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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Burgenland vom 9. Jänner 1992, Zl. IV/7022 B, VNr. 4568 280541, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 11. März 1987 Arbeitslosengeld und legte dem Arbeitsamt Oberwart eine Arbeitsbescheinigung des Dienstgebers vom 13. März 1987 vor, wonach das seit 8. Oktober 1973 dauernde Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin als Hilfsarbeiterin am 12. März 1987 zufolge "Kündigung durch den Dienstgeber" geendet habe. In der Folge erhielt die Beschwerdeführerin vom 16. März 1987 bis 14. Juni 1987 Arbeitslosengeld.
Am 3. März 1988 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich Arbeitslosengeld und legte eine Arbeitsbescheinigung des Dienstgebers vom 2. März 1988 vor, wonach das seit 15. Juni 1987 dauernde Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin als Hilfsarbeiterin am 2. März 1988 durch Kündigung durch den Dienstgeber geendet habe; aufgrund dieses Antrages erhielt die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld vom 3. März 1988 bis 5. Juni 1988.
Am 12. April 1990 teilte das Landesarbeitsamt Burgenland (die nunmehr belangte Behörde) unter Hinweis auf diese Bezugszeiten dem Arbeitsamt mit, daß im Zuge des Ausgleichsverfahrens gegen den Dienstgeber das Arbeitsamt Eisenstadt (in einem Verfahren nach dem IESG) zur Ansicht gekommen sei, daß (u.a.) der Beschwerdeführerin eine Abfertigung nicht in dem begehrten Ausmaß gebühre, weil es sich nicht um ein zusammenhängendes Dienstverhältnis gehandelt habe. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Klage beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht erhoben, welches in seinem Urteil zu dem Schluß gekommen sei, daß die Arbeitsverhältnisse nicht unterbrochen gewesen seien. Dies habe das Gericht daraus abgeleitet, daß sowohl die Weihnachtsremuneration als auch das Urlaubsentgelt (gemeint wohl: Urlaubsgeld) ungeschmälert für das ganze Jahr ausbezahlt worden seien und auch die Beschwerdeführerin während des Arbeitslosengeldbezuges tageweise beschäftigt worden sei. Da durch gerichtliche Entscheidung festgestellt worden sei, daß die Arbeitsverhältnisse nicht unterbrochen gewesen, sondern durchgehende Arbeitsverhältnisse vorgelegen seien, sei das Vorliegen von Arbeitslosigkeit in den "gegenständlichen Zeiträumen" (gemeint sind die o.a. Bezugszeiträume) zu verneinen. Diesem Schreiben lagen Urteil und Verhandlungsprotokoll des Landesgerichtes Eisenstadt vom 1. Februar 1990 bei.
Mit Bescheid vom 30. April 1990 widerrief das Arbeitsamt die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 16. März bis 14. Juni 1987 und vom 3. März bis 5. Juni 1988 gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a AlVG und forderte den unberechtigt empfangenen Betrag von S 28.105,-- gemäß § 25 Abs. 1 AlVG 1977 (unter Einräumung von Ratenzahlungen) zurück. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß entgegen den Angaben in den vorliegenden Arbeitsbescheinigungen die Arbeitsverhältnisse - wie das Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht festgestellt habe - nicht unterbrochen, sondern "durchgehende Dienstverhältnisse" vorgelegen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Darin bestreitet sie sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen für die Rückforderung im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG, aber auch, daß eine bloße Karenzierung (und nicht Unterbrechung) des Dienstverhältnisses vorgelegen sei. Weil sie "stempeln gehen" sollte, sei sie "folgerichtig vom Dienstgeber gekündigt" worden, ohne daß allerdings alle Ansprüche wie bei Kündigung abgerechnet worden seien. Eine solche Vereinbarung sei aber aufgrund der Privatautonomie auch bei Kündigung möglich. Überdies komme es im Sinne der Entscheidungsbesprechung Schrammels zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1984, Zl. 83/08/0083 (= ZAS 1987, Seite 54 ff), für die Berechtigung des Bezuges von Arbeitslosengeld nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis beendet oder nur suspendiert werde, wenn nur - wie hier - ein entsprechendes "Sicherungsbedürfnis" des Dienstnehmers gegeben sei.
