TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/29 92/08/0144

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art94;
SHG Wr 1973 §27;
SHG Wr 1973 §30 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. O in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. November 1991, Zl. MA 12-10.559/91 HK, betreffend Rückersatz von Sozialhilfeleistungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid der Magistratsabteilung 12 (des Magistrates der Stadt Wien) vom 22. Oktober 1991 wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer als Ehegatte der M gemäß den § 10 und 25 bis 32 des Wiener Sozialhilfegesetzes in Verbindung mit § 324 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes unter Außerachtlassung seines Hilflosenzuschusses 30 % seines Einkommens dem Land Wien als Sozialhilfeträger zum teilweisen Rückersatz der durch Bezahlung von Pflegekosten aufgewendeten Sozialhilfe zu erstatten habe, solange M in einem Pflegeheim untergebracht sei und Sozialhilfe in Anspruch nehme.

Diesen Bescheid behob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid aufgrund der vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachten Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos. Nach der Bescheidbegründung sei der bekämpfte Bescheid deshalb - infolge Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde - ersatzlos zu beheben gewesen, weil gemäß § 30 Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 17/1986 (WSHG), für Streitigkeiten über die nach § 27 leg. cit. (Ersatz durch Dritte) geltend gemachten Ansprüche die ordentlichen Gerichte zuständig seien.

Mit Beschluß vom 9. Juni 1992, Zl. B 1480/91, trat der Verfassungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde, deren Behandlung er ablehnte, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der dem Beschwerdeführer aufgetragenen Beschwerdeergänzung macht er geltend, daß er in mehrfacher Weise in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt sei. Bei einem Verfahren nach dem WSHG handle es sich um ein solches, für das die Hoheitsverwaltung zuständig sei. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei jedoch die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig. Damit sei der Widerspruch zu Art. 94 B-VG evident. Außerdem sei der angefochtene Bescheid nicht vom zuständigen Stadtsenat von Wien, sondern vom unzuständigen Amt der Wiener Landesregierung erlassen worden. Schließlich sei der vom Beschwerdeführer verlangte Beitrag ohne gesetzliche Grundlage festgesetzt worden, weil der vom WSHG verlangte "Richtsatz" bzgl. Beitragsbemessung (§ 13) fehle. Das WSHG - der Hoheitsverwaltung zugehörig - schreibe verschiedentlich die Erlassung von Bescheiden vor. So habe der Hilfesuchende gemäß § 7 WSHG einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe. Die Zuerkennung habe - auch ein Beweis für die Hoheitsverwaltung - durch Bescheid zu erfolgen. Die erstinstanzliche Behörde habe nun einen solchen Bescheid, in dem natürlich logischer Weise auch die Beitragspflicht zu regeln wäre, nie erlassen. Dem Beschwerdeführer als unterhaltsverpflichteten Ehegatten der M sei mit einem (jeweils) formlosen Schreiben vom 11. Februar 1991 bzw. 18. Februar 1991 mitgeteilt worden, er sei verpflichtet, monatlich S 10.005,06 bzw. S 9.086,82 zu zahlen. Eine gesetzliche Bestimmung über die Höhe der Einkommensfeststellung sei hiebei nicht genannt worden; die Schreiben seien auch nicht als Bescheide bezeichnet worden. Es sei offen geblieben, ob es sich bei der Einkommensfeststellung um das Brutto- oder Nettoeinkommen des Beschwerdeführers handle. Er sehe dies als behördliche Willkür an, da es sich offenbar um "freies Ermessen" ohne gesetzliche Deckung handle. Abschließend sei noch darauf verwiesen, daß die belangte Behörde es vorsätzlich vermieden habe, den ihr nach § 30 WSHG ermöglichten Weg der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu beschreiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie sich aus der Fertigungsklausel des angefochtenen Bescheides eindeutig ergibt, wurde der Bescheid - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ohnedies von der Wiener Landesregierung erlassen. Dazu war sie auch gemäß § 138 Abs. 2 erster Satz der Wiener Stadtverfassung, LGBl. Nr. 28/1968 in der Fassung der Novelle 12/1978, auch zuständig. Der Beschwerdeeinwand der Unzuständigkeit der belangten Behörde ist daher unbegründet.

Die Entscheidung der belangten Behörde entspricht aber auch dem Gesetz. Nach § 25 WSHG ist für Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen unter anderem von seinen unterhaltspflichtigen Angehörigen Ersatz zu leisten, gegen die der Empfänger der Hilfe Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes hat. Hat der Empfänger der Hilfe Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes gegen einen Dritten, so gehen diese Ansprüche nach § 27 WSHG auf die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der aufgewendeten Kosten auf den Sozialhilfeträger über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstatttet hat. Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechtes bleiben davon unberührt. Nach § 30 Abs. 3 WSHG sind für Streitigkeiten unter anderem über die nach § 27 geltend gemachten Ansprüche die ordentlichen Gerichte zuständig. Unter den "nach § 27 geltend gemachten Ansprüchen" sind, wie sich aus § 27 ergibt, die kraft Legalzession auf den Sozialhilfeträger mit der schriftlichen Anzeigeerstattung an den Dritten übergegangenen Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes des Empfängers der Hilfe gegen diesen Dritten zu verstehen. Für die (im Beschwerdefall bestehenden) Streitigkeiten über diese Ansprüche sind daher - in Übereinstimmung mit der belangten Behörde - die ordentlichen Gerichte zuständig. Sie und nicht die erstinstanzliche oder die belangte Behörde haben demnach zu entscheiden, ob der vom Beschwerdeführer mit den genannten formlosen Schreiben verlangte Beitrag "ohne gesetzliche Grundlage festgesetzt" wurde oder nicht. Die belangte Behörde hat sich mit diesen Fragen daher zurecht nicht befaßt. Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist es auch irrelevant, aus welchen Gründen bisher eine Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges vermieden wurde. Entgegen dem Beschwerdevorbringen steht aber schließlich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Anordnung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Streitigkeiten über die durch Legalzession nach § 27 WSHG auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Unterhaltsansprüche des Empfängers der Hilfe gegen den Ehegatten auch nicht "im Widerspruch zu Art. 94 B-VG"; dies schon deshalb nicht, weil es sich bei solchen Ansprüchen um zivilrechtliche Ansprüche handelt.

Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080144.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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