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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über den Antrag des M in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur Zl. 92/08/0063 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1992 wurde zur Zl. 92/08/0063 angeordnet, daß die beiliegende, vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG dem im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt zur Behebung unter anderem folgender Mängel zurückzustellen sei:
"4) Es ist die vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Beschwerde mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen (§ 24 Abs. 2 VwGG).
5) Es sind zwei weitere Ausfertigungen der (vom Beschwerdeführer selbst verfaßten) Beschwerde beizubringen (§§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG).
Zur Behebung dieser Mängel wird eine Frist von vier Wochen, vom Tage der Zustellung dieses Auftrages an gerechnet, bestimmt.
Ein ergänzender Schriftsatz ist in dreifacher Ausfertigung vorzulegen.
Die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) ist auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird.
Die Versäumung der Frist gilt als Zurückziehung der Beschwerde."
Diese Verfügung wurde dem Rechtsanwalt am 24. April 1992 zugestellt, die versehentlich im Akt verbliebene Beschwerde samt Beilagen dem Mag. C von der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführervertreters am 27. April 1992 ausgefolgt.
Innerhalb der gesetzten Frist brachte der Rechtsanwalt in dreifacher Ausfertigung unter Anschluß von drei Bescheidausfertigungen einen ausdrücklich als "Bescheidbeschwerde" bezeichneten Schriftsatz ein, in dem alle Vorschriften über die Form und den Inhalt einer Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG eingehalten wurden, legte aber weder die zurückgestellte, vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Beschwerde samt Beilagen noch die erforderlichen weiteren Ausfertigungen der zurückgestellten Beschwerde vor.
Wegen dieser Unterlassung der auftragsgemäßen Mängelverbesserung wurde die Beschwerde mit Beschluß vom 16. Juni 1992, Zl. 92/08/0063, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsanwalt am 3. Juli 1992 zugestelllt.
Mit dem vorliegenden, am 17. Juli 1992 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der genannten Frist mit folgender - für die Erledigung des Antrages wesentlicher - Begründung:
Der verbessernde Beschwerdeschriftsatz sei in der Kanzlei des bestellten Verfahrenshelfers vom Rechtsanwaltsanwärter Dr. Y verfaßt worden. Dieser habe darüber hinaus veranlaßt, daß auf der handschriftlichen Originalbeschwerde von einer Sekretärin mit Schreibmaschine folgender Text angebracht worden sei: "Wiedervorlage samt verbesserndem Schriftsatz als laut Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.3.1992 und Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 15.4.1992 bestellter Verfahrenshelfer ..." Die mit diesem Text versehene Originalbeschwerde (in dreifacher Ausfertigung) und den verbessernden Schriftsatz zusammen mit dessen Beilagen habe Dr. Y dem bestellten Verfahrenshelfer am 22. Mai 1992 zur Korrektur und Unterfertigung vorgelegt. Dieser habe sowohl die Originalbeschwerde als auch den verbessernden Schriftsatz (jeweils dreifach) unterfertigt und die Postmappe zur Abfertigung der zuständigen Kanzleileiterin X die 16 Jahre einschlägige Rechtsanwaltspraxis als Sekretärin habe und seit 5 Jahren Leiterin der Kanzlei des Verfahrenshelfer sei, übergeben. Obwohl diese im Abfertigen von Schriftsätzen an den Verwaltungsgerichtshof in Verfahrenshilfesachen durchaus routiniert sei, weil solche Angelegenheiten in einer aus fünf Anwälten bestehenden Kanzleigemeinschaft wie der des bestellten Verfahrenshelfers durchaus häufig vorkämen, und sie in dieser Hinsicht auch immer instruiert und überwacht worden sei, sei es diesmal aus ihrem unerklärlichen Versehen dazu gekommen, daß sie nur den verbessernden Schriftsatz, nicht aber die bereits unterfertigte Originalbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof übersandt habe. Diese sei von der Kanzleileiterin fälschlicherweise in den Akt zurückgelegt worden. Dies sei erst nach Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1992 festgestellt worden.
Das Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers wurde durch eidesstättige Erklärungen des Dr. Y und der X glaubhaft gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem den Beschluß vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/0238, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht (mit dem im zitierten Beschluß näher umschriebenen Inhalt) jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Überläßt nämlich ein Rechtsanwalt nach Unterfertigung eines Beschwerdeschriftsatzes dessen Postaufgabe einer verläßlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hiebei ein Versehen, so liegt dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht zur Last (vgl. unter anderem die Beschlüsse vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0259, und vom 24. April 1990, Zl. 90/08/0047). Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher auch der gegenständliche Vorfall als ein für den Antragsteller unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis anzusehen, das ihn an der vollständigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages und damit (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) an der Einhaltung der Mängelbehebungsfrist gehindert hat.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 VwGG stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992080163.X00Im RIS seit
29.09.1992