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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Leukauf, Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 5. Juli 1989, Zl. 40.776/27-5/89, betreffend die Ablehnung einer Akteneinsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Y-AG stellte anfangs 1989 an die belangte Behörde den Antrag auf Erweiterung der ihr mit Bescheid vom 13. Oktober 1987 erteilten Beförderungsbewilligung für den Fluglinienverkehr. Die belangte Behörde gab deshalb unter Bezugnahme auf diesen Antrag u.a. der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. April 1989 die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme im Sinne des § 105 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 (LFG), wobei es insbesondere heißt:
"Der beantragte erweiterte Betriebsumfang soll statt bisher EINEM nunmehr ZWEI Luftfahrzeuge der Gewichtsklasse F umfassen. Vorgesehen ist der Einsatz eines weiteren Luftfahrzeuges der Type BOEING 767-300 ER. Der erweiterte Flugbereich soll zusätzlich folgende Gebiete beinhalten:
Afghanistan, Afrika (exklusive Ägypten, Libyen und Tunesien), Bangladesh, Bhutan, Burma, Indien, Indonesien, Kambodscha, Macao, Malaysia, Nepal, Pakistan, Papua, Neuguinea, Philippinen, Seychellen, Singapur, Sri Lanka und Vietnam.
Zur Bedarsfrage führt die Antragstellerin u.a. aus, daß sie nicht in der Lage sei, die bestehende Nachfrage im Linienverkehr zu befriedigen. Weiters wird seitens der Y-AG auf den Anstieg der Passagierzahlen im Flugreiseverkehr im allgemeinen und in den Fernen Osten sowie im gesamten bereits bewilligten bzw. nunmehr beantragten Flugbereich hingewiesen."
Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin am 24. Mai 1989 u. a. den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht zur Ermöglichung einer vollständigen Stellungnahme zum Antrag, wobei sie die Meinung vertrat, es komme ihr als einem Luftbeförderungsunternehmen, welches Fluglinienverkehr betreibt, Parteistellung zu, welche Frage damit zu klären sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 1989 wurde der Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht gemäß § 17 AVG in Verbindung mit § 8 AVG abgewiesen. Gemäß § 17 AVG habe die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. Voraussetzung sei somit, daß der die Akteneinsicht begehrenden Person in dem betreffenden Verfahren Partei-, nicht aber nur Beteiligtenstellung zukomme. Gemäß § 8 AVG sei Partei, wer an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sei. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müßten, daß von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein könne, enthalte § 8 AVG keine Bestimmung. Die Parteistellung sei jedoch nicht ausschließlich aus dem AVG, sondern vielmehr auch aus den in Betracht kommenden materiellen Rechtsvorschriften abzuleiten, sowie nach dem Gegenstand des Verfahrens zu beurteilen. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung in einer Verwaltungsangelegenheit bestimme sich somit nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Mai 1987, Zl. 86/04/0232). Die maßgebenden Bestimmungen der §§ 101 ff LFG räumten der Beschwerdeführerin nicht ex lege eine Parteistellung ein. § 105 Abs. 2 LFG sehe für bestehende Fluglinienunternehmen nur ein Anhörungsrecht vor. Der Zweck sei, der Behörde Unterlagen für die Entscheidung zu verschaffen, ein Anspruch auf Berücksichtigung der Stellungnahme sei damit nicht eingeräumt (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1978, Zl. 2858/76). Der Anzuhörende werde nicht zur Partei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1970, Zl. 1169/69). Ein solcher Anspruch wäre dann gegeben, wenn im Gesetz die Einräumung eines Rechtsmittels gegen Entscheidungen, die der Stellungnahme nicht entsprechen, ausdrücklich zuerkannt wäre. Nur dann wäre