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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §61 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der ED in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 6. August 1992, Zl. MA 2/30/92, betreffend Versorgungsbezug gemäß § 19 PG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen beantragte die Beschwerdeführerin am 2. September 1991 die Anweisung eines Versorgungsbezuges als frühere Ehefrau des am 4. Juni 1991 verstorbenen FD. Dieser stand als Hauptschuldirektor in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Wien.
Der Stadtschulrat für Wien stellte mit Bescheid vom 22. Jänner 1992 fest, daß dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung eines Versorgungsbezuges gemäß § 19 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) keine Folge gegeben werden könne. Ein Versorgungsbezug stünde der Beschwerdeführerin nicht zu, weil keine Unterlagen vorgelegt worden seien, aus denen hervorginge, daß der frühere Ehemann der Beschwerdeführerin auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin aufzukommen oder beizutragen gehabt hätte.
In ihrer Berufung rügte die Beschwerdeführerin, daß zu Unrecht ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei und brachte vor, die von der Behörde erster Instanz genannten Anspruchsvoraussetzungen wären nur im Falle eines Versorgungsbezuges nach § 19 Abs. 1 PG maßgeblich, wogegen in ihrem Fall zu prüfen sei, ob gemäß § 19 Abs. 4 PG ein Anspruch auf Ruhebezug bestünde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, änderte den Spruch aber dahingehend ab, daß dieser wie folgt lautet:
"Auf Grund des Antrages von Frau ED vom 2. September 1991 auf Gewährung eines Versorgungsbezuges als frühere Ehefrau des am 4. Juni 1991 verstorbenen Hauptschuldirektor i.R. FD wird festgestellt, daß der beantragte Versorgungsbezug gemäß § 19 PG 1965 nicht gebührt."
Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei eine materiell rechtliche Voraussetzung des Anspruches. Werde ein Antrag gemäß § 19 PG gestellt, so gebühre dem früheren Ehegatten bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der Versorgungsbezug unmittelbar auf Grund des Gesetzes. Daher sei eine bescheidmäßige Feststellung, ob ein Anspruch bestehe und nicht ein konstitutiver Verwaltungsakt, zulässig. Dennoch sei der erstinstanzliche Spruch abzuändern gewesen, weil festzustellen war, ob ein Anspruch bestehe oder nicht bestehe. Nicht feststellungsfähig sei, ob einem Antrag Folge geleistet werde oder nicht. Die Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen vom 26. November 1979 rechtskräftig geschieden worden. Sie habe aber trotz Belehrung durch die Berufungsbehörde mit Schreiben vom 30. März 1992 weder behauptet noch nachgewiesen, daß ihr verstorbener Ehegatte auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin aufkommen oder beitragen hätte müssen. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 19 Abs. 1 und 4 PG wird in der Bescheidbegründung ausgeführt, im ersten Absatz der Bestimmung werde normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Versorgungsbezug per se gebühre, im vierten Absatz dieses Paragraphen werde geregelt, in welcher Höhe dieser von der Behörde zu bemessen sei. Die Bestimmung über die Höhe eines Anspruches sei irrelevant, wenn ein Anspruch überhaupt nicht bestehe. § 19 Abs. 4 PG könne daher nicht vom Abs. 1 losgelöst betrachtet werden, da diese Bestimmungen miteinander im untrennbaren Zusammenhang stünden. Der Nachweis der Beschwerdeführerin, daß die Voraussetzungen vorlägen, die einen Versorgungsbezug über das Ausmaß des tatsächlichen Unterhaltes hinaus begründen würden, sei daher irrelevant, weil die Voraussetzungen nicht gegeben seien, welche das Anrecht auf einen Versorgungsbezug überhaupt entstehen hätten lassen. Nach Meinung der belangten Behörde sei es in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnisse vom 9. Jänner 1968, Zl. 1587/67 und vom 26. Mai 1975, Zl. 176/75) unbedeutend, ob auf Grund der familienrechtlichen Bestimmungen ex lege ein Unterhaltsanspruch infolge des Scheidungsurteiles vorliegen könnte, weil lediglich jener Unterhaltsanspruch einen Anspruch auf Versorgungsbezug begründen könne, der sich auf einen Verpflichtungsgrund nach § 19 Abs. 1 PG stütze. Ein solcher liege aber nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit der ausschließlich Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Da der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde über die in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin brachte ausschließlich vor, die Bestimmung des § 19 Abs. 4 PG halte ausdrücklich fest, daß Abs. 1 dieser Bestimmung unter den in lit. a bis c normierten Voraussetzungen für einen Versorgungsbezug des früheren Ehegatten außer Kraft trete, weil unter diesen besonderen Voraussetzungen der Anspruch auf einen Versorgungsbezug des geschiedenen Ehegatten (§ 55 Abs. 3 Ehegesetz) nach dem Willen des Gesetzgebers so beurteilt werden sollte, als ob die Ehe aufrecht wäre (§ 94 ABGB). Aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Ehescheidungsurteil mit Verschuldensausspruch zu Ungunsten des verstorbenen ehemaligen Ehegatten der Beschwerdeführerin, ergebe sich, daß die Voraussetzungen gemäß § 19 Abs. 4 lit. b und c erwiesen seien. Die Ausnahmefälle von dieser Regelung träfen nicht zu.
