TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/20 92/08/0020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.1992
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 31. März 1989, Zl. IV b/7022/7100 B, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog in der Zeit vom 3. Februar 1987 bis 29. Februar 1988 Notstandshilfe.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste Wien vom 25. April 1988 wurde gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 33 Abs. 2 lit. c und 38 AlVG die Zuerkennung der Notstandshilfe an den Beschwerdeführer rückwirkend ab 27. April 1987 mangels Vorliegens von Notlage widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 AlVG der unberechtigte Bezug an Notstandshilfe für die Zeit vom 27. April 1987 bis 29. Februar 1988 in der Höhe von S 53.766,-- zum Rückersatz vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, es sei im Ermittlungsverfahren festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer (ab 27. April 1987) als Zuhälter der registrierten Prostituierten G aufscheine. Laut polizeilicher Erhebung sei weiters festgestellt worden, daß noch drei weitere Personen für den Beschwerdeführer als Geheimprostituierte arbeiteten. In freier Beweiswürdigung müsse aufgrund der vorgenannten Ermittlungen angenommen werden, daß der Beschwerdeführer über ein Einkommen verfüge, das Notlage ausschließe. Ein Anspruch auf Notstandshilfe sei daher im Zeitraum vom 27. April 1987 bis 29. Februar 1988 nicht gegeben. Da der Beschwerdeführer den Überbezug durch die Nichtmeldung obiger Tatsachen herbeigeführt habe, sei er nach den genannten Bestimmungen zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, daß dem bekämpften Bescheid unrichtige Tatsachenfeststellungen zugrunde lägen; er sei weder Zuhälter der G noch arbeiteten andere Personen für ihn als Geheimprostituierte. Aufgrund dieser unrichtigen Tatsachenfeststellungen sei fälschlicher Weise festgestellt worden, daß er über ein Einkommen verfüge, das Notlage ausschließe. Demgemäß sei davon auszugehen, daß keine Beträge durch den Beschwerdeführer unberechtigter Weise empfangen worden seien, zumal während des maßgeblichen Zeitraumes mangels Einkommens tatsächlich eine Notlage vorgelegen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Anders als die erstinstanzliche Behörde begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer - ungeachtet seiner Registrierung als Zuhälter der G. ab 27. April 1987 - zumindest im Zeitraum vom 27. April 1987 bis 29. Februar 1988 mit G. in deren Wohnung in Lebensgemeinschaft gelebt habe, und daß daher nach den Bestimmungen der §§ 2 und 6 NHV, unter Berücksichtigung eines Nettoeinkommens der G. von S 15.000,-- monatlich, im maßgeblichen Zeitraum keine Notlage des Beschwerdeführers gegeben gewesen sei. Die Zuerkennung der Notstandshilfe für diesen Zeitraum sei daher gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen gewesen. Da der Beschwerdeführer den Bestand der Lebensgemeinschaft der erstinstanzlichen Behörde nicht gemeldet habe, sei die bezogene Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 1 AlVG wegen Verschweigung maßgebender Tatsachen zurückzufordern gewesen. Die entscheidungswesentliche Feststellung über den Bestand einer Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und G. im maßgeblichen Zeitraum stützte die belangte Behörde auf nachstehende Überlegungen: Sowohl der Beschwerdeführer als auch G. hätten sich während des gesamten gegen sie geführten Strafverfahrens u.a. wegen des Verdachtes der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 StGB gegenseitig als "Lebensgefährten" bezeichnet.

