TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/30 92/03/0137

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Veröffentlicht am 30.09.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. Februar 1992, Zl. 15/2-7/1991, betreffend eine Angelegenheit des KFG, Strafsache (weitere Partei: Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 25. April 1991, womit der Einspruch des Beschwerdeführers vom 22. April 1991 gegen die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 21. März 1991, betreffend eine Übertretung des KFG, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz sei ausgeführt worden, daß die Strafverfügung am 28. März 1991 postamtlich hinterlegt und die Frist zur Einbringung des Einspruches demnach am 11. April 1991 zu Ende gegangen, der Einspruch jedoch erst am 22. April 1991 - also verspätet - zur Post gegeben worden sei. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er habe wegen eines beruflich bedingten Auslandsaufenthaltes bis zum 12. April 1991 die Strafverfügung erst am 16. April 1991 beheben können, sodaß der Einspruch rechtzeitig erfolgt sei. Zu der mündlichen Berufungsverhandlung vom 28. Februar 1992 seien der Beschwerdeführer und sein Vertreter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht gekommen. Die als Zeugin geladene Ehefrau des Beschwerdeführers habe sich entschuldigt. Die weiters geladene Zeugin R (Sekretärin im Schiverband, bei dem der Beschwerdeführer tätig ist) habe angegeben, daß der Beschwerdeführer die Reisen häufig selbst organisiere. Der Terminkalender vom Vorjahr sei schon vernichtet, sodaß sie keine Daten zur Verfügung habe. Zur konkreten Frage, ob der Beschwerdeführer zum Hinterlegungszeitpunkt anwesend gewesen sei, habe die Zeugin keine Auskunft geben können. Die bloße Behauptung der Ortsabwesenheit reiche jedoch nicht aus, um eine ungültige Zustellung zu bewirken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellung der belangten Behörde, es sei der Einspruch verspätet erhoben worden, da eine Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Postsendung nicht erwiesen sei, indem er deren Beweiswürdigung rügt und die Unterlassung weiterer Beweisaufnahmen geltend macht.

Dem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Der im § 45 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) normierte Grundsatz der freien Beweiswürdigung schließt eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle nicht in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Hiebei sind gemäß § 25 Abs. 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Die Behörde darf nur dann einen beantragten Zeugenbeweis ablehnen, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern; eine Würdigung der Beweise hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach der Aufnahme des Beweises möglich (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., E Nr. 8a und b zu § 25 Abs. 2 VStG, S. 846).

Die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde zum Beweis für seine Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Zustellung (Aufenthalt in den USA als Angehöriger des österreichischen Schiverbandes) als Zeugin beantragt und auch zur mündlichen Verhandlung geladen. Sie wurde jedoch wegen Krankheit entschuldigt. Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Zeugin zu einem anderen Zeitpunkt zu vernehmen, zumal nicht von vornherein gesagt werden kann, der Beweis sei objektiv nicht geeignet, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern. Schon deshalb ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen, zu seiner Aufhebung führenden Verfahrensmangel belastet. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer und sein Vertreter der Berufungsverhandlung ferngeblieben sind.

Des weiteren erweist sich die Beweiswürdigung, die sich auf die Aussage der in der Verhandlung vernommenen Sekretärin des Beschwerdeführers R stützt, als nicht schlüssig, zumal diese Zeugin eine Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen und weitere Angestellte ihres Dienstgebers genannt hat, mit denen der Beschwerdeführer seine Reisen abrechne und die daher allenfalls Auskunft über seine Ortsabwesenheit geben könnten. Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist auch darin zu erblicken, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sich nicht mit den weiters vorhandenen Beweisen, so z.B. mit der in den Verwaltungsstrafakten erliegenden Mitteilung des Schiverbandes vom 18. Juli 1991, in der der berufliche Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 20. März bis 12. April 1991 in den USA bestätigt wurde, auseinandergesetzt hat. Dies bedeutet aber einen Verstoß gegen § 60 AVG (§ 24 VStG), zumal in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Die Ausführungen in der Gegenschrift vermögen eine mangelhafte Bescheidbegründung nicht zu ersetzen, ganz abgesehen von der Unterlassung der Aufnahme der vorhandenen Beweise.

Da alle diese Ausführungen zeigen, daß der Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten einer Aufklärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Es erübrigte sich daher, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel verrechnete Stempelgebühren bzw. Stempelgebühren für eine nicht erforderliche Ausfertigung des angefochtenen Bescheides.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992030137.X00

Im RIS seit

30.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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