Mit Bescheid vom 3. Juli 1990 hat der zuständige Unterausschuß des Verwaltungsausschusses der belangten Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin "Folge gegeben" und den angefochtenen Bescheid "aufgehoben", jedoch gleichzeitig das Arbeitslosengeld für die oben angeführten Zeiträume (neuerlich) widerrufen und den Betrag von S 28.105,-- (mit Einräumung der Möglichkeit von Ratenzahlungen) zurückgefordert.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der diesen Bescheid - nach Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG 1977 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, G 295/90 u.a. - mit Erkenntnis vom 17. September 1981, Zl. 90/08/0141, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (als Anlaßfall des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses) aufgehoben hat.
Mit einem (vom Leiter der belangten Behörde ausgefertigten) Bescheid vom 9. Jänner 1992 hat die belangte Behörde nunmehr inhaltlich gleichlautend mit dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid des Unterausschusses des Verwaltungsausschusses vom 3. Juli 1990 entschieden. Die belangte Behörde führt (nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Darlegung der zu lösenden Rechtsfrage) darin aus, daß in der Entscheidung des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht "dezidiert und zweifelsfrei von einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis" gesprochen werde. Daraus ergebe sich, daß das Arbeitsverhältnis in den Zeiträumen, in welchen Arbeitslosengeld bezogen worden sei, nicht unterbrochen, sondern lediglich karenziert gewesen sei. Arbeitslosigkeit liege daher nicht vor. Der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 zweiter Satz zweiter Fall AlVG 1977 (gemeint:
Rückforderung bei rückwirkender Feststellung oder Vereinbarung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses) sei erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Z. 1 AlVG 1977 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (u.a.) arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG 1977 ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht, gemäß § 12 Abs. 6 lit. a leg. cit. jedoch dann schon, wenn das daraus erzielte Entgelt die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt.
Die vorliegende Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid erkennbar auf zwei Ebenen: Auf dem Boden der Feststellungen der belangten Behörde, zwischen der Beschwerdeführerin und dem Dienstgeber sei in den Zeiträumen, während derer die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld bezogen habe, (nur) eine Karenzierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag vereinbart gewesen, wendet sich die Beschwerde erstens gegen die dem grundlegenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1984, Zl. 83/08/0083, Slg. Nr. 11600/A, entsprechende Rechtsauffassung der belangten Behörde, Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG liege nicht vor. Zweitens sei die belangte Behörde an die rechtliche Beurteilung des Gerichtes nicht gebunden, weshalb sie "bei richtiger rechtlicher Beurteilung" zu dem Schluß hätte kommen müssen, daß das Beschäftigungsverhältnis mit der Aufforderung des Dienstgebers an die Beschwerdeführerin "stempeln zu gehen" gelöst worden sei. Im Gerichtsverfahren sei es nur um die Abfertigung gegangen; über das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses habe das Landesgericht Eisenstadt nicht zu befinden gehabt.