Die Bestimmungen über den Versorgungsbezug des früheren Ehegatten, deren Auslegung im Beschwerdefall allein strittig ist haben folgenden Wortlaut:
"§ 19. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten - ausgenommen die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3 bis 6 und 24 - gelten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte."
...
"(4) Der Versorgungsbezug - ausgenommen die Ergänzungszulage und die Hilflosenzulage - darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn
a) das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes enthält,
b)
die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und
c)
der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn
1. der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder
2. aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern."
Die Regelung des Abs. 4 geht auf die (aus der Sicht des Beschwerdefalls inhaltlich vergleichbare) Bestimmung des § 19 Abs. 4 PG in der Fassung des Art. XXI des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und Ehescheidungsrechts, BGBl. Nr. 280, zurück (in Kraft getreten am 1. Juli 1978), dessen lit. a durch Art. I Z. 6 der 6. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 104/1979 (rückwirkend mit 1. Juli 1978; vgl. Art. IV Abs. 1 Z. 2 dieser Novelle) eine zum Teil neue Fassung erhielt.
Diese Vorläuferbestimmung der heutigen pensionsrechtlichen Regelung knüpft an der durch das Bundesgesetz, BGBl. Nr. 280/1978, gleichzeitig vorgenommenen Neuregelung der unterhaltsrechtlichen Folgen der Scheidung nach (dem gleichfalls neugefaßten) § 55 Ehegesetz an.
Der zufolge Art. II Z. 5 des genannten Bundesgesetzes 1978 dem § 61 des Ehegesetzes beigefügte Abs. 3 bestimmt, daß, wenn die Ehe nach § 55 Ehegesetz geschieden wurde und der Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat, dies auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen ist.
Ist die Ehe nach § 55 geschieden worden und enthält das Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 so gilt für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung § 94 ABGB (§ 69 Abs. 2 erster Satz in der Fassung des Art. II Z. 9, BGBl. Nr. 280/1978).
Dies bedeutet, daß der schuldlos gegen seinen Willen geschiedene Ehegatte durch § 61 Abs. 3 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 Ehegesetz unterhaltsrechtlich (und bei Erfüllung der weiteren im § 19 Abs. 4 lit. b und c PG genannten Voraussetzungen auch pensionsrechtlich) so gestellt wird, als wäre die Ehe noch aufrecht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1989, Zl. 89/12/0141).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, ist der Bemessung des Versorgungsbezugs der früheren Ehefrau gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 PG nicht etwa ein abstrakter, sich aus dem Gesetz ergebender Anspruch zugrunde zu legen; entscheidend ist vielmehr allein der Anspruch, wie er auf Grund eines der im § 19 Abs. 1 PG angeführten Verpflichtungsgründe - also auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung - gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag konkret bestanden hat. Diese Rechtsprechung ist auch auf § 19 PG in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, die im wesentlichen lediglich den Kreis der Versorgungsberechtigten auf den früheren Ehegatten erweiterte, weiter anzuwenden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1988, Zlen. 86/12/0071, 0072).
Nach der dargestellten Rechtslage und der Entstehungsgeschichte der hier anzuwendenden Normen ist die Auslegung des § 19 Abs. 4 PG durch die belangte Behörde durch das Gesetz gedeckt. Sowohl die Systematik des Gesetzes, wonach Abs. 1 der Bestimmung den Grund des Anspruchs für den Versorgungsbezug des früheren Ehegatten an eine Reihe von Voraussetzungen formaler Art knüpft, während Abs. 4 ausschließlich die Höhe des Versorgungsbezuges regelt, spricht für diese Auslegung, als auch der klare Wortlaut der Bestimmung des Absatzes 4 selbst, wonach nur die Begrenzung des Versorgungsbezuges nach dem ersten Satz der Bestimmung bei den im zweiten Satz genannten Voraussetzungen nicht gilt (verbo: "Dies gilt jedoch nicht").
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992120198.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
17.11.2010