das faktische Interesse des Anhörungsberechtigten in ein rechtlich geschütztes gewandelt und ihm damit die Parteistellung eingeräumt (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1962, Zl. 1226/62). Die Beschwerdeführerin führe aus, daß ihre rechtlichen Interessen durch Gefährdung der ihr obliegenden Verkehrsaufgaben berührt würden. Dazu sei festzustellen, daß im § 106 Abs. 3 LFG die Gefährdung von Verkehrsaufgaben eines bestehenden Fluglinienunternehmens als spezifischer Gesichtspunkt der im Rahmen des Verfahrens zu prüfenden öffentlichen Interessen genannt werde. Der Ermittlung dieses öffentlichen Interesses diene auch das gemäß § 105 LFG vorgesehene Anhörungsverfahren. Auf Beachtung öffentlicher Interessen könne aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 3. März 1965, Zl. 31/65) der Natur der Sache nach - jedenfalls soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet sei - weder physischen noch juristischen Personen ein Rechtsanspruch zukommen. Ebensowenig könne aus dem LFG, wonach eine der Voraussetzungen das Vorliegen eines Bedarfes sei, auf eine Parteistellung der Beschwerdeführerin geschlossen werden. Sollten sich die Ausführungen der Beschwerdeführerin über die Gefährdung ihrer Verkehrsaufgaben auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen beziehen, so begründe dies - da es sich um wirtschaftliche, jedoch nicht um rechtliche Interessen handle - allerdings ebenfalls keine Parteistellung (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1973, Zl. 1589/72, und vom 5. Mai 1987, Zl. 86/04/0232). Die geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen wären, da eine Parteistellung sich aus den allgemeinen Rechtsregeln des § 8 AVG nicht unmittelbar ableiten lasse, nur dann zu rechtlich geschützten erhoben, wenn der Gesetzgeber dem Interessenten Parteistellung ausdrücklich eingeräumt hätte (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1961, Zl. 1263/61).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zufolge § 103 Abs. 1 LFG bedarf es nicht nur zum Betrieb eines Luftbeförderungsunternehmens, sondern auch zu jeder Erweiterung des bescheidmäßig festgelegten Betriebsumfanges einer behördlichen Bewilligung (Beförderungsbewilligung), wobei § 104 LFG die Erfordernisse des Antrages auf Erteilung der Beförderungsbewilligung enthält.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, es komme ihr (im Verfahren nach §§ 103 ff: hier Erweiterung einer bestehenden Beförderungsbewilligung für den Fluglinienverkehr der Y-AG) Parteistellung zu, weshalb ihr Antrag auf Akteneinsicht nicht hätte abgewiesen werden dürfen. Überdies sei ihr keine ausreichende Information in Ansehung des Antrages der Y-AG zuteil geworden.
Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende
Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes von Bedeutung:
"§ 105
(1) Vor Erteilung der Bewilligung ist den in ihrem sachlichen Wirkungsbereich berührten Bundesministerien, dem Land und der Gemeinde der Betriebsstätte sowie der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem Österreichischen Arbeiterkammertag Gelegenheit zu geben, zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen.
(2) Wenn der Luftbeförderungsunternehmer Fluglinienverkehr betreiben will, ist außerdem jedem Luftbeförderungsunternehmen mit dem Sitz im Inland, das Fluglinienverkehr betreibt, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
§ 106
(1) Die Beförderungsbewilligung ist zu erteilen, wenn ...
(3) Voraussetzung für die Bewilligung des Betriebes eines Fluglinienunternehmens ist außerdem, daß die Gründung des Unternehmens im öffentlichen Interesse gelegen ist. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Unternehmen geeignet wäre, die Verkehrsaufgaben eines anderen bestehenden österreichischen Fluglinienunternehmens zu gefährden. ..."
Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausreichend und zutreffend damit auseinandergesetzt, warum der Beschwerdeführerin keine Parteistellung und damit kein Recht auf Akteneinsicht zusteht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1969, Zl. 411/69, in Ansehung einer Gemeinde dargelegt, daß § 105 Abs. 1 LFG die belangte Behörde lediglich verpflichte, bestimmten Stellen "Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben". Es bestehe nur ein Rechtsanspruch auf Anhörung im Ermittlungsverfahren, nicht aber ein solcher auf Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahme. Dies gelte auch bezüglich der Rechtsstellung der sonst im Verfahren nach § 105 LFG zu hörenden Stellen. Es besteht somit insoweit nur ein Anhörungsrecht, aber keine Parteistellung, und zwar auch in Ansehung der im § 105 Abs. 2 LFG genannten Unternehmen im Hinblick auf den gleichen Wortlaut dieser Bestimmung. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf § 106 Abs. 3 LFG beruft und auf ihre Stellung als anderes bereits bestehendes österreichisches Fluglinienunternehmen, so ist ihr, wie dies schon die belangte Behörde getan hat, entgegenzuhalten, daß der Umstand, daß das Unternehmen nicht geeignet sein darf, die Verkehrsaufgaben eines anderen bereits bestehenden Fluglinienunternehmens zu gefährden, ein Kriterium des öffentlichen Interesses beinhaltet und im Rahmen desselben zu berücksichtigen ist, die Wahrung öffentlicher Interessen aber allein der Behörde überantwortet ist und keine Parteistellung begründet. Auf die Beachtung öffentlicher Interessen kann nach der hg. Rechtsprechung (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1965, Zl. 31/65) der Natur der Sache nach - jedenfalls soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet ist, was im Verfahren bezüglich einer Beförderungsbewilligung, aber auch hinsichtlich der Fluglinien- bzw. Flugstreckenbewilligung nicht der Fall ist - weder physischen noch juristischen Personen ein Rechtsanspruch zustehen (so auch Halbmayer-Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht, II. Teil Abschnitt 1/2, Anm. 9.1.3 zu § 6 des Bundesgesetzes über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1973, S. 22 f).
Auch mit dem Hinweis auf die Betriebspflicht im Fluglinienverkehr (§§ 111 ff, insbesondere § 113 LFG), auf das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr und auf internationale Abkommen ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß es sich bei den Bewilligungen nach § 111 LFG (Fluglinienbewilligung für eine bestimmte einzelne Strecke) bzw. §§ 8 ff Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr (Flugstreckenbewilligung) um zusätzlich erforderliche Bewilligungen handelt, läßt sich auch aus diesen Regelungen, selbst im Zusammenhang mit den die Beförderungsbewilligung betreffenden Bestimmungen, keine Parteistellung der Beschwerdeführerin als bestehendes Fluglinienunternehmen ableiten (vgl. in diesem Sinne abermals Halbmayer-Wiesenwasser, a.a.O.). Des weiteren bietet § 113 Abs. 2 LFG die Möglichkeit, ein Unternehmen von der Betriebspflicht aus wirtschaftlichen Gründen zu entbinden. Auch der Umstand, daß die Beschwerdeführerin (allenfalls) selbst plane, den Fluglinienverkehr in verschiedene Länder, die auch im Antrag der Y-AG enthalten sind, aufzunehmen, vermag nach der gegebenen Rechtslage keine Parteistellung zu begründen.
Das Beschwerdevorbringen erweist sich aber auch als nicht berechtigt, soweit die Meinung vertreten wird, es seien der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme nach § 105 Abs. 2 LFG nicht alle erforderlichen Informationen zugekommen. Wie der Wortlaut der an die Beschwerdeführerin (sowie an andere Stellen) am 17. April 1989 ergangenen Mitteilung zeigt, enthält diese alle wesentlichen Umstände über die beantragte Erweiterung des bereits bestehenden Beförderungsunternehmens Y-AG, sodaß es der Beschwerdeführerin möglich war, die ihr nach § 105 Abs. 2 LFG zustehende Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin hat auch nach ihrem eigenen Vorbringen mehrere Stellungnahmen erstattet.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989030224.X00Im RIS seit
30.09.1992Zuletzt aktualisiert am
23.10.2015