Auf der ersten Begründungsebene bringt die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, diese führe zu "unbilligen und unsozialen Ergebnissen" und macht sich die Argumentation DIRSCHMIEDS (AlVG2, Manzsche Kurzkommentare zum Arbeits- und Sozialrecht, Seite 91 ff) und SCHRAMMELS (Entscheidungsbesprechung zum hg. Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A, in ZAS 1987, 60 ff) zu eigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A, in eingehender Auseinandersetzung mit dem bis dahin vorliegenden Schrifttum - am Erkenntnis vom 4. Dezember 1957, Slg. Nr. 4495/A, hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung der Verwendung der Worte "Beschäftigungsverhältnis" und "Dienstverhältnis" im ASVG anknüpfend - die Auffassung vertreten, daß durch eine einen Monat (§ 11 Abs. 3 lit. a ASVG) übersteigende Karenzierung der beiderseitigen Hauptpflichten (Arbeits- bzw. Entgeltpflicht) zwar die Pflichtversicherung nach dem ASVG, nicht aber das (als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierende) Arbeitsverhältnis erlösche. Das erste Tatbestandsmerkmal des § 12 Abs. 1 AlVG sei aber nur im Falle der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfe, erfüllt, d.h. dieses müsse gelöst (und nicht bloß karenziert) sein, damit Arbeitslosigkeit im Sinne der genannten Gesetzesstelle vorliege. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
DIRSCHMIED (aaO, 91 ff) vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß "bei realistischer Einschätzung der Sachlage" das Problem der Aussetzungsvereinbarungen nicht über den Tatbestand Arbeitslosigkeit gelöst werden könne, sondern nur über jenen der Arbeitswilligkeit: Die Einstellung der Beschäftigung führe zur Arbeitslosigkeit; sei die Initiative dazu vom Arbeitnehmer ausgegangen, liege mangelnde Arbeitswilligkeit, im anderen Fall (bei gleichzeitiger Vermittlungsbereitschaft des Arbeitnehmers) seien die Voraussetzungen (gemeint offenbar: im Sinne von Arbeitslosigkeit) für einen Leistungsanspruch gegeben. Es sei auch mit dem Prinzip der Ex-lege-Versicherung nicht vereinbar, wenn der Leistungsanspruch nur vom juristischen Geschick der Vertragspartner abhängig sei.
Zunächst vermag der Verwaltungsgerichtshof das vom genannten Autor gebrauchte Argument, es bestehe ein Gegensatz zwischen einer Versicherung kraft Gesetzes und der Einflußnahme auf das Leistungsrecht durch Vertragsgestaltung, nicht nachzuvollziehen: Das Prinzip der "Ex-lege-Versicherung" bedeutet nicht, daß auf das Entstehen oder auf die Beendigung von Versicherungspflicht im Wege der Vertragsgestaltung kein Einfluß bestünde: so steht es den Vertragsparteien z.B. frei, ihre Rechtsbeziehungen entweder als Arbeitsvertrag und Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG auszugestalten oder als (keine Pflichtversicherung begründenden) freien Dienstvertrag. Den Vertragsparteien steht nur kein isolierter Zugriff auf die Rechtsfolge "Versicherungspflicht" dahin zu, diese ungeachtet der Vertragsgestaltung ausschließen zu können; dies ist die Folge davon, daß die Versicherungspflicht (fallbezogen) eine Funktion des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist. Die prinzipielle Möglichkeit der vertraglichen Einflußnahme auf das Fortdauern eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gilt auch im Falle der Beendigung:
Es steht den Vertragspartnern des Arbeitsvertrages (innerhalb bestimmter Grenzen) frei, bei Aufrechterhaltung des als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierenden Arbeitsverhältnisses bloße Karenzierung der beiderseitigen Hauptpflichten oder aber dessen Beendigung zu vereinbaren. Unvereinbar erschiene es dem Verwaltungsgerichtshof hingegen, einerseits an der Fortdauer des (als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierenden) Arbeitsverhältnisses festzuhalten, gleichzeitig jedoch die Rechtsfolgen der BEENDIGUNG dieses Beschäftigungsverhältnisses zu wollen.
Dieses - im Erkenntnis Slg. 11600/A eingehend begründete - Ergebnis wird auch durch Überlegungen hinsichtlich der Zwecke der Arbeitslosenversicherung nicht in Frage gestellt: Es spricht kein Umstand dafür, daß der Gesetzgeber mit dem Rechtsinstitut der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG 1977 Einkommensverluste der Dienstnehmer schlechthin ausgleichen wollte, sondern vielmehr, daß nur jene Einkommensverluste ausgeglichen werden sollten, die auf den Verlust des Arbeitsplatzes (im Sinne der Beendigung des als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierenden Arbeitsverhältnisses) zurückzuführen sind. Ein Anhaltspunkt dafür, daß damit (auch) eine Abdingung des § 1155 ABGB (Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers bei Unterbleiben der Arbeitsleistung aus Gründen, die in seiner Sphäre liegen) - und damit die Überwälzung von Lohnkosten auf die Versichertengemeinschaft im Einverständnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - erleichtert werden sollte, ist dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen. Ob eine andere Lösung des Problems des Entgeltausfalls bei Karenzierungsvereinbarungen, etwa über den Begriff der Arbeitswilligkeit (wie DIRSCHMIED, aaO, vorschlägt), zweckmäßiger wäre, kann - solange dem Gesetz eine solche Grundsatzentscheidung nicht entnehmbar ist - auf sich beruhen.
Es trifft aber auch nicht schlechthin zu, daß mit dem "Wegfall der Einigung über die entgeltliche Leistung abhängiger Arbeit" auch kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (mehr) vorliegen könne, wie SCHRAMMEL, ZAS 1987, 62, meint, weil sich das Gegenteil aus § 11 Abs. 3 lit. a ASVG ergibt (vgl. Punkt 4.4.5.1. bis 4.4.5.4. des hg. Erkenntnisses vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A, in der in ZAS 1987, Seite 57 wiedergegebenen, mit Absatzbezeichnungen versehenen Originalfassung); dies gilt zumindest für den Fall der nur VORÜBERGEHENDEN Sistierung der Arbeits- und Entgeltzahlungspflichten (anders verhält es sich bei einem endgültigen Wegfall der Absicht des Dienstgebers, entgeltliche, abhängige Leistungen des Dienstnehmers in Empfang zu nehmen:
vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1989, Slg. Nr. 12848/A). Wenn (ohnehin) bereits die Sistierung dieser Hauptpflichten zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG führen würde, dann wäre der Einschub "wenn das Beschäftigungsverhältnis nicht früher beendet wird" in § 11 Abs. 3 ASVG zumindest hinsichtlich der lit. a (Fortbestand der Versicherungspflicht bei Karenzierung bis zu einem Monat) ohne normativen Inhalt. Die von SCHRAMMEL (aaO, 62 unten und 63) vorgeschlagene Gleichsetzung von Beschäftigungsverhältnis und Pflichtversicherung scheitert - wie der Verwaltungsgerichtshof in Slg. Nr. 11600/A dargelegt hat - am klaren Wortlaut der §§ 10 und 11 ASVG. Die (auch von diesem Autor als konsequent bezeichnete) Anknüpfung an das als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierende Arbeitsverhältnis in § 12 Abs. 1 AlVG will SCHRAMMEL (aaO, 63) schließlich (dennoch) über das "Sicherungsbedürfnis des Dienstnehmers" korrigieren, welches bei Karenzierung nicht geringer sei, als bei Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses. Dem ist zu entgegnen, daß der Umfang, in dem der Gesetzgeber einem Sicherungsbedürfnis des Arbeitnehmers bei Einkommensausfällen durch kompensatorische gesetzgeberische Maßnahmen Rechnung trägt, das Ergebnis einer (sozial-)politischen Entscheidung ist, bei der dem Gesetzgeber - vorbehaltlich der Abgrenzung nach sachlichen Gesichtspunkten (Art. 7 B-VG) - ein erheblicher rechtspolitischer Spielraum zukommt. Es kann daher in dem Umstand allein, daß ein (dem Verwaltungsgerichtshof durchaus nachvollziehbares) Sicherungsbedürfnis vom Gesetzgeber nicht befriedigt wird, nicht schon das Vorliegen einer Gesetzeslücke erblickt werden, die dann im Interpretationsweg (hier: im Wege einer Korrektur des Begriffes der Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG) geschlossen werden müßte. Die Verschiedenbehandlung eines Sicherungsbedürfnisses, welches trotz Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auftritt, im Verhältnis zu jenem, welches durch den Verlust des Arbeitsplatzes zufolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof aber auch nicht von vornherein unsachlich zu sein, sodaß auch unter dem (von SCHRAMMEL gar nicht ins Treffen geführten) Gesichtspunkt der verfassungskonformen Interpretation eine Korrektur des aus dem Gesetzeswortlaut entwickelten (im Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A, dargelegten) Auslegungsergebnisses nicht indiziert ist. Soweit sich das Beschwerdevorbringen somit gegen die vom Verwaltungsgerichtshof in der wiederholt zitierten Entscheidung Slg. Nr. 11600/A ausführlich begründete und in der Folge aufrechterhaltene Rechtsprechung (vgl. die Erkenntnisse vom 13. September 1985, Zl. 85/08/0067, vom 8. Oktober 1987, Zl. 86/08/0121, u.a.) betreffend das Verständnis der Wendung "nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses" im § 12 Abs. 1 AlVG wendet, ist es nicht geeignet, Zweifel an deren Richtigkeit zu erwecken. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung nicht veranlaßt.
