellten, zulässigerweise auf § 28 Abs. 3 ERSTER Satz MOG gestützten Individualantrag sind vielmehr primär (vgl. auch die Regelungen des § 28 Abs. 1 und 2 MOG über die Vermarktungspläne) jene öffentlichen Interessen heranzuziehen, die im § 27 Abs. 1 MOG als Ziel der Regelung über die Getreidewirtschaft (Schutz der inländischen Getreideerzeuger, Stabilisierung der Brot- und Mehlpreise, Gewährleistung der Versorgung mit den im § 26 genannten Waren in einer der Verwendung entsprechenden Qualität) angeführt sind.

In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen, den gegenständlichen Einfuhrbewilligungsantrag an den vorgenannten Bewilligungskriterien zu messen, die sich nur teilweise inhaltlich mit jenen von der Behörde herangezogenen Kriterien des § 28 Abs. 3 zweiter Satz MOG decken.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage dahingehende Erörterungen und Feststellungen unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991170072.X00

Im RIS seit

27.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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