TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/14 B1149/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.1990
beobachten
merken

Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9430 Hubschrauberdienst, Krankenbeförderung, Rettung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art15 Abs1 B-VG Art83 Abs2 StGG Art12 / Vereinsrecht Oö RettungsG §1 Oö RettungsG §4

Leitsatz

Verweigerung der Anerkennung des bf. Vereins als Rettungsorganisation; keine unsachliche Differenzierung zwischen dem "Roten Kreuz" und dem bf. Verein; Zulässigkeit der Ausübung der satzungsgemäßen Tätigkeit einer Rettungsorganisation auch ohne Anerkennung iSd Gesetzes; keine Einengung der statutengemäßen Tätigkeit des Vereins; keine Verletzung der Vereinsfreiheit; keine Willkür; keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Regelung des Hilfs- und Rettungsdienstes

Spruch

Der beschwerdeführende Verein ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der beschwerdeführende Verein durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Oberösterreichische Landesregierung wies mit Bescheid vom 8. August 1989 den Antrag des Vereines Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesorganisation Oberösterreich, ihn gemäß §4 des O.ö. Rettungsgesetzes 1988, LGBl. 27, für das gesamte Land Oberösterreich als Rettungsorganisation anzuerkennen, ab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und der Sache nach auch die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (des §4 O.ö. RettungsG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Die O.ö. Landesregierung als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das O.ö. RettungsG bestimmt mit den hier in Betracht zu ziehenden Bestimmungen folgendes:

"§1

Hilfs- und Rettungswesen

(1) Das Hilfs- und Rettungswesen im Sinne dieses Gesetzes umfaßt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nur die Aufgaben des allgemeinen und besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes in der Gemeinde (örtlicher Hilfs- und Rettungsdienst).

(2) Aufgabe des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes ist es, erforderlichenfalls:

1. Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung erlitten haben, je nach Bedarf Erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie unter Betreuung durch fachlich geschulte Personen mit hiezu besonders geeigneten Verkehrsmitteln in eine Krankenanstalt zu bringen oder sonst der ärztlichen Versorgung zuzuführen;

2. Personen, die wegen ihres Gesundheitszustandes kein gewöhnliches Transportmittel (öffentliches Verkehrsmittel, Taxi u. dgl.) benützen können, unter Betreuung durch fachlich geschulte Personen mit hiezu besonders geeigneten Verkehrsmitteln zu befördern, soweit dies zur Erhaltung oder Verbesserung ihres Gesundheitszustandes erforderlich ist;

3. das für die Aufgaben gemäß Z. 1 und 2 erforderliche Personal und die hiefür erforderlichen Einrichtungen - bei Veranstaltungen auf Kosten des Veranstalters erforderlichenfalls auch an Ort und Stelle - im ausreichenden Maß bereitzustellen;

4. Schulungen in Erster Hilfe durchzuführen.

(3) . . .

§2

Aufgaben der Gemeinde

(1) Das örtliche Hilfs- und Rettungswesen gehört zu den Aufgaben der Gemeinde. Jede Gemeinde hat die für ihr Gemeindegebiet erforderlichen Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes sicherzustellen und für die Belange des besonderen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes nach Maßgabe der vorhandenen Mittel im jeweils zumutbaren Ausmaß vorzusorgen.

(2) Die Sicherstellung der Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes hat durch Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages mit einer anerkannten Rettungsorganisation (§4) zu erfolgen, in dem sich die Rettungsorganisation zur Bereitstellung und Erbringung der erforderlichen Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes verpflichtet. Die Gemeinde kann, soweit dies auf Grund bestimmter örtlicher oder sachlicher Gegebenheiten zweckmäßig ist, hinsichtlich bestimmter Gebietsteile der Gemeinde oder hinsichtlich bestimmter Aufgaben gemäß §1 Abs2 auch mit mehreren anerkannten Rettungsorganisationen Verträge abschließen, muß gegebenenfalls aber vertraglich sicherstellen, daß die sachlichen und örtlichen Aufgabenbereiche dieser Rettungsorganisationen gegenseitig so abgegrenzt sind, daß sie einander grundsätzlich ausschließen.

         (3) . . . (Inhalt der Verträge)

         . . .

(6) Die Gemeinde hat sich für Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes der hiefür vertraglich verpflichteten Rettungsorganisation zu bedienen. Dies gilt nicht bei Gefahr im Verzug.

(7) . . .

