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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Juni 1989, Zl. MDR - G 6 u. 7/89, betreffend Abwassergebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsätzen vom 18. November 1987 beantragte die Beschwerdeführerin die Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom 1. Jänner 1986 bis 31. Dezember 1986, und zwar einerseits hinsichtlich der Wohnhausanlage in W, K-Straße A, und andererseits hinsichtlich der Wohnhausanlage in W, K-Straße B. Beiden Anträgen waren Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen angeschlossen. Danach betrüge der durchschnittliche, errechnete Wasserverbrauch für die Grünflächenbewässerung 850,00 m3 (K-Straße A) bzw. 3631,50 m3 (K-Straße B) pro Jahr; diese Wassermengen versickerten auf den Grundstücken und würden nicht in den Kanal abgeleitet.
Mit Bescheiden - jeweils vom 10. August 1988 - wies der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 4) beide Anträge der Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 1 des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978, LGBl. für Wien Nr. 2, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 8/1986 (im folgenden: KKG), ab.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen beide Bescheide Berufung.
Mit Berufungsvorentscheidungen - jeweils vom 26. Jänner 1989 - wurden diese Berufungen als unbegründet abgewiesen. In den Begründungen dieser Bescheide heißt es im wesentlichen, daß auf Grund der Berufungen die Magistratsabteilung 42 (Stadtgartenamt) ergänzende Stellungnahmen (vom 2. Dezember 1988) abgegeben hätte. Danach seien für die tatsächliche Bewässerung der vorhandenen Grünflächen während einer Vegetationsperiode 85 m3 Wasser bzw. 884 m3 Wasser berechnet worden.
Die Beschwerdeführerin beantragte, ihre Berufungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. In den Vorlageanträgen wird einerseits an der Richtigkeit der Feststellungen des von der Beschwerdeführerin eingeschalteten Sachverständigen festgehalten und andererseits die Bestellung eines neuen gerichtlich beeideten Sachverständigen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Ermittlung der richtigen "Nichteinleitungsmenge" beantragt.
Die belangte Behörde holte im Zuge des Berufungsverfahrens eine mit 29. April 1989 datierte Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 42 (Stadtgartenamt) ein und gab der Beschwerdeführerin Gelegenheit, zu diesem Beweisergebnis Stellung zu nehmen.
In ihrer Stellungnahme vom 1. Juni 1989 wird von der Beschwerdeführerin im wesentlichen ausgeführt, sie habe schon in ihrer Berufung auf die enorme Diskrepanz der festgestellten Mengen hingewiesen und die Beiziehung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen beantragt. Diesem Antrag sei wiederum nicht nachgekommen und die Magistratsabteilung 42 mit der Feststellung der "Nichteinleitungsmenge" beauftragt worden; der Amtssachverständige der Behörde sei naturgemäß abermals zu demselben, von der Beschwerdeführerin gerügten Ergebnis gekommen. Die Beschwerdeführerin beantrage daher abermals die Beiziehung eines unabhängigen gerichtlich beeideten Sachverständigen zur Feststellung der Nichteinleitungsmenge.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wird die Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 42 (vom 29. April 1989) wiedergegeben. Daran anschließend heißt es, daß diese Ausführungen durchaus schlüssig erschienen und von der Beschwerdeführerin trotz Vorhalt nicht widerlegt worden seien. Der Sachverständige der Beschwerdeführerin gehe in seinem Gutachten von einer 25 Bewässerungswochen umfassenden Bewässerungsperiode pro Kalenderjahr (Zeitraum 15. April bis 15. Oktober) sowie von einem gleichbleibenden Bewässerungserfordernis (zweimal wöchentlich) aus. Dies zeige schon nach den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß diese Voraussetzungen der Realität nicht entsprächen, was durch die gutächtliche Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 42 vom 2. Dezember 1988 unterstrichen werde. Trotz dieser Bedenken sei das Privatgutachten den Nachweis schuldig geblieben, auf Grund welcher Erwägungen bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisse von einer derart ausgedehnten Bewässerungsperiode ausgegangen und das Bewässerungserfordernis ungeachtet des natürlichen Niederschlages mit zweimal wöchentlich angenommen worden sei. Dazu komme, daß das Bewässerungserfordernis nach dem Privatgutachten über 20 vH des gesamten Wasserbezuges erreiche, was die Realitätsferne des Gutachtens unterstreiche.