So habe der Beschwerdeführer in der mit ihm am 25. März 1988

aufgenommenen Niederschrift erklärt: "(G.) kenne ich seit

einigen Jahren und sind wir seit meiner letzten Haftentlassung,

es war dies am 29.1.1987, eine Lebensgemeinschaft

eingegangen...". Anläßlich der Hauptverhandlung vom

4. Juli 1988 habe er unter anderem bekanntgegeben: "... ich

habe die Mädchen mit dem Auto von meiner Lebensgefährtin

hingebracht...". Auf die Frage, ob ihn G. aus dem Erwerb der

Prostitution unterstützt habe, habe er geantwortet: "... Hin

und wieder, nicht regelmäßig. Nachdem wir vorhatten zu heiraten, war sowieso eine gemeinsame Wirtschaftskasse vorgesehen...". Weiters habe G. bestätigt, daß sie im relevanten Zeitraum mit dem Beschwerdeführer "an und für sich immer zusammengewesen wäre." Am 25. August 1988 habe der Verteidiger des Beschwerdeführers seine Enthaftung und Strafaufschub mit der Begründung beantragt, daß der Beschwerdeführer und G. die Ehe schließen möchten. Diese Angaben habe G. bereits anläßlich ihrer Einvernahme vom 25. März 1988 vor dem Sicherheitsbüro insofern bestätigt, als sie bekannt gegeben habe: "Seit Februar 82 wohne ich in W, S-Gasse. Außer mir wohnt zur Zeit noch meine Tochter... und mein derzeitiger Lebensgefährte (der Beschwerdeführer) bei mir. (Der Beschwerdeführer) sollte sich in den nächsten Tagen bei mir anmelden. (Den Beschwerdeführer) habe ich am 29.1.87 kennengelernt und ist er seit dieser Zeit mein ständiger Freund... Da ich mit (dem Beschwerdeführer) zusammenlebe, wird er von mir auch finanziell unterstützt bzw. kommt das Geld von ihm und mir in einen Topf...". Bei einer im Rahmen des Berufungsverfahrens durchgeführten Erhebung in der Wohnung der G. in der S-Gasse sei auch der Beschwerdeführer selbst angetroffen worden, wobei er zu diesem Zeitpunkt eine jemals vorgelegene Lebensgemeinschaft auf das Heftigste bestritten habe. Per 5. Oktober 1988 habe er eine neue Wohnadresse in W, J-Gasse, gemeldet. Eine ihm zu eigenen Handen zugestellte Einladung zur Vorsprache bei der erstinstanzlichen Behörde sei aber von der Post mit dem Vermerk retourniert worden, daß die Zustellung in der J-Gasse deshalb nicht erfolgen könne, weil ein Nachsendeauftrag in die S-Gasse (an die Adresse der G.) vorliege. Am 16. März 1989 habe er persönlich mit seinem Vertreter bei der belangten Behörde vorgesprochen und dabei wiederholt, daß eine Lebensgemeinschaft zwischen ihm und G. nie vorgelegen sei. Die diesbezüglichen Angaben im Strafverfahren seien nur im Hinblick auf dieses Verfahren getätigt worden. Bezüglich des Nachsendeauftrages habe er die Erklärung abgegeben, er habe nach seiner Enthaftung keine Unterkunftsmöglichkeit gehabt und deshalb die Adresse von G. bekanntgegeben, um postalische Zustellungen empfangen zu können. Aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse sei die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zur Auffassung gelangt, daß zwischen dem Beschwerdeführer und G. zumindest ab 27. April 1987 eine Lebensgemeinschaft gegeben gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nämlich im Laufe des Ermittlungsverfahrens vor dem Strafgericht immer wieder behauptet, mit G. eine Lebensgemeinschaft zu führen. Diese Aussagen seien auch von G. bestätigt worden. Dabei sei vor allem die Übereinstimmung des Zeitpunktes des Beginnes der Lebensgemeinschaft mit 27. Jänner 1987 auffallend. Zum Vorbringen im Berufungsverfahren, diese Behauptungen entbehrten jeglicher Wahrheitsgrundlage und seien nur im Hinblick auf einen günstigen Abschluß des Strafverfahrens abgegeben worden, sei bemerkt, daß nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Beschwerdeführer auch im Berufungsverfahren die Lebensgemeinschaft nur deshalb bestritten habe, um den daraus resultierenden Rechtsfolgen zu entgehen, und daß daher seine Ausführungen im Berufungsverfahren nur als Schutzbehauptungen zu werten seien. Der Entkräftung (der Aussagen im Strafverfahren) sei auch nicht förderlich gewesen, daß der Beschwerdeführer während der Ermittlungen im Berufungsverfahren in der Wohnung von G. anwesend gewesen bzw. ein Nachsendeauftrag an deren Adresse vorgelegen sei, obwohl der Beschwerdeführer beide Sachverhalte "durch Zufälle zu entschuldigen" versuche (gerichtlicher Ladungstermin am 3. November 1988 bzw. mangelnde sonstige Zustellungsmöglichkeit). Besonders der Nachsendeauftrag erscheine der belangten Behörde als unglaubwürdig. Nach den Angaben des Beschwerdeführers habe er seine Wohnung in der E-Gasse verloren und sich nach seiner Enthaftung in der J-Gasse per 5. Oktober 1988 angