TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/8 90/19/0532

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Veröffentlicht am 08.10.1992
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Index

21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs11;
AAV §46 Abs6;
ASchG 1972 §31 Abs2;
HGB §48;
HGB §50;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. September 1990, Zl. MA 63-H 77/89/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 21. September 1990 wurden über den Beschwerdeführer wegen zwei Übertretungen des § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 46 Abs. 11 und in Verbindung mit § 46 Abs. 6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung Geldstrafen verhängt, weil er es als zur Vertretung nach außen Berufener der Komplementärgesellschaft einer näher genannten Kommanditgesellschaft zu verantworten habe, daß am 26. Jänner 1988 auf einer näher bezeichneten Baustelle 1) die Arbeitsplätze auf dem Gerüst nicht über sicher begehbare Zugänge, wie Leitern, Leitergänge, Stiegen oder Laufbrücken erreichbar gewesen seien, da die Gerüstlagen nur über einen Aufstieg aus Stahlrohren im Abstand von 1 m - mittels Kupplung auf einem Steher montiert - und ohne Rückenschutz erreichbar gewesen seien, und 2) die Gerüstbeläge des Gerüstes, von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen konnten, nicht mit Mittel- und Fußwehren gesichert gewesen seien.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, das Berufungsvorbringen lasse sich dahin zusammenfassen, daß sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren auf die Bestellung eines namentlich genannten verantwortlichen Beauftragten berufen und zum Beweis dafür dessen zeugenschaftliche Vernehmung beantragt habe. Damit sei ein aus der Zeit vor der Begehung der Übertretungen stammender Zustimmungsnachweis des verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG nicht erbracht worden. Auf die entlohnungsmäßige Einstufung der namhaft gemachten Person und ihre Stellung als Prokurist der Gesellschaft komme es im gegebenen Zusammenhang nicht an. Die interne Delegation der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften an den Prokuristen und einen Polier könne den Beschwerdeführer nicht entlasten, weil er nicht dargelegt habe, daß er angemessene Kontrolleinrichtungen geschaffen habe, von denen er mit gutem Grunde habe annehmen können, daß sie unter den vorhersehbaren Verhältnissen Verwaltungsübertretungen wirksam verhindern. Der vom Beschwerdeführer beantragte Zeuge habe diesbezüglich ausgesagt, daß sich der Beschwerdeführer um die Baustellen in keiner Weise kümmere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

II.

1. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, daß der von ihm genannte Prokurist und der Polier als Bevollmächtigte im Sinne des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz anzusehen seien, übersieht dabei aber, daß ihn die Bestellung von Bevollmächtigten, die nach der zitierten Gesetzesstelle neben dem Arbeitgeber strafbar sind, allein - anders als im Falle der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 und 4 VStG - nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG befreit. Die Bestellung von Bevollmächtigten, denen die Aufgabe übertragen wurde, für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu sorgen, hätte - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - den Beschwerdeführer dann im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG entschuldigt, wenn er glaubhaft gemacht hätte, daß er angemessene Kontrolleinrichtungen geschaffen habe, von denen er mit gutem Grunde habe annehmen können, daß sie unter vorhersehbaren Verhältnissen Verwaltungsübertretungen wirksam verhindern (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 90/19/0499, mit weiteren Judikaturhinweisen). Da der Beschwerdeführer konkrete Behauptungen in dieser Richtung nicht aufgestellt hat und die Aussage des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen gegen eine solche Annahme spricht, ist die belangte Behörde mit Recht davon ausgegangen, daß den Beschwerdeführer Verschulden an den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen treffe.

2. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe zu Unrecht aus § 9 Abs. 4 VStG ein Beweisverbot abgeleitet und hätte auf Grund der Zeugenaussage des Prokuristen feststellen müssen, daß dieser seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zugestimmt habe. Eine urkundliche Zustimmung sei nicht erforderlich.

Der Beschwerdeführer läßt in diesem Zusammenhang die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außer acht, wonach nur ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis aus der Zeit vor der Begehung der strafbaren Handlung zur Erbringung des Nachweises im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG geeignet ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 91/19/0296, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung eines Zeugen war sohin nicht geeignet, den Zustimmungsnachweis zu erbringen.

3. Der Beschwerdeführer führt hinsichtlich des von ihm genannten Prokuristen aus, "als Prokurist im Sinne der §§ 48 ff HGB kommt ihm zudem Organstellung zu, die ihn gemäß § 50 HGB als verantwortlichen Bevollmächtigten ausweist", ferner "der Prokurist ist ein im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ". Diese Ausführungen sind rechtlich verfehlt, weil ein Prokurist nach den §§ 48 ff HGB zwar eine umfangreiche Vertretungsmacht besitzt, ihm aber nicht Organstellung zukommt, weshalb er nicht zu den zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zählt (siehe Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. 3 zu § 9 VStG, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Im übrigen würde den Beschwerdeführer das Vorhandensein eines weiteren zur Vertretung nach außen Berufenen nicht entlasten, sofern dieser nicht zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG bestellt wurde.

4. Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990190532.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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