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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §44 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den am 13. April 1992 zur Zl. 3212-3170/10/92 mündlich verkündeten Bescheid des Kommandanten des Fliegerstabsbataillonkommandos in X, Fliegerhorst Y, betreffend Geldbuße nach dem Heeresdisziplinargesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Über den Beschwerdeführer, der als Wachtmeister dem Bundesheer angehört, wurde mit am 12. Feber 1992 mündlich verkündetem Bescheid des Kompaniekommandanten die Disziplinarstrafe der Geldbuße von S 500,-- verhängt. Dieser mündlich verkündete Bescheid ist in den vorgelegten Akten nicht weiter dokumentiert.
Auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung, in welcher der Beschwerdeführer im wesentlichen jedes Verschulden an dem ihm vorgeworfenen Verhalten in Abrede stellte, verfaßte der Kompaniekommandant eine schriftliche Stellungnahme folgenden Inhaltes:
"Wm G war am 100292 in der Funktion des Ordenskissenträgers eingeteilt. Von Olt K erhielt er die Genehmigung mit dem Privat-Kfz zu fahren und um 1030 Uhr am Friedhof anwesend zu sein. Wm G ist aber erst kurz nach 1100 Uhr eingetroffen.
Dadurch hat er gegen die Bestimmungen der ADV § 7 (1) ... und ... ADV § 3 (1) ... (verstoßen) und eine Pflichtverletzung im Sinne § 2 Abs. 1 HDG begangen. (Von § 1 HDG wie in der Berufungsschrift angeführt wird, war nicht die Rede). Über Wm G wurde die Disziplinarstrafe der Geldbuße von 500,-- verhängt (am 120292).
Begründung: Wm G war für das Wählen der Fahrtstrecke bzw. das Wählen des Kfz und der Einbehaltung der Zeitreserve selbst verantwortlich um sich rechtzeitig am befohlenen Ort einzufinden. Er hat freiwillig auf Zgf A gewartet, obwohl das nicht vorgesehen war und ist freiwillig mit Wm D mitgefahren. Weiters ist er verantwortlich für das Wählen der richtigen und geeigneten Fahrtstrecke. Mildernd für das Ausmaß der Strafe wurde sein bis jetzt tadelloses Verhalten gewertet."
Mit dem nunmehr angefochtenen, ebenfalls mündlich ergangenen und in den vorgelegten Akten nicht schriftlich festgehaltenen Bescheid vom 13. April 1992 wurde der Berufung ohne aus den Akten ersichtliche weitere Verfahrensschritte nicht Folge gegeben und die erstinstanzliche Disziplinarstrafe vollinhaltlich bestätigt.
Über Ersuchen des Vertreters des Beschwerdeführers teilte die belangte Behörde mit, daß der Berufungsbescheid in einem Führungsblatt wie folgt festgehalten worden sei:
"...
G, Wm, Bea i. UO-F, 01 02 67
FFKKp/FlStbB Personalnummer nn1
Geldbuße S 500,-
In zweiter Instanz bestraft von ... N, Obst, FlStbB, am
13 04 92
Datum der Rechtskraft 13 04 92 - Vollstreckung
abgeschlossen am Mai 92
Schilderung der Tat:
Er war am 10 02 92 als Ordenskissenträger beim Begräbnis des verstorbenen Mjr H am Friedhof D eingeteilt. Im Rahmen der Vorübung des Begräbnisses wurde durch den Ablaufoffizier, Olt K, mehrmals auf den Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung am Friedhof, nämlich 10 02 92 1030 Uhr, hingewiesen und dieses befohlen. Zum Transport wurden milKfz verwendet, welche am 10 02 92 0700 Uhr vom FlH Y abfuhren. Auf eigenes Ansuchen hin wurde ihm und zwei anderen UO aus persönlichen Gründen die Anreise mit einem PrivatKfz genehmigt. Aus eigenem Verschulden wurde der Abfahrtstermin falsch gewählt, keiner der drei Beteiligten auf eine rechtzeitige Abfahrt drängte, sodaß er nicht wie befohlen um 1030 Uhr, sondern erst um 1110 Uhr am Friedhof in D eintraf.
Verletzte Pflichten (§§): § 3 Abs. 1 ADV (Allgem. Verhalten), § 3 Abs. 2 ADV (Allgem. Verhalten), § 3 Abs. 7 ADV (äußeres Verhalten), § 7 Abs. 1 ADV (Gehorsam)."
Gegen den mündlich verkündeten Berufungsbescheid vom 13. April 1992 richtet sich die rechtzeitig erhobene, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß in beiden Instanzen Bescheide durch mündliche Verkündung erlassen worden sind. Der Beschwerdeführer ist davon in seiner Berufung und in der Beschwerde selbst ausgegangen, wozu kommt, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers über den Inhalt dieser Bescheide mit den darüber in den Akten liegenden Unterlagen (Stellungnahme zur Berufung, Führungsblatt) im Tatsächlichen übereinstimmt. Der Beschwerdeführer erblickt allerdings einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, daß es im gesamten Verwaltungsverfahren zu keinen Niederschriften über Verlauf und Inhalt durchgeführter Verhandlungen oder über sonstige Verfahrensschritte gekommen ist.
Tatsächlich sind in den vorgelegten Akten weder Verhandlungsniederschriften noch schriftliche Bescheidausfertigungen enthalten. Dieses Vorgehen ist an sich ungewöhnlich und erschwert die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes, es findet jedoch, wie noch auszuführen sein wird, in den einschlägigen Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 1985 (HDG), BGBl. Nr. 294, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß dem Wehrrechtsänderungsgesetz 1988, BGBl. Nr. 342, Deckung.
Der angefochtene Bescheid ist im Kommandantenverfahren (§ 55 ff HDG) ergangen. In diesem Verfahren können Disziplinarerkenntnisse gemäß § 61 Abs. 1 HDG - soferne nicht Disziplinarhaft, eine Geldstrafe oder eine strengere Strafe verhängt wird - mündlich oder schriftlich ergehen; im Berufungsverfahren sind gemäß § 62 Abs.2 HDG die für das Verfahren der ersten Instanz geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden.
Das Gesetz sieht daher die mündliche Verkündung von Bescheiden in beiden Instanzen des Disziplinarverfahrens ausdrücklich vor. Nähere Bestimmungen betreffend eine Beurkundung oder schriftliche Ausfertigung solcher mündlich verkündeter Bescheide sind im HDG für das Kommandantenverfahren nicht enthalten, dieses Gesetz sieht vielmehr in seinem § 24 sogar von einer sinngemäßen Anwendung der einschlägigen Vorschriften des AVG ab. Denn zu den gemäß § 24 Z. 1 HDG im Kommandantenverfahren sinngemäß zur Anwendung gelangenden Bestimmungen des AVG zählen zwar dessen §§ 14 und 15 über Niederschriften sowie die §§ 56, 58 bis 61, 61a und 62 Abs. 4 über Inhalt und Form der Bescheide, NICHT hingegen der § 44 Abs. 1 AVG, wonach über jede mündliche Verhandlung eine Verhandlungsschrift nach den §§ 14 und 15 aufzunehmen ist, und ebensowenig der § 62 Abs. 1 bis 3 AVG über die Beurkundung und schriftliche Ausfertigung mündlich erlassener Bescheide.
Im Nichtvorliegen einer Niederschrift allein kann bei dieser Rechtslage ein relevanter Verfahrensmangel nicht erblickt werden.
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die belangte Behörde hätte bei gebührender Bedachtnahme auf sein Berufungsvorbringen zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ihn kein Verschulden an der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung treffe. Bestreitet der Beschuldigte das Vorliegen einer schuldhaft begangenen Pflichtverletzung, so sind ihm gemäß dem zweiten Satz des § 58 Abs. 1 HDG die Erhebungsergebnisse vorzuhalten und, sofern es sich als notwendig erweist, ergänzende Erhebungen zur Überprüfung seiner Rechtfertigung durchzuführen. Ungeachtet des umfangreichen Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers zur subjektiven Tatseite aber hat sich die belangte Behörde offenbar zu einem Vorgehen nach dieser Gesetzesstelle nicht veranlaßt gesehen. Sie hat sich vielmehr (gemäß dem Führungsblatt) im angefochtenen Bescheid zur Verschuldensfrage mit der Begründung begnügt, der Abfahrtstermin sei "aus eigenem Verschulden" falsch gewählt worden, keiner der drei Beteiligten habe auf eine rechtzeitige Abfahrt gedrängt.
Abgesehen davon, daß aus dieser Begründung nicht hervorgeht, für welchen Zeitpunkt die belangte Behörde eine "rechtzeitige" Abfahrt als gegeben angenommen hätte, ist damit dem in der Beschwerde wiederholten Berufungseinwand des Beschwerdeführers nicht Rechnung getragen worden, daß er nicht der Lenker des Privat-PKW gewesen ist und daher keinen unmittelbaren Einfluß darauf ausüben konnte, daß die anbefohlene Ankunftszeit beim Begräbnis eingehalten werden konnte.
Gemäß § 2 Abs. 4 HDG ist disziplinär nur strafbar, wer schuldhaft handelt. Im Falle des Beschwerdeführers ist die subjektive Tatseite nicht erhoben und ihre Bejahung im angefochtenen Bescheid nicht begründet worden. Die objektive Tatsache, daß der Beschwerdeführer mit seinen beiden Kameraden zu spät in D angelangt ist, vermag ohne nähere Erhebungen und Feststellungen darüber, ob und auf welche Weise der Beschwerdeführer auf Abfahrtszeit und gewählte Fahrstrecke Einfluß genommen hat, sein individuelles Verschulden an diesem Ergebnis nicht ausreichend zu begründen; vielmehr bedarf der Sachverhalt zur subjektiven Tatseite noch entsprechender Ergänzungen (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0020)..
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit.b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren, von denen nur S 360,-- (Eingabengebühr) plus S 60,-- (für notwendige Beilagen) zuzusprechen waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090149.X00Im RIS seit
29.09.1992