§4

Anerkennung einer Rettungsorganisation

(1) Juristische Personen können auf Antrag von der Landesregierung mit Bescheid als Rettungsorganisation anerkannt werden, wenn sie eine ordnungsgemäße Besorgung des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes in jenem Gebiet des Landes, für das die Anerkennung beantragt wird, erwarten lassen. Eine Anerkennung kann nur für ein räumlich zusammenhängendes Gebiet mit mindestens 10.000 Einwohnern beantragt werden.

(2) Voraussetzung für die Anerkennung einer juristischen Person als Rettungsorganisation ist, daß sie

1. ihren Sitz im Land Oberösterreich hat und ihr satzungsgemäßer Zweck die Erbringung der Leistungen des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes umfaßt,

2. gemeinnützig tätig ist,

3. zu keinen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der für sie handelnden Organe Anlaß gibt,

4. über genügend Personal, das für die Aufgaben gemäß §1 Abs2 ausgebildet ist, über geeignete Transportmittel in ausreichender Anzahl mit sachlicher Mindestausstattung samt dem hiefür erforderlichen sachkundigen Personal und über die sonst erforderlichen Einrichtungen für die Erfüllung aller Aufgaben gemäß §1 Abs2 in dem beantragten Gebiet verfügt,

5. eine örtlich und überörtlich ständig über Funk oder Telefon erreichbare Einsatzstelle besitzt.

(3) Die Anerkennung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen für das beantragte Gebiet auszusprechen und in der Amtlichen Linzer Zeitung kundzumachen. Sie kann auch unter den für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes erforderlichen Bedingungen und Auflagen erteilt werden. Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn auch nur eine Voraussetzung für ihre Erteilung weggefallen ist und - sofern es sich um einen behebbaren Mangel handelt - der Aufforderung der Landesregierung zur Behebung des Mangels binnen angemessener Frist nicht nachgekommen wurde. Sie kann ferner von der Landesregierung widerrufen werden, wenn die anerkannte Rettungsorganisation innerhalb eines Jahres ab ihrer Anerkennung nicht mit wenigstens einer Gemeinde einen Vertrag gemäß §2 Abs2 abgeschlossen, wiederholt Bedingungen oder Auflagen des Anerkennungsbescheides oder behördliche Aufträge nicht erfüllt oder wiederholt gegen die Bestimmungen des Abs5 verstoßen hat.

(4) Das Österreichische Rote Kreuz, Landesverband Oberösterreich, mit dem Sitz in Linz, gilt für das gesamte Land Oberösterreich als anerkannte Rettungsorganisation im Sinne dieses Gesetzes. Es ist verpflichtet, mit jeder oberösterreichischen Gemeinde auf deren Ersuchen einen Vertrag gemäß §2 Abs2 abzuschließen. Für das Gebiet der Landeshauptstadt Linz gilt auch der Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs, Landesorganisation Oberösterreich, mit dem Sitz in Linz, als anerkannte Rettungsorganisation im Sinne dieses Gesetzes. Er ist verpflichtet, mit der Landeshauptstadt Linz auf deren Ersuchen einen Vertrag gemäß §2 Abs2 abzuschließen.

(5) Anerkannte Rettungsorganisationen dürfen Tätigkeiten gemäß §1 Abs2 Z. 1 bis 3 nur im Gebiet jener Gemeinden ausüben, mit denen sie einen Vertrag gemäß §2 Abs2 abgeschlossen haben. Bezieht sich ein Vertrag gemäß §2 Abs2 nur auf bestimmte Gebietsteile einer Gemeinde oder nur auf bestimmte Aufgaben gemäß §1 Abs2, so dürfen Tätigkeiten nach dieser Bestimmung nur zur Versorgung dieser Gebietsteile bzw. nur zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben ausgeübt werden.

(6) Die Einschränkung gemäß Abs5 gilt nicht, wenn Organe einer anerkannten Rettungsorganisation außerhalb des Gebietes einer Gemeinde, mit der sie einen Vertrag gemäß §2 Abs2 abgeschlossen hat, zufällig von sich aus einen Anlaß für Tätigkeiten gemäß §1 Abs2 Z1 und 2 wahrnehmen und Gefahr im Verzug vorliegt".