Der Antrag auf Einschaltung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen sei abzuweisen gewesen, weil der Nachweis der "Nichteinleitungsmenge" dem Abgabepflichtigen obliege, zumal es die Beschwerdeführerin in der Hand gehabt hätte, durch Vorlage eines weiteren bzw. ergänzenden Gutachtens ihr Vorbringen nachzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem nach § 13 KKG zustehenden Recht auf Herabsetzung der Kanalgebühr verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 13 Abs. 1 KKG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. 8/1986) hat folgenden Wortlaut:
"(1) Für nach § 12 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch
100 Kubikmeter, übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen."
Die Ermächtigung der Gemeinde gemäß § 10 Abs. 1 KKG erstreckt sich darauf, unter anderem für die Einleitung von Abwasser in die öffentlichen Kanäle Gebühren festzusetzen. Der Gebührenpflicht unterliegt im Grunde des § 11 Abs. 1 KKG die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz in einen öffentlichen Kanal (Straßenkanal). Gemäß § 11 Abs. 2 KKG ist die Abwassergebühr nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen. Nach § 12 Abs. 1 und 2 KKG gelten bei Ermittlung der Abwassermengen die der öffentlichen Wasserversorgung oder einer Eigenwasserversorgung entnommenen und nach bestimmten Verfahren festgestellten Wassermengen als in den öffentlichen Kanal abgegebene Abwassermengen. Dabei handelt es sich um eine (dem Anschein nach der Vereinfachung der Ermittlung der Gebührenhöhe dienende) Fiktion. Zu ihrer Korrektur im Sinne des Gebührentatbestandes und zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses sind dieser Fiktion Regeln an die Seite gestellt, die es erlauben, auf Fälle Rücksicht zu nehmen, in denen die in die öffentlichen Kanäle eingeleiteten Abwassermengen geringer sind als die der öffentlichen Wasserversorgung oder einer Eigenwasserversorgung entnommenen Wassermengen. Der Nachweis hiefür wurde in diesen Regeln den Gebührenpflichtigen auferlegt, womit sich die Fiktion als widerlegbare Rechtsvermutung erweist. Dabei unterscheidet das Gesetz hinsichtlich der Verfahrensweise die Fälle einer zusätzlichen Eigenwasserversorgungsanlage, wenn die aus ihr bezogenen Wassermengen nachweislich zur Gänze nicht in einen öffentlichen Kanal eingeleitet werden (§ 12 Abs. 3 KKG), von den Fällen, in denen die auf Grund der gesetzlichen Vermutung nach § 12 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 4 KKG festgestellten Abwassermengen nicht in den öffentlichen Kanal gelangen (§ 13 Abs. 1 KKG). In den erstgenannten Fällen sind die betreffenden Abwassermengen bei der Ermittlung nicht zu berücksichtigen, in den letztgenannten Fällen sind die Abwassergebühren auf Grund eines fristgerechten Antrages des Gebührenpflichtigen hinsichtlich der nicht in den öffentlichen Kanal gelangenden vom Gesetz als solche vermuteten Abwassermengen, soweit bestimmte absolute und relative Grenzen überschritten werden, entsprechend herabzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1985, Zl. 85/17/0008, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die belangte Behörde geht davon aus, daß die Beschwerdeführerin den Nachweis des Überschreitens der vorgenannten Grenzen nicht erbracht habe, und zwar hinsichtlich der absoluten Grenze (100 m3) im Fall der Wohnhausanlage K-Straße A sowie hinsichtlich der relativen Grenze (5 v.H.) im Fall der Wohnhausanlage K-Straße B.
