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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §27;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat, über den Antrag des B K in P, und der H K in A, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, auf Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 20. Mai 1987, 86/13/0194, eingestellten Verfahrens über die Beschwerde der Antragsteller gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 1979 - 1982, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird
zurückgewiesen.
Begründung
Die Antragsteller, eine aus Ehegatten bestehende Hausgemeinschaft, legten gegen die im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung für die Jahre 1979 bis 1982 ergangenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO Berufung ein. Da die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland über diese Berufung nicht innerhalb der im § 27 VwGG vorgesehenen sechsmonatigen Frist entschieden hatte, erhoben die Antragsteller Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG.
Aus dem Vorakt 86/13/0194 ist ersichtlich, daß die belangte Behörde innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Nachfrist von drei Monaten die angefochtenen Bescheide in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes aufgehoben hat. Daraufhin stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 20. Mai 1987 das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG ein.
Der gegen den Aufhebungsbescheid in der Folge ergriffenen Beschwerde gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Juni 1992, 87/13/0090 (der Finanzlandesdirektion am 6. Juli 1992 zugestellt) statt und hob den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Nunmehr begehren die Antragsteller die Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 20. Mai 1987, 86/13/0194-5, eingestellten Verfahrens betreffend ihre Säumnisbeschwerde. Nach ihrer Auffassung läge der Wiederaufnahmegrund gemäß § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG vor.
Der Wiederaufnahmeantrag ist verspätet.
Gemäß § 45 Abs. 2 VwGG ist ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch SPÄTESTENS BINNEN DREI JAHREN nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.
Der hg. Beschluß, mit dem der Gerichtshof jenes Verfahren eingestellt hat, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, wurde den Antragstellern am 23. Juni 1987 zu Handen ihres Rechtsanwaltes zugestellt. Die dreijährige Frist endete daher am 23. Juni 1990. Der am 17. Juli 1992 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war somit als verspätet zurückzuweisen.
Aus grundsätzlichen Erwägungen sieht sich der Gerichtshof noch zu folgenden Ausführungen veranlaßt:
Die Wiederaufnahme eines durch Beschluß abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei gemäß § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG zu bewilligen, wenn das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen Klaglosstellung eingestellt, die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hatte, jedoch nachträglich behoben wurde.
Bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG ist gemäß § 36 Abs. 2 VwGG der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Wird der versäumte Bescheid fristgerecht erlassen, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen.
Wird der versäumte Bescheid erst NACH Ablauf der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist erlassen, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Beschwerdeführer hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht als klaglos gestellt im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG anzusehen und das Verfahren nach dieser Gesetzesstelle einzustellen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 17. November 1965, 377/65; vom 22. September 1969, VwSlg. N.F. 3958/F; vom 18. Juli 1979, 484 - 488/79).
Diese Unterscheidung ist bei Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG vorliegen, von Bedeutung. Wie der Gerichtshof mit Beschluß vom 26. Juni 1989, 89/12/0101, ausgeführt hat, kommt eine Wiederaufnahme aufgrund der zitierten Gesetzesstelle nämlich nur im Falle verspäteter Bescheidnachholung in Betracht.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller findet dieses Verständnis des § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG im Gesetzeswortlaut durchaus Deckung. Spricht der Gesetzgeber doch im § 45 Abs. 1 Z. 5 ebenso wie im § 33 Abs. 1 leg. cit. von einer Verfahrenseinstellung wegen Klaglosstellung, während er den Begriff der "Klaglosstellung" für die Einstellung nach § 36 Abs. 2 VwGG nicht verwendet.
Darüber hinaus übersehen die Antragsteller, die § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG auch auf den gegenständlichen Fall angewendet wissen wollen, folgendes:
Ein durch Einstellung abgeschlossenes Verfahren ist in jenem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es sich vor dem Einstellungsbeschluß befunden hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1982, 322/80).
In diesem Zusammenhang muß bei Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zwischen den oben aufgezeigten Verfahrensstadien unterschieden werden. Bis zum Ablauf der nach § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist ist die belangte Behörde weiterhin für die Erlassung des versäumten Bescheides zuständig, mit ungenütztem Fristablauf geht die Zuständigkeit hingegen auf den Verwaltungsgerichtshof über (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1966, 1226/66).
Der Gerichtshof wäre im gegebenen Verfahrensstand folglich weder selbst zur Entscheidung zuständig noch berechtigt, die säumige Behörde unter Setzung einer Nachfrist zur Bescheidnachholung aufzufordern, da eine Fristsetzung nach § 36 Abs. 2 VwGG bereits im eingestellten Verfahren erfolgt ist.
Die beantragte Wiederaufnahme wäre daher im vorliegenden Fall auch dann nicht geeignet, die von den Antragstellern angestrebte baldige Sachentscheidung herbeizuführen, wenn der Antrag fristgerecht gestellt worden wäre. Es ist aber noch auf folgendes hinzuweisen:
Durch die Beseitigung des auf § 299 BAO gestützten Aufhebungsbescheides gehören die erstinstanzlichen Bescheide wieder dem Rechtsbestand an; über die dagegen erhobene Berufung hat die belangte Behörde neuerlich zu entscheiden. Bei Verletzung der Entscheidungspflicht steht es den Antragstellern frei, wiederum Säumnisbeschwerde zu erheben. Weiters wird darauf hingewiesen, daß die Entscheidungsfrist gemäß § 27 VwGG mit Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 17. Juni 1992, 87/13/0090 an die belangte Behörde, sohin mit 6. Juli 1992 in Gang gesetzt wurde.
Schlagworte
Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992130169.X00Im RIS seit
14.10.1992Zuletzt aktualisiert am
12.03.2009