TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/8 92/18/0387

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Veröffentlicht am 08.10.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §64 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. Juli 1992, Zl. St-39/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Juli 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden: FPG) auf unbestimmte Zeit ein Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Jänner 1991 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB (in verabredeter Verbindung von mindestens drei Personen) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Weiters sei er wegen des Vergehens der Entziehung von Energie (§ 132 StGB) durch das Bezirksgericht Hallein am 9. April 1991 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er vom Zählerkasten eines Nachbars elektrische Energie in seine Wohnung geleitet habe. Am 22. April 1990 habe der Beschwerdeführer eine in Tätlichkeiten ausartende Auseinandersetzung mit seinem Schwager gehabt, weil der Beschwerdeführer seine Ehefrau geschlagen habe. In der Folge sei es mit dem Schwager zu einer lautstarken Auseinandersetzung und auch zu Tätlichkeiten gekommen, wobei der Beschwerdeführer beim Eintreffen der Gendarmeriebeamten auf dem Brustkorb des Schwagers gekniet und ihm mit der linken Hand gegen die Kehle gedrückt habe. Das diesbezügliche gerichtliche Strafverfahren sei allerdings wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) eingestellt worden. Verwaltungsstrafrechtlich sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zweimal wegen Übertretung von Verkehrsvorschriften und ein weiteres Mal wegen Übertretung des FPG rechtskräftig bestraft worden. Bei der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau weise der Beschwerdeführer sieben rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen von Verkehrsvorschriften auf. Bei der Bezirkshauptmannschaft Hallein sei er mit 27 rechtskräftigen Verwaltungsstrafen vorgemerkt, von denen die meisten wiederum Übertretungen der StVO und des KFG beträfen. Der Beschwerdeführer scheine aber auch wegen zweimaliger rechtskräftiger Bestrafungen nach § 22 Abs. 3 Paßgesetz, einmal wegen Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG sowie zweimal wegen Übertretungen des Meldegesetzes auf. Der Tatbestand nach § 3 Abs. 2 Z. 2 FPG sei sohin erfüllt. Der dem Beschwerdeführer von der Erstbehörde gleichfalls gemachte Vorwurf, den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 5 FPG (Mitwirkung an der rechtswidrigen Einreise von Fremden in das Bundesgebiet oder an der rechtswidrigen Ausreise aus diesem gegen Entgelt) werde - wenn auch die diesbezügliche Verantwortung nicht sonderlich glaubwürdig erscheine - nicht weiter verfolgt.

Im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG führte die belangte Behörde weiter aus, es sei zu berücksichtigen, daß sich der Beschwerdeführer seit mehr als zehn Jahren und seine Gattin seit etwa zehn Jahren im Bundesgebiet aufhalten würden; ein dreijähriges Kind lebe ebenfalls in Österreich. Andererseits sei es gerade in den letzten Jahren zu Vorfällen gekommen, die zu gerichtlichen Bestrafungen geführt hätten. Die Verwaltungsstrafen zeigten ebenfalls eine Häufung in den Jahren 1988 und 1990, sodaß die Zukunftsprognose "eher ungünstig" ausfalle. Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen erscheine daher die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Die maßgebenden öffentlichen Interessen würden nach Auffassung der Behörde immer noch unverhältnismäßig schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie. Das Aufenthaltsverbot bedeute nicht zwangsläufig, daß auch die Familie des Beschwerdeführers mit ihm das Bundesgebiet verlassen müßte; insoweit sei die mögliche Beeinträchtigung des persönlichen Fortkommens der Familienangehörigen nicht in gleicher Intensität wie für den Beschwerdeführer gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer tritt der - zutreffenden - Ansicht der belangten Behörde, er habe den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Fall) FPG verwirklicht, nicht entgegen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß dieser Tatbestand schon dann verwirklicht ist, wenn in bezug auf die dort genannten vier Gesetze insgesamt mindestens drei rechtskräftige Bestrafungen eines Fremden vorliegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1992, Zl. 91/19/0360), und der Beschwerdeführer (sogar) fünf derartige Bestrafungen aufweist. Konnte aber die belangte Behörde in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Fall) FPG verwirklicht hat, so war - schon aus diesem Grund - auch die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1992).

Aber auch der von der belangten Behörde nach § 3 Abs. 3 FPG vorgenommenen Interessenabwägung vermag der Beschwerdeführer nichts Entscheidendes entgegenzusetzen, durfte doch die belangte Behörde bei der dabei vorzunehmenden Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0351) zu Recht nicht nur die angeführten rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen des FPG, des Paßgesetzes und des Meldegesetzes (alle drei Arten von Übertretungen sind keineswegs als unbedeutend zu werten), sondern auch die rund 30 () Bestrafungen des Beschwerdeführers nach anderen Verwaltungsvorschriften sowie die angeführten gerichtlichen Verurteilungen und die - wenn auch zu keiner gerichtlichen Verurteilung führenden - Tätlichkeiten des Beschwerdeführers am 22. April 1990 zu seinen Lasten berücksichtigen. Der Ansicht des Beschwerdeführers, weil die Behörde erster Instanz die aufschiebende Wirkung der Berufung nicht ausgeschlossen habe (vgl. § 64 Abs. 2 AVG), sei als "Umkehrschluß" davon abzuleiten, daß die maßgebenden öffentlichen Interessen "nicht so schwer wiegen", vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf verwiesen, daß die Familie des Beschwerdeführers durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes gegen diesen nicht gezwungen ist, ebenfalls auszureisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0350). Daß der Beschwerdeführer in der Türkei "kaum Arbeit und Wohnung" finden werde, fällt ebensowenig entscheidend ins Gewicht wie der Umstand, daß er seine Familie für die Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht mehr in Österreich treffen könnte.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180387.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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