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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. März 1992, Zl. 4.307.333/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 31. Dezember 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 4. Jänner 1991 einen Asylantrag.
Bei der niederschriftlichen Befragung gab er an, er sei seit dem Jahre 1986 Sympathisant der verbotenen Partei der Mudjahedin. Er habe diese regelmäßig finanziell unterstützt. An seinem Arbeitsplatz habe er mehrmals Parolen gegen das Regime geschrieben. Anfang November 1990 seien zwei Arbeitskollegen, die ebenfalls mit den Mudjahedin sympathisiert hätten, vom Revolutionskomitee festgenommen worden. Ein weiterer Arbeitskollege habe ihm Anfang Dezember 1990 gesagt, daß die beiden Festgenommenen unter schwerer Folter den Beschwerdeführer als Sympathisanten der Mudjahedin bezeichnet hätten. Aus Furcht vor der Verhaftung und um sein Leben habe er sich entschlossen, Persien zu verlassen. Er habe einen gültigen iranischen Reisepaß besessen, der im Jahre 1988 ausgestellt worden sei. Am 6. Dezember 1990 sei er mit einem Bus in die Türkei ausgereist.
Mit Bescheid vom 6. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
In seiner Berufung wiederholte der Beschwerdeführer (unter Angabe weiterer Details) zunächst seine Angaben vor der Asylbehörde erster Instanz. Darüber hinaus brachte er vor, aus einer Mitteilung seiner Mutter erfahren zu haben, daß nach seiner Flucht sein Vater von den Revolutionswächtern an seiner Stelle inhaftiert worden sei.
Mit dem Bescheid vom 5. März 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und stellte fest, daß dieser nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Nach Darlegung des Verfahrenganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, die Furcht des Beschwerdeführers vor Verhaftung sei nicht glaubhaft, da dieser sonst nicht mit seinem gültigen iranischen Reisepaß, ohne Probleme auch nur zu behaupten, das Land hätte verlassen können. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer unter Punkt 7 der Niederschrift ausdrücklich angegeben, nicht vorbestraft zu sein, in seinem Heimatland nicht gesucht zu werden und auch keine strafbaren Handlungen begangen zu haben. "Dieser Widerspruch" sei unaufgeklärt geblieben. Im Hinblick auf seine problemlose und legale Ausreise sei auch die behauptete Verhaftung seines Vaters unglaubwürdig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht mit Recht die mangelnde Schlüssigkeit der von der belangten Behörde bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen geltend.
Die belangte Behörde begründet ihre Auffassung, die Furcht des Beschwerdeführers vor Verhaftung sei nicht glaubhaft, zunächst damit, dieser habe mit seinem gültigen iranischen Reisepaß, ohne Probleme auch nur zu behaupten, das Land verlassen können. Im Hinblick auf diesen Umstand sei auch nicht glaubhaft, daß der Vater des Beschwerdeführers verhaftet worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß aus einer problemlosen (legalen) Ausreise alleine noch nicht der Schluß gezogen werden könne, dem Beschwerdeführer drohe in seinem Heimatland keine Verfolgung (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1989, Zl. 89/01/0179, 0180, vom 13. Dezember 1989, Zl. 89/01/0199, und vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0037). Ebensowenig stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, daß ein Asylwerber einen gültigen Reisepaß seines Heimatstaates besitzt, für sich allein ein Hindernis für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1989, Zl. 89/01/0161, und vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264).
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren angegeben, sein Reisepaß sei im Jahre 1988 (und somit vor den als Fluchtgrund behaupteten Vorgängen) ausgestellt worden; er hat weiters behauptet, sein Heimatland (offenbar unter Verwendung des Reisepaßes) unmittelbar nachdem ihm die behauptete Gefahr der Verfolgung bekanntgeworden sei, verlassen zu haben. Von diesen Angaben - die die belangte Behörde nicht als widerlegt bezeichnet - ausgehend und im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde keine Feststellungen darüber traf, welche Vorkehrungen die Behörden des Heimatstaates des Beschwerdeführers gegen die Ausreise von Personen getroffen haben, die verbotener politischer Aktivitäten verdächtig sind, vermag der Umstand, daß der Beschwerdeführer problemlos ausreisen konnte, die Schlußfolgerung der belangten Behörde, es bestehe kein ausreichender Anhaltspunkt für wohlbegründete Furcht vor Verfolgung, nicht zu tragen.
Die belangte Behörde hebt weiters hervor, der Beschwerdeführer habe unter Punkt 7 der Niederschrift (im Wege eines Vordruckes auf dem für die Niederschrift verwendeten Formular) angegeben, nicht vorbestraft zu sein, in seinem Heimatland nicht gesucht zu werden und keine strafbaren Handlungen begangen zu haben; "dieser Widerspruch" sei unaufgeklärt geblieben. Welche dieser Angaben nach Auffassung der belangten Behörde anderen Angaben des Beschwerdeführers widersprechen, wird nicht näher dargelegt; schon darin liegt ein Begründungsmangel, der die zweckentsprechende Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers hindert. Sollte die belangte Behörde einen Widerspruch in den Angaben des Beschwerdeführers darin erblicken, daß dieser im Punkt 7 der Niederschrift erklärte, nicht gesucht zu werden, in der Befragung über die Fluchtgründe hingegen angab, im Hinblick auf das Bekanntwerden seiner Unterstützung für die Mudjahedin seine Verhaftung durch die Revolutionswächter zu befürchten, ist auf folgendes hinzuweisen: Der Beschwerdeführer mußte die Frage, ob er gesucht werde, im vorliegenden Kontext (mit der Frage nach Vorstrafen bzw. nach der Begehung strafbarer Handlungen) nicht zwingend als Frage nach den befürchteten, im Mittelpunkt seiner folgenden niederschriftlichen Ausführungen stehenden Aktiviktäten der Revolutionswächter, die er als Fluchtgrund ansah, auffassen. Mangels eines entsprechenden, zur Aufklärung eines allfälligen Widerspruches in den Angaben des Beschwerdeführers geeigneten Vorhaltes während der niederschriftlichen Befragung kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer die Frage, ob er gesucht werde - wie nunmehr behauptet wird - als Frage nach strafgerichtlicher Verfolgung auffaßte und deshalb verneinte.
Bei der gegebenen Sachlage durfte die belangte Behörde somit weder vom Vorliegen eines "unaufgeklärten" (bzw. nicht aufklärbaren) Widerspruches noch von einer Steigerung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens ausgehen.
Durch die Heranziehung ihrer nach dem oben Gesagten nicht schlüssigen Erwägungen hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010410.X00Im RIS seit
11.07.2001