Die Beschwerdeführerin irrt, soweit sie in der Beschwerde (so wie bereits im Verwaltungsverfahren) dahin argumentiert, die Behörde hätte "zur Ermittlung der richtigen Nichteinleitungsmenge" einen "neuen, gerichtlich beeideten Sachverständigen" beizuziehen gehabt. Dieses Vorbringen zielt im Ergebnis darauf ab, daß die Abgabenbehörde zur Widerlegung der Vermutung nach § 12 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 4 KKG den Nachweis (durch "prüfungsfähige Unterlagen") zu erbringen hätte.
Stellt das Gesetz für eine Tatsache eine Vermutung auf, so bedarf diese gemäß § 128 Abs. 1 WAO keines Beweises. Die Führung des Gegenbeweises liegt jedoch nach der Anordnung des Gesetzes (vgl. § 13 Abs. 1 erster Satz KKG: "... über Antrag...
herabzusetzen, wenn... die Nichteinhaltung durch prüfungsfähige
Unterlagen nachgewiesen wird.") beim Abgabepflichtigen. Nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Abgabepflichtigen ist die Beweislast auferlegt und es schlägt auch zum Nachteil der betreffenden Partei aus, wenn der Gegenbeweis nicht zu erbringen ist.
Ob dieser Nachweis erbracht ist oder nicht, unterliegt gemäß § 128 Abs. 2 WAO der freien Beweiswürdigung; danach hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid erachtet es die belangte Behörde als "der Realität" nicht entsprechend, wenn in dem von der Beschwerdeführerin beigebrachten Gutachten von einer 25 Bewässerungswochen (15. April bis 15. Oktober) umfassenden Bewässerungsperiode pro Kalenderjahr bei gleichbleibendem Bewässerungserfordernis (zweimal wöchentlich) ausgegangen werde; dabei bleibe das Privatgutachten "den Nachweis schuldig", auf Grund welcher Erwägungen bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisse von einer derart ausgedehnten Bewässerungsperiode ausgegangen und das Bewässerungserfordernis ungeachtet des natürlichen Niederschlages mit zweimal wöchentlich angenommen worden sei. Auch im Lichte des Beschwerdevorbringens ist diese Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich darauf, in bloß allgemeiner Form zu rügen, daß die Bedenken der belangten Behörde gegen diese Gutachten mangelhaft und oberflächlich begründet worden seien.
Wenn sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang aber darauf beruft, es handle sich um Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen, also eines Fachmannes, der für die "Richtigkeit und Präzisität" seines Gutachtens persönlich hafte, so verkennt sie, daß - mangels einer dahingehenden Beweisregel im Gesetz - der Wert eines Beweismittels nach seinem inneren Wahrheitsgehalt zu beurteilen ist, d.h. nach dem Anteil, den es zur Erledigung des Beweisthemas beiträgt, und nach der Schlüssigkeit oder Unschlüssigkeit der Aussage (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 15. April 1988, Zl. 85/17/0086). Gleiches hat für den Hinweis der Beschwerdeführerin zu gelten, wonach es sich bei dem von ihr beigezogenen Sachverständigen um einen öffentlich bestellten Sachverständigen gemäß § 138 Abs. 1 WAO handle.
Derart vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm gestellten Prüfungsaufgabe die Überlegungen der belangten Behörde in ihrer Beweiswürdigung hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin zur Führung des Gegenbeweises beigebrachten Sachverständigengutachten nicht als rechtswidrig zu finden. Da auch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit - eine solche wird von der Beschwerdeführerin zwar behauptet, in der Beschwerde aber nicht weiter ausgeführt - nicht erkannt werden kann, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989170181.X00Im RIS seit
29.09.1992Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008