Bei der Lösung der demnach entscheidenden privatrechtlichen Vorfrage, ob im Beschwerdefall eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses oder eine bloße Karenzierung vorliegt, kommt es auf den nach den §§ 914 ff ABGB zu ermittelnden Inhalt der - gegebenenfalls - zwischen den Arbeitsvertragspartnern abgeschlossenen Vereinbarung an.
Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang - wie die Beschwerdeführer mit Recht rügen - keine Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern sich ausschließlich darauf gestützt, daß im Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt "dezidiert und zweifelsfrei von einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis gesprochen" werde und sich "daraus" ergebe, daß das Arbeitsverhältnis in den Zeiträumen des Bezuges von Arbeitslosengeld nicht unterbrochen, sondern lediglich karenziert gewesen sei. Dies läßt erkennen, daß sich die belangte Behörde offenbar an diese Feststellungen des Landesgerichtes Eisenstadt gebunden erachtete.
Eine solche Bindung liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil dieses Urteil (im Tenor) der Beschwerdeführerin lediglich einen bestimmten Abfertigungsbetrag (als nach dem IESG gesicherten arbeitsrechtlichen Anspruch) zuerkannt und in diesem Zusammenhang die VORFRAGE, ob ein durchlaufendes oder ob mehrere unterbrochene Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, im erstgenannten Sinne beurteilt hat. Damit wurde aber nicht in einer der Rechtskraft fähigen Form über diese Frage als Hauptfrage abgesprochen. Solange das Gericht nicht als Hauptfrage über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während der Zeiträume des Entfalles der Arbeits- und der Entgeltpflicht abgesprochen, sondern diese nur im Zusammenhang mit einer anderen Hauptfrage vorfrageweise beurteilt hat, ist die belangte Behörde daher gemäß § 38 AVG berechtigt (und in Ermangelung eines anhängigen Verfahrens über diese Vorfrage auch verpflichtet), diese (privatrechtliche) Vorfrage nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Sie hat dabei amtswegig (§ 39 Abs. 2 AVG) den maßgebenden Sachverhalt festzustellen (§ 37 AVG), wobei unter sorgfältiger Berücksichtigung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen ist, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei oder nicht (§ 45 Abs. 2 AVG).
Da die belangte Behörde aufgrund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung, in der Frage der Karenzierung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses an die Beurteilung durch das Gericht gebunden zu sein, Tatsachenfeststellungen über den Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem ehemaligen Dienstgeber im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht getroffen hat, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Hinsichtlich der erforderlichen Verfahrensergänzung weist der Verwaltungsgerichtshof zur Vermeidung von Mißverständnissen darauf hin, daß die Behörde nicht nur auf den Gebrauch bestimmter Wendungen, wie z.B. der Bezeichnung des Vertrages als "Aussetzungsvertrag" oder die Verwendung des Wortes "Unterbrechung" (vgl. das Erkenntnis vom 13. September 1985, Zl. 85/08/0067) oder "Wiederaufnahme des Dienstverhältnisses in vollem Umfang" (vgl. das Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. 11600/A) abzustellen, sondern - in erster Linie - die Absicht der Parteien zu erforschen haben wird. Der Ausschluß der sonst mit der einvernehmlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechtsfolgen (wie z.B. Liquidierung der Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung) läßt - ungeachtet ihrer neben anderen Umständen auch in Betracht zu ziehenden INDIZwirkung - FÜR SICH ALLEIN genommen im allgemeinen noch keine eindeutigen Schlußfolgerungen in der einen oder anderen Richtung zu (vgl. das Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11600/A, vom 8. Oktober 1987, Zl. 86/08/0121, und vom 16. Oktober 1986, Zl. 86/08/0129-0138). Die belangte Behörde wird insbesondere festzustellen haben, für welchen Zeitraum die Aussetzung von Arbeits- und Entgeltpflicht erfolgen sollte. Für den Fall, daß die Wiederaufnahme der Arbeit (die Beendigung der Aussetzung) von einem noch ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignis (z.B. der Entwicklung der Auftragslage des Arbeitgebers) abhängig gewesen sein sollte (worauf die bisherigen aktenkundigen Ermittlungsergebnisse teilweise hindeuten könnten), könnte eine sittenwidrige Abrede vorliegen: Eine solche Vereinbarung würde nämlich bedeuten, daß damit die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur künftigen Erbringung entgeltlicher Arbeitsleistungen unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart worden wäre. Nach herrschender Lehre ist der Abschluß eines Arbeitsvertrages unter einer aufschiebenden Bedingung dann sittenwidrig (und damit gemäß § 879 ABGB nichtig), wenn sie den Arbeitnehmer gröblich benachteiligt oder wenn damit arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen unterlaufen werden, insbesondere aber, wenn sie den Arbeitnehmer - obgleich dieser während der Schwebezeit gehindert ist, seine Arbeitskraft entgeltlich zu verwerten - unangemessen lange im Ungewissen läßt (vgl. SPIELBÜCHLER in: Spielbüchler-Floretta, Arbeitsrecht I3, 103; TOMANDL, Arbeitsrecht 2, Sachprobleme, 12; MAYER-MALY-MARHOLD, Arbeitsrecht I, 67). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Überlegungen auch im Zusammenhang mit Aussetzungsvereinbarungen anzustellen: eine Karenzierungsvereinbarung, die den Arbeitnehmer entweder für eine unangemessen lange Zeit an den Arbeitsvertrag bindet, (und ihn damit an der anderweitigen Verwertung seiner Arbeitskraft zum Zwecke des zum Lebensunterhalt erforderlichen Mittelerwerbs hindert) oder das Wiederaufleben der Arbeits- und Entgeltpflicht von ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignissen oder gar vom Belieben des Arbeitgebers abhängig macht, wäre danach ebenso sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB (so schon STEINBAUER, ZAS 1984, 8 f; zustimmend PRAXMARER, DRdA 1986, 26 f und RUNGGALDIER, DRdA 1986, 282). Ist eine Vereinbarung hinsichtlich der Frage, ob Unterbrechung oder (bloße) Karenzierung gewollt war, undeutlich, so wäre in solchen Fällen im Zweifel - entsprechend der maßgeblichen Übung des redlichen Verkehrs - Unterbrechung anzunehmen, da dadurch am Vertrag als gültig festgehalten werden kann, jedoch die - Sittenwidrigkeit indizierenden - einseitigen Nachteile für den Arbeitnehmer vermieden werden. Eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung, für den Fall der "Fortsetzung" des Arbeitsverhältnisses die Zeit der Unterbrechung für Ansprüche, die sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses richten, zu berücksichtigen (anzurechnen), stünde einem solchen Vertragsverständnis nicht von vornherein entgegen, weil es den Parteien des Arbeitsvertrages freisteht, günstigeres als das (zwingende) Recht zu vereinbaren. Wäre hingegen der Parteiwille zweifelsfrei auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtet gewesen, so stünden für den Fall der Sittenwidrigkeit der Aussetzungsvereinbarung der Arbeitnehmerin zwar die sich daraus allenfalls ergebenden arbeitsrechtlichen Ansprüche zu, sie wäre aber nicht als arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG anzusehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht VertragsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992080047.X00Im RIS seit
18.10.2001