Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des V in G, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Jänner 1992, Zl. 4.309.917/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste am 19. Mai 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. Juni 1990 einen Asylantrag. Bei der am 15. Dezember 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er an, er habe Vietnam bereits im Jahr 1982 verlassen. Seit damals habe er sich - zunächst als Gastschüler bzw. Student, sodann als Arbeiter in einem Webereibetrieb - in der Tschechoslowakei aufgehalten. Er sei mit seiner Arbeit zufrieden gewesen und habe auch nach der Abschaffung des kommunistischen Regimes im Jahr 1989 keinen Grund gehabt, die Tschechoslowakei zu verlassen. Im Sommer 1990 sei er davon informiert worden, daß ein Großteil der vietnamesischen Arbeiter auf Grund der Umstellung auf die freie Marktwirtschaft wieder nach Vietnam zurückgehen solle. Sein Arbeitsvertrag sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verlängert worden. Da er nicht mehr in Vietnam leben möchte, weil er andere Länder gesehen habe und auch wisse, welches System in Vietnam herrsche, habe er sich entschlossen, die Tschechoslowakei zu verlassen, um einer Heimschickung nach Vietnam zu entgehen.
Mit Bescheid vom 15. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, es werde auf seinen persönlichen Fall nicht eingegangen. Als Begründung fänden sich lediglich allgemeine Feststellungen, warum ein Asylantrag abgelehnt werden könne. Vietnam sei noch immer unter einem kommunistischen Regime. Er sei Gegner der kommunistischen Partei und habe auch aus diesen Gründen Vietnam verlassen. Wenn er in sein Land zurückkehre, befürchte er weitere Repressalien, denn solche seien speziell gegen Personen, die studiert hätten, gerichtet.
Mit Bescheid vom 31. Jänner 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion ab und stellte fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe; vielmehr habe er selbst ausgesagt, mit Wissen und Erlaubnis der Heimatbehörden ausgereist zu sein, um in einem anderen Staat ein Studium absolvieren und arbeiten zu können. Die bloße Abneigung gegen das im Heimatland herrschende System stelle keine Verfolgung im Sinne der Konvention dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht als Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, bei seinem "Interview" im Flüchtlingslager sei kein Dolmetsch anwesend gewesen; der seiner niederschriftlichen Befragung durch die Asylbehörde erster Instanz beigezogene Dolmetsch habe hingegen nur kursorisch und kurz gefragt, sei nicht auf seine Antworten eingegangen bzw. habe diese nicht weitergeleitet.
Mit diesen Darlegungen ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß die Aufhebung eines Berufungsbescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens voraussetzt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264); in seiner Berufung hat der Beschwerdeführer aber die nunmehr behaupteten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens gar nicht gerügt. Schon aus diesem Grund können die oben wiedergegebenen Darlegungen der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde auch Mängel des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens nicht aufzeigt. Die Behauptung, dem "Interview" im Flüchtlingslager - in dem der Beschwerdeführer keine näheren Angaben zur behaupteten Verfolgungsgefahr gemacht hat - sei kein Dolmetsch beigezogen worden, entspricht nicht der Aktenlage; nach dem Inhalt der vom Beschwerdeführer und von einem Dolmetsch unterfertigten Niederschrift vom 11. Juni 1990 wurde deren Inhalt dem Beschwerdeführer unter Zuhilfenahme des Dolmetsch wortgetreu übersetzt. Ebenso ist der oben wiedergegebene Vorwurf, der bei der niederschriftlichen Befragung des Beschwerdeführers vor der Asylbehörde erster Instanz (am 15. Dezember 1990) beigezogene Dolmetsch habe unvollständig übersetzt, nicht zielführend. Gemäß § 15 AVG machen Niederschriften vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt zulässig. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren keine Einwendungen gegen die Niederschrift erhoben und weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Beweise für die Unrichtigkeit der darin bezeugten Vorgänge angeboten bzw. erbracht, sondern nach Kenntnisnahme vom Inhalt der Niederschrift erklärt, daß er dem nichts hinzuzufügen habe. Die Beschwerde zeigt somit nicht auf, daß die belangte Behörde nicht von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift hätte ausgehen dürfen (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/01/0121). Bei den der Verfahrensrüge zugeordneten Beschwerdebehauptungen, der Beschwerdeführer habe ausgesagt, es drohe ihm die Abschiebung nach Vietnam, wo er wegen der Teilnahme an Demonstrationen gegen das vietnamesische Regime vor Gericht gestellt werden würde, handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte seine Flüchtlingseigenschaft feststellen müssen, weil er in Vietnam Repressalien seitens der Sicherheitsbehörden ausgesetzt gewesen sei, nur infolge Bestechung von Beamten und ohne Bewilligung habe ausreisen können und im Ausland an Demonstrationen teilgenommen habe, um auf die Lage in Vietnam aufmerksam zu machen. Er habe daher im Falle seiner Rückkehr mit "politischen Repressalien" zu rechnen. All dies hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht; diese Darlegungen sind somit gleichfalls schon im Hinblick auf das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.
Auch die (näher ausgeführten) Darlegungen des Beschwerdeführers, wonach er in Österreich sozial integriert sei, sind im vorliegenden Verfahren ohne Belang, weil es im Verfahren über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht auf eine allfällige soziale Integration des Asylwerbers im Asylland ankommt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010352.X00Im RIS seit
14.10.1992