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Der beschwerdeführende Verein behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein. Das Gesetz differenziere nämlich unsachlich zwischen ihm und dem Verein "Rotes Kreuz, Landesverband Oberösterreich"; obgleich die beiden Vereine gleiche Ziele verfolgten, sei er mit §4 Abs4 des O.ö. RettungsG nur für Linz, das "Rote Kreuz" hingegen für das ganze Landesgebiet anerkannt worden.

b) aa) Der Ausschußbericht (s.u. III.1.b.bb) motiviert diese Differenzierung so (S 4 f.):

"Die unmittelbar durch das Gesetz erfolgende Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes, Landesverband Oberösterreich, gründet sich auf die Tatsache, daß das Rote Kreuz in Oberösterreich eine besondere Stellung einnimmt. Mit Erlaß vom 27.10.1947, Gem./6-0558/3-1947, hat die o.ö. Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde den oberösterreichischen Gemeinden empfohlen, im Interesse einer einheitlichen Organisation des gesamten Kranken- und Rettungswesens das Rote Kreuz mit der Durchführung der Krankentransporte zu beauftragen. Die oberösterreichischen Gemeinden haben hierauf zum weitaus überwiegenden Teil das Rote Kreuz mit der Durchführung der Rettungstransporte beauftragt.

Das Österreichische Rote Kreuz, Landesverband Oberösterreich, verfügt als einzige Organisation in Oberösterreich über ein dichtes Netz an Ortsstellen mit Krankenwagen und erfüllt die im Abs2 normierten Voraussetzungen in einwandfreier Weise.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß mit §1 des Rotkreuzschutzgesetzes, BGBl. Nr. 196/1962, die Österreichische Gesellschaft vom Roten Kreuz insofern eine besondere Rechtsstellung erhalten hat, als sie als nationale Gesellschaft im Sinne des Art26 des Genfer Abkommens zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken im Felde (BGBl. Nr. 155/1953) ausdrücklich anerkannt und damit ihr Aufgabenbereich festgelegt wurde (siehe ferner die Art8, 15, 18 und 21 sowie den Anhang I des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte sowie die Art9, 11, 12 und 18 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte).

Die Ex-lege-Anerkennung des Roten Kreuzes, Landesverband Oberösterreich, ist mit der Verpflichtung zum Abschluß von Verträgen gemäß §2 Abs2 mit allen daran interessierten oberösterreichischen Gemeinden verbunden (Kontrahierungszwang).

Unmittelbar auf Grund des Gesetzes ist auch - allerdings beschränkt auf das Gebiet der Landeshauptstadt Linz - eine Anerkennung des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesorganisation Oberösterreich, vorgesehen. Diese Rettungsorganisation verfügt in Linz über eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung und erfüllt auch sonst für das Gebiet der Landeshauptstadt Linz die im §4 Abs2 genannten Voraussetzungen (siehe auch §14). Eine Ex-lege-Anerkennung (mit entsprechender räumlicher Einschränkung) erscheint daher sachlich gerechtfertigt. Auch für diese Rettungsorganisation gilt der Kontrahierungszwang.

Nicht nur im Hinblick auf diesen Kontrahierungszwang stellt die Ex-lege-Anerkennung des Roten Kreuzes und des Arbeiter-Samariter-Bundes keinesfalls eine willkürliche Privilegierung bestimmter Organisationen dar: sie ist vielmehr durch die vom Gesetzgeber vorgefundenen Gegebenheiten sachlich gerechtfertigt."

Diese Begründung weist zumindest nach, daß der Landesgesetzgeber den ihm von der Verfassung zugebilligten rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum nicht überschritten hat. Die getroffene Regelung ist aufgrund der geschilderten Überlegungen sachlich zu rechtfertigen.

bb) Der beschwerdeführende Verein steht auf dem Standpunkt, das Gesetz verbiete ihm außerhalb von Linz die Ausübung jeder Rettungstätigkeit, solange er nicht gemäß §4 Abs1 O.ö. RettungsG als Rettungsorganisation anerkannt sei.

Ihm ist zwar darin beizupflichten, daß das Gesetz - hätte es tatsächlich diesen Inhalt - sachlich nicht begründbar wäre. Es hat aber nicht diesen Inhalt:

Das O.ö. RettungsG verpflichtet die Gemeinden, die erforderlichen Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes sicherzustellen (§2 Abs1), dies durch Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages mit einer anerkannten Rettungsorganisation (§2 Abs2 iVm §4). Damit wird den Rettungsorganisationen (d.s. insbesondere Vereine iS des Vereinsgesetzes 1951 - vgl. den Bericht des Ausschusses für öffentliche Wohlfahrt über das nachmalige O.ö. RettungsG 1988, Blg. 158/1988, XXIII.GP) auch dann nicht verboten, ihre (satzungsgemäße) Tätigkeit nach wie vor auszuüben, wenn sie nicht gemäß §2 Abs2 iVm §4 O.ö. RettungsG anerkannt wurden.

Kann sich allenfalls aus dem Wortlaut des §4 Abs5 ein Inhalt des Gesetzes ergeben, wie er in der Beschwerde angenommen wird, so verbietet eine am Sinn des Gesetzes (wie er aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes abzuleiten ist) orientierte Auslegung, dem Gesetz einen solchen Inhalt zu unterstellen: Das Gesetz bezweckt in erster Linie, für die Bevölkerung einen personell und sachlich ausreichend ausgestatteten allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienst im örtlichen Bereich sicherzustellen (vgl. den oben zitierten Ausschußbericht, S 1). Diesem Zweck würde es geradezu entgegenlaufen, wenn (an sich erlaubte) Aktivitäten - von wem immer sie entfaltet werden - auf diesem Gebiet unterbunden würden.

In diesem Sinn führt der erwähnte Ausschußbericht aus:

S. 3: "... Die Gemeinde selbst muß sich - außer bei Gefahr im Verzug - für Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes der von ihr hiefür (jeweils) vertraglich verpflichteten anerkannten Rettungsorganisation bedienen. Sonstigen juristischen und allen natürlichen Personen bleibt es grundsätzlich freigestellt, wessen sie sich - etwa für einen Krankentransport - bedienen wollen. Sie müssen aber bedenken, daß angeforderte anerkannte Rettungsorganisationen an das Gebot des §4 Abs5 gebunden sind, d.h. außerhalb des Gebietes von Gemeinden, mit denen sie einen Vertrag gemäß §2 Abs2 abgeschlossen haben, grundsätzlich keine Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes erbringen dürfen. ..."

S. 4: "... Der Umstand, daß das Gesetz als eine der Voraussetzungen für die Anerkennung die Gemeinnützigkeit vorsieht, hat zweifellos insofern faktische Reflexwirkungen auch auf Gewerbetreibende, die im Rahmen eines Personenbeförderungsgewerbes auch Krankentransporte durchführen, als die Gemeinden sie nicht vertraglich zu Leistungen des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes verpflichten dürfen. Weder §4 Abs2 Z. 2 noch irgendeine andere Vorschrift des Gesetzes stellen aber eine - dem Bundesgesetzgeber vorbehaltene - gewerberechtliche Vorschrift dar noch greift das Gesetz in die verfassungsmäßig gewährleistete Freiheit der Erwerbstätigkeit ein. Das Gesetz enthält keine Regelungen über den Antritt oder die Ausübung eines Gewerbes, das den Krankentransport miteinschließt, sondern 'nur' Bestimmungen zur Sicherstellung einer klaglosen Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben im Bereich des allgemeinen örtlichen Hilfs- und Rettungswesens. Krankentransporte durch Gewerbetreibende (sogenanntes 'Grünes Kreuz') bleiben daher weiterhin zulässig bzw. vom Gesetz überhaupt unberührt; die Gemeinden sind freilich gehalten, sich zur Erfüllung ihrer öffentlichen Pflichtaufgabe der ihr vertraglich verpflichteten Rettungsorganisation(en) zu bedienen.

..."

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Gemeinden zwar verhalten sind, sich bei Besorgung der ihnen nach §1 Abs2 O.ö. RettungsG obliegenden Pflichtaufgaben ausschließlich der von ihnen (nach erfolgter Anerkennung) in Vertrag genommenen ("beliehenen") Rettungsorganisationen zu bedienen, daß aber dieses Gesetz keiner Rettungsorganisation verbietet, ihre satzungsgemäße Tätigkeit - wo immer - auszuüben. §4 Abs5 leg.cit. schließt lediglich aus, daß eine - wenngleich kraft Gesetzes oder durch Bescheid anerkannte - Rettungsorganisation, mit der aber (noch) kein entsprechender Vertrag (§2 Abs2 leg.cit.) abgeschlossen wurde, in der Eigenschaft als von der Gemeinde "beliehene" Organisation (mit den sich aus dieser Eigenschaft ergebenden Rechten und Pflichten) die der Gemeinde gemäß §1 Abs2 iVm §2 Abs1 leg.cit. obliegenden Aufgaben besorgt. Von einer Rettungsorganisation erbrachte Leistungen des Hilfs- und Rettungsdienstes werden vom Gesetz mithin dann überhaupt nicht berührt, wenn sie nicht für eine Gemeinde erfolgen.

Zu beachten ist allerdings die Regelung des §4 Abs6 O.ö. RettungsG, wonach bei Gefahr im Verzug die (anerkannte) Rettungsorganisation auch ohne Vorliegen eines Vertrages die der Gemeinde nach §2 Abs1 leg.cit. obliegenden Pflichtaufgaben für diese (mit den sich nach dem Gesetz daraus ergebenden Rechtsfolgen) zu erfüllen hat.

Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof ergab sich zwar, daß die bisherige Praxis einiger Bezirksverwaltungsbehörden in die andere Richtung geht; diese standen nämlich auf dem Standpunkt, daß es gegen §1 Abs2 Z3 und §4 Abs5 des O.ö. RettungsG verstoße, wenn der beschwerdeführende Verein außerhalb von Linz Ambulanzdienst versehe. Diese andere Auslegung ist jedoch geradezu denkunmöglich und gleichheitswidrig, weil sie dem Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen (nämlich den Gleichheitsgrundsatz verletzenden) Inhalt unterstellt. Auch die Vertreter der Oberösterreichischen Landesregierung stellten sich bei der mündlichen Verhandlung auf den Boden der soeben vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Interpretation und betonten, daß der rechtswidrigen Praxis der Unterbehörden entgegengewirkt werden würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat - beim oben geschilderten Inhalt des Gesetzes - unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles keine Bedenken ob der Übereinstimmung der in Betracht gezogenen Gesetzesbestimmungen mit dem Gleichheitsgrundsatz. Es erübrigen sich damit Erörterungen darüber, welche Vorschriften hier überhaupt präjudiziell sind.

cc) Eine willkürliche Handhabung des Gesetzes wurde weder in der Beschwerde behauptet, noch haben sich im Verfahren hiefür Anhaltspunkte ergeben.

Der beschwerdeführende Verein ist also nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2.a) Der beschwerdeführende Verein macht weiters geltend, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Vereinsfreiheit verletzt worden zu sein.

b) Wie oben (III.1.b.bb) dargetan wurde, hindert das O.ö. RettungsG keinen Verein und beschränkt ihn auch nicht darin, seine statutengemäßen Tätigkeiten auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungsdienstes zu entfalten.

Der angefochtene Bescheid verweigert dem beschwerdeführenden Verein die von ihm begehrte Anerkennung als Rettungsorganisation; der Verein wird aber dadurch in der Ausübung seiner statutengemäßen Tätigkeit nicht eingeengt. Es ist daher ausgeschlossen, daß der Bescheid in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit überhaupt eingreift; in diesem Recht ist er daher nicht verletzt worden.

Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es verfassungsrechtlich zulässig ist, einen Verein ohne seine Zustimmung von Staats wegen (sei es unmittelbar durch Gesetz, sei es durch einen individuellen Akt) in Pflicht zu nehmen, ihm bestimmte Aufgaben zu übertragen und damit allenfalls seine statutengemäße Tätigkeit zu reglementieren oder gar einzuschränken, ist hier - mangels Präjudizialität - nicht nachzugehen.

3.a) Schließlich bringt der beschwerdeführende Verein noch vor, daß sich der Landesgesetzgeber durch die Beschränkung der Tätigkeit von Vereinen im Bereich des örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes eine ihm nicht zustehende Regelungskompetenz angemaßt habe, weil das Vereinswesen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sei. Die belangte Behörde sei daher zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens nicht zuständig gewesen; diese Kompetenz wäre den Vereinsbehörden zugekommen.

b) Der beschwerdeführende Verein ist im Unrecht, wenn er diese Rüge unter dem Titel der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorträgt. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 11 102/1986) wird nämlich dieses Recht durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt. Die O.ö. Landesregierung hat hier in der Sache über einen Anerkennungsantrag nach §4 des O.ö. RettungsG abgesprochen. Hiezu war sie nach §4 Abs1 erster Satz leg.cit. kompetent.

Der Verfassungsgerichtshof hat nicht das Bedenken, daß der Landesgesetzgeber hier seine Zuständigkeit überschritten hätte: Angelegenheiten des Hilfs- und Rettungsdienstes iS des §1 des erwähnten Gesetzes sind in Gesetzgebung und Vollziehung gemäß Art15 Abs1 B-VG Landessache, dies auch dann, wenn sie (u.a.) von Vereinen besorgt werden (s. hiezu auch oben III.1.b).

4. Der beschwerdeführende Verein wurde also nicht in den von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt. Das Verfahren hat auch nicht die Verletzung eines anderen derartigen Rechtes ergeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat - wie oben dargelegt wurde - gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der beschwerdeführende Verein wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher abzuweisen, jedoch antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Schlagworte

Rettung, Vereinsrecht, Behördenzuständigkeit Kompetenz Bund - Länder, Kompetenz Bund - Länder Rettung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1149.1989

Dokumentnummer

JFT_10099686_89B01149_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten