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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Aumayr, über die Beschwerde der K GmbH & Co KG in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. April 1992, Zl. Wa - 200130/6 - 1992/Hz/Wim, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom 19. Februar 1992, Zl. 501/Wa-5/92e, erging gegen die Beschwerdeführerin ein wasserpolizeilicher Auftrag. Die Zustellung dieses Bescheides wurde durch ein Organ der Behörde am 21. Februar 1992 in den Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin in der Weise bewirkt, daß das Geschäftsstück vom Zustellorgan einem Angestellten der Beschwerdeführerin übergeben wurde, welcher auf den Zustellnachweis den Firmenstempel aufdrückte und die Übernahme des Geschäftsstückes durch seine Unterschrift bestätigte. Die auf dem Zustellnachweis vorgesehene Bezeichnung der Eigenschaft des Übernehmers - etwa als Arbeitnehmer des Empfängers - blieb unausgefüllt.
Die am 11. März 1992 zur Post gegebene, vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin als in offener Frist erhoben bezeichnete Berufung der Beschwerdeführerin gegen den wasserpolizeilichen Auftrag wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt und sich in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Zustellung und Gewährung einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelfrist von zwei Wochen aus folgenden Gründen verletzt erachtet:
Der Angestellte, welcher den wasserpolizeilichen Auftrag übernommen hatte, sei weder Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, noch sonst in einer Weise handlungsbevollmächtigt oder mit Postzustellvollmacht ausgestattet gewesen. Er habe in rechtlicher Unkenntnis das übernommene Schriftstück wie jedes andere in der Weise behandelt, daß er es wie üblich einmal in der Woche gemeinsam mit der sonst gesammelten Post sowie dem Werbematerial in die "Zentrale" nach L-E, M-Straße gesandt habe. Dort habe die Sekretärin des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf das Geschäftsstück den Eingangsstempel 26. Februar 1992 aufgedrückt und dem Geschäftsführer den Bescheid vorgelegt. Mit diesem Zeitpunkt erst habe der Bescheid an die Beschwerdeführerin als zugestellt gelten können, weil die Übernahme des Geschäftsstückes durch den Angestellten am 21. Februar 1992 als Zustellung nicht wirksam gewesen und der Mangel erst mit Zugang des Schriftstückes an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin geheilt worden sei. Vom Datum
26. Februar 1992 ausgehend, erweise sich die Berufung aber rechtzeitig und ihre Zurückweisung durch den angefochtenen Bescheid daher als rechtswidrig.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Insoweit die belangte Behörde dem Beschwerdevorbringen mit dem Argument entgegentritt, die fehlende Eigenschaft des das Geschäftsstück übernommen habenden Angestellten als eines zur Empfangnahme befugten Vertreters im Sinne des § 13 Abs. 3 Zustellgesetz stünde der Wirksamkeit des Zustellvorganges als Ersatzzustellung nach § 16 Zustellgesetz nicht entgegen, hat sie grundsätzlich recht. Die von Walter-Mayer, Zustellrecht, Anm. 18 zu § 16 Zustellgesetz, vertretene und von Ritz, Die Ersatzzustellung nach dem Zustellgesetz, Österreichische Steuerzeitung 1983/17, 198 ff, 200, übernommene Auffassung, daß Arbeitnehmer einer juristischen Person für diese als solche keine tauglichen Ersatzempfänger seien, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Der von den genannten Autoren vertretenen These steht schon der schlichte Gesetzeswortlaut der Bestimmungen des ersten und des fünften Absatzes des § 16 Zustellgesetz entgegen, welche ausdrücklich auf die Ersatzzustellung für den Fall Bezug nehmen, daß sich der Empfänger der zuzustellenden Sendung nach der Norm des § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes bestimmt. Da die letztgenannte Gesetzesbestimmung die physische Person bezeichnet, an welche als Empfänger für nicht natürliche Personen zuzustellen ist, erweist sich die Ersatzzustellung an den Arbeitnehmer der nicht natürlichen Person als jener Anwendungsfall der Ersatzzustellung, der die Erwähnung des dem "Empfänger" gleichgestellten "Vertreters im Sinne des § 13 Abs. 3" im ersten und fünften Absatz des § 16 Zustellgesetz erklärt.
Für den angefochtenen Bescheid ist daraus freilich nichts gewonnen. Auch die grundsätzliche Zulässigkeit der Ersatzzustellung an den Arbeitnehmer einer nicht natürlichen Person, worunter auch die sogenannten Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu verstehen sind (vgl. auch die zu EvBl. 1991/142 veröffentlichte Entscheidung des OGH vom 8. Mai 1991), wie die Beschwerdeführerin eine ist, ändert daran nichts, daß eine solcherart bewirkte Zustellung Wirksamkeit nur nach Maßgabe der Bestimmmungen des § 16 Zustellgesetz entfalten kann. Dafür ist im ersten Absatz des genannten Paragraphen vorausgesetzt, daß der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der zur Empfangnahme befugte Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 Zustellgesetz regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, wobei darüber hinaus nach dem fünften Absatz des genannten Paragraphen eine Ersatzzustellung dann als nicht bewirkt gilt, wenn sich ergibt, daß der zur Empfangnahme befugte Vertreter nach § 13 Abs. 3 leg. cit. wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.
Bevor eine Berufung als verspätet zurückgewiesen wird, ist zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist; jedenfalls hat die Berufungsbehörde, wenn sie auf Grund des Zustellnachweises von einer zulässigen Ersatzzustellung nach § 16 Abs. 1 Zustellgesetz ausgeht, dem Rechtsmittelwerber, der ein - ausgehend von einer Zustellung am Tag der vorgenommenen Ersatzzustellung - objektiv verspätetes Rechtsmittel einbringt, Parteiengehör zur Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels zu gewähren; unterläßt sie dies, trägt sie das Risiko einer Bescheidaufhebung, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, ohne diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung vorzuhalten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, ENr. 45 und 50 zu § 66 Abs. 4 AVG sowie ENr. 14 zu § 16 Zustellgesetz zitierte hg. Judikatur). Die dargestellten Grundsätze müssen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch im Beschwerdefall führen. Indem die belangte Behörde die Annahme der Verspätung des Rechtsmittels der Beschwerdeführerin dieser vor Zurückweisung ihrer Berufung nicht vorgehalten hat, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dies gilt umso mehr, als der der belangten Behörde vorgelegene Nachweis der Zustellung des vor ihr bekämpften Bescheides zufolge unvollständiger Ausfüllung über die Person des Übernehmers dieses Bescheides nicht Auskunft gab und die Behörde daher von einer nach § 13 Abs. 3 Zustellgesetz bewirkten Zustellung des vor ihr bekämpften Bescheides nicht ohne weiteres ausgehen konnte. Die Wirksamkeit der Zustellung mit 21. Februar 1992 aus dem Grunde des § 16 Abs 1 des Zustellgesetzes aber ließ sich erst nach einer unter Wahrung des Parteiengehörs vorgenommenen Prüfung der Frage beurteilen, ob der zur Empfangnahme befugte Vertreter der Beschwerdeführerin im Sinne des § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes sich im Sinne des § 16 Abs. 1 leg. cit. regelmäßig an der betroffenen Abgabestelle aufhielt. Bejahendenfalls erst hätte die diesfalls grundsätzliche Wirksamkeit der Ersatzzustellung nach § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes durch ein von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen in Richtung des § 16 Abs. 5 des Zustellgesetzes untersucht und gegebenenfalls zusätzlich beurteilt werden müssen.
Die aufgezeigten wesentlichen Verfahrensmängel, welche der Verwaltungsgerichtshof auch ohne Antrag in der Beschwerde wahrzunehmen hatte (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 545, wiedergegebene hg. Judikatur), mußten zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG führen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Parteiengehör RechtsmittelverfahrenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992070114.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
17.11.2010