Index
82/05 Lebensmittelrecht;Norm
LMG 1975 §26 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/10/0112Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden des F in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Jänner 1992 und 27. März 1992,
Zlen. MA 63 - S 22/91/Str und MA 63 - S 33/91/Str, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 22.940,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der T-Gesellschaft m.b.H. in W, X-Gasse, nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/183 zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 2. Februar 1990 ein falsch bezeichnetes kosmetisches Mittel, nämlich 12 Kartons 500 ml-Flaschen "Sanex Dusch-Bad" mit der auf der Außenseite der Flaschen aufscheinenden verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe "für gesunde Haut", durch Auslieferung an das Zentrallager der D-Gesellschaft m.b.H. in E, I-Straße in Verkehr gebracht" habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 lit. d und § 9 Abs. 1 lit. a des Lebensmittelgesetzes 1975 (in der Folge: LMG 1975) verletzt. Über ihn wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 27. März 1992 wurde der Beschwerdeführer ferner schuldig erkannt, er habe es "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der T-Gesellschaft m.b.H. in W, X-Gasse, nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/183 zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 7. August 1990 ein falsch bezeichnetes kosmetisches Mittel, nämlich 12 Kartons 350 ml-Flaschen "Sanex Dusch-Bad" mit der auf den Etiketten aufscheinenden verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe "für gesunde Haut", durch Auslieferung an die Betriebsstätte der S-AG. in M, Y-Straße in Verkehr gebracht" habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 lit. d. und § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 verletzt. Über ihn wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von
S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden) verhängt.
3. Nach der übereinstimmenden Begründung dieser Bescheide stünde der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Sachverhalt unbestritten fest. Die inkriminierte Anpreisung "für gesunde Haut" sei entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kein nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 zulässiger nicht irreführender Hinweis auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen, weil darin solche Wirkungen auf den Organismus nicht konkret behauptet würden. Es könne auch nicht der Auffassung des Beschwerdeführers gefolgt werden, diese Anpreisung besage bloß, daß "Sanex Dusch-Bad" für die gesunde und nicht für die kranke Haut bestimmt sei, weil diese Anpreisung nach dem Gesamteindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergebe, nur dahin verstanden werden könne, daß die Verwendung des Produktes der Gesunderhaltung der Haut diene. Es handle sich somit um einen allgemein gehaltenen Hinweis auf gesunderhaltende Wirkungen, der ohne Einschränkung unter das Verbot des § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 falle. Der Beschwerdeführer habe nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe, weshalb anzunehmen sei, daß er sich fahrlässig verhalten habe, was nach dieser Gesetzesstelle zur Strafbarkeit genüge. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz bestehe daher zu Recht.
4. Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.
5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Verbindung der Beschwerden zur gemeinsamen Erledigung beschlossen und darüber in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
1. Nach § 8 lit. f LMG 1975 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe u.a. dann falsch bezeichnet, wenn sie mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.
Gemäß dem mit "Verbote gesundheitsbezogener Angaben" überschriebenen § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.
Nach dem mit "Verkehr mit kosmetischen Mitteln" überschriebenen § 26 Abs. 1 lit. d LMG ist es verboten, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.
Gemäß § 26 Abs. 2 leg. cit., gilt u.a. § 8 lit. f sinngemäß; § 9 gilt mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind.
Wer dagegen verstößt, macht sich nach § 74 Abs. 1 LMG 1975 einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.
2. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst - wie bereits im Verwaltungsverfahren -, "bei zwangloser Auslegung" der Angabe "für gesunde Haut" ergebe sich zunächst der Sinngehalt "nicht für kranke Haut", also der Hinweis darauf, daß
"Sanex Dusch-Bad" für gesunde Haut bestimmt sei, womit aber weder auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssyptomen noch auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen Bezug genommen werde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 ist zum Schutz der Konsumenten vor Täuschung jegliche, wenn auch an sich wahrheitsgemäße Angabe verboten, die irgendwie auch nur den Eindruck physiologischer Wirkungen erweckt. Maßgebend hiefür ist die Verkehrsauffassung, also der Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergibt, wobei auch auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. Juli 1992, Zl. 91/10/0239). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der Auffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, schon bei flüchtigem Lesen der Angabe "für gesunde Haut" ergebe sich der - erst aufgrund eines Umkehrschlusses zu gewinnende - Eindruck, daß das gegenständliche Duschbad nicht für kranke Haut bestimmt sei. Der Angabe mag zwar an sich auch die vom Beschwerdeführer angeführte Bedeutung zu entnehmen sein. Erweckt wird aber nach den Erfahrungen des täglichen Lebens durch eine solche Angabe im gegebenen Zusammenhang beim flüchtigen Lesen nicht eine Vorstellung über den ANWENDUNGSbereich des Produktes, sondern über dessen WIRKUNGEN
3. Der Beschwerdeführer bekämpft ferner die Auffassung der belangten Behörde, die Angabe "für gesunde Haut" stelle einen allgemein gehaltenen Hinweis auf gesunderhaltende Wirkungen dar, der ohne Einschränkung unter das Verbot des § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 falle. Die gesunderhaltende Wirkung sei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eine Erscheinungsform der pharmakologischen Wirkung und - unter der Voraussetzung daß dieser Hinweis nicht irreführend sei - zulässig. Diese Auffassung erweist sich aus folgenden Überlegungen als zutreffend:
Nach § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 ist es beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen nicht nur verboten, sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen, sondern auch auf die physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck derartiger Wirkungen zu erwecken. Beim Inverkehrbringen kosmetischer Mittel gilt § 9 LMG 1975 jedoch nur mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen, sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind.
Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 LMG 1975 wurde geschaffen, weil durch gesundheitsbezogene Anpreisungen und gesundheitsbezogene Werbung eine Irreführung der Konsumenten im breiten Ausmaß erfolgen kann. Durch besondere, einseitige Hervorhebung der jedem Lebensmittel innewohnenden physiologischen Wirkung (normales Stoffwechselgeschehen) auf den Organismus ist es möglich, beim Laien völlig falsche Vorstellungen über den wahren Wert und die Bedeutung eines bestimmten Lebensmittels zu erwecken (z.B. "Glucose zum Brennstoffbedarf ihrer Zellen notwendig"). Zu den unzulässigen Anpreisungen gehören auch Hinweise auf pharmakologische Wirkungen wie z.B. "für guten Schlaf" oder "zur Senkung des Blutdruckes". Dabei ist es für das Verbot auch unerheblich, ob die Angaben wahr oder unwahr sind (vgl. Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Lebensmittelgesetz 1975, Seite 49 ff; ferner Barfuß-Pindur-Smolka, Lebensmittelrecht, Abschnitt Ib, Seite 53 ff).
Das Verbot der Falschbezeichnung kosmetischer Mittel ist mit dem allgemeinen Verbot der Falschbezeichnung von Lebensmitteln inhaltsgleich (vgl. Barfuß-Pindur-Smolka, a.a.O., Seite 118).
Mit der Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 2 LMG hat der Gesetzgeber allerdings der Notwendigkeit Rechnung getragen, daß bei kosmetischen Mitteln die physiologischen und pharmakologischen Wirkungen der darin enthaltenen Stoffe angegeben werden müssen, weil sonst die Mittel nicht charakterisiert werden können (vgl. Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, a.a.O., Seite 123).
Nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 ist der Hinweis auf einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkungen eines kosmetischen Mittels auf den Organismus erlaubt. Als Beispiele pharmakologischer Wirkungen (arg.: "insbesondere") werden im § 9 Abs. 1 lit. a jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende, aber auch gesunderhaltende Wirkungen genannt. Nach Auffassung des Gerichtshofes ist dabei der belangten Behörde zuzustimmen, daß die Angabe "für gesunde Haut" geeignet ist, bei flüchtigem Lesen bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten den Eindruck zu erwecken, die Verwendung des genannten Produktes diene der Gesunderhaltung der Haut. Damit liegt im Beschwerdefall ein Hinweis auf gesunderhaltende Wirkungen vor, der jedoch
unabhängig davon, ob er nun - wie die belangte Behörde meint -
allgemein gehalten ist, jedenfalls eine Unterform der pharmakologischen Wirkungen zum Inhalt hat. Ein solcher Hinweis ist jedoch - unter der Voraussetzung, daß er nicht irreführend ist - nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 zulässig. Aufgrund ihrer verfehlten Rechtsansicht hat sich die belangte Behörde mit dieser weiteren Frage, gar nicht mehr auseinandergesetzt. Die gegenteilige Auffassung ist auch nicht dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierten Urteil des OGH vom 16. Februar 1982, 4 Ob 304/82 = ÖBl. 1982, S. 39 ff., bzw. dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1981, Zl. 10/3417/78, VwSlg. 10.502/A, zu entnehmen.
Auch der allgemein gehaltene Hinweis auf gesunderhaltende Wirkungen ist von der Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 2 LMG 1975 erfaßt und unter der Voraussetzung, daß er nicht irreführend ist, zulässig. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde erweist sich als rechtsirrig.
Aufgrund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; diese waren daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 2 VwGG aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbidnung mir der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992100095.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
17.08.2010