Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §74 Abs5 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie den Hofrat Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. März 1989, Z1. VII/3-13/IX/99, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von § 9.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als verantwortlicher Beauftragter der Firma J-AG (§ 9 VStG 1950) zu verantworten, daß am 31. Juli 1987 in einer Filiale der genannten Gesellschaft in N selbstverpacktes Faschiertes, das als verpackte Ware (von farbloser, durchsichtiger Kunststoffolie dicht umschlossene . Kunststofftasse) den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 (LMKVO 1973) unterliegt, zum Verkauf angeboten und damit in Verkehr gebracht worden sei, welches nicht entsprechend der LMKVO 1973 gekennzeichnet gewesen sei, da das Kennzeichnungselement des § 3 Z. l0a leg. cit. mangelhaft angegeben gewesen sei. Es sei lediglich das Verpackungsdatum, nicht aber das Aufbrauchdatum (eine gesonderte Kennzeichnung von Verpackungs- und Aufbrauchdatum sei erforderlich) aufgedruckt gewesen. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 1 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975) in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Z. 19 in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 der LMKVO 1973 begangen. Das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz wurde dahingehend ergänzt, daß dem Beschwerdeführer Barauslagen in der Höhe von S 390,-- gemäß S 45 Abs. 2 LMG 1975 für die Untersuchung durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vorgeschrieben wurden. Die verhängte Geldstrafe (S 1.000,--) sowie die Ersatzarreststrafe (24 Stunden) blieben unverändert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, er werde zu Unrecht als Verwantwortlicher im Sinne des § 9 VStG zur Verantwortung gezogen. Die belangte Behörde habe hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit keinerlei Feststellungen getroffen; dies sei wesentlich, da nach § 9 Abs. 4 VStG verantwortliche Beauftragte nur solche sein könnten, die ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt haben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Eine wesentliche Voraussetzung, um von einem "verantwortlichen Beauftragen" im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG, der die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit anstelle des Inhabers des Unternehmens bzw. des zur Vertretung nach außen Berufenen trägt, sprechen zu können, ist zufolge des § 9 Abs. 4 leg. cit. die nachweisliche Zustimmung des Betreffenden zu seiner Bestellung. Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum "verantwortlichen Beauftragten" bestellten Person nachgewiesen wird, wirkt diese Bestellung. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises, bei der Behörde tritt der "verantwortliche Beauftragte" in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnormen an die Stelle des Inhabers des Unternehmens oder des zur Vertretung nach außen Berufenen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1984, Slg. N.F. Nr. 11 596/A u.a.). nur Zustimmungsnachweis muß aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammen und bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens einlangen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. NF 12 375/A, sowie die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1992, Z1. 91/10/0087, und vom 9. Juli 1992, Z1. 90/10/0077).
Ein solcher Zustimmungsnachweis lag der belangten Behörde nicht vor. Das Schreiben der Firma J-AG vom 3. Dezember 1987, daß der Beschwerdeführer "im Sinne des § 9 VStG 1950 für die Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelgesetzes 1975 verantwortlich ist", stellt keinen Nachweis seiner Zustimmung zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter (zum Tatzeitpunkt 31. Juli 1987) dar. Da das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG geführt wurde, ohne daß die Voraussetzungen hiefür vorlagen, und sich der Beschwerdeführer dagegen bereits in der Berufung ausdrücklich gewendet hat - entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung der belangten Behörde steht daher dem diesbezüglichen Beschwerdevorwurf nicht das Neuerungsverbot entgegen - hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Auf das übrige Beschwerdevorbringen brauchte angesichts dieses Sachverhaltes nicht mehr eingegangen zu werden. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz in der verzeichneten Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.
Wien, am 19. Oktober 1992
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989100134.X00Im RIS seit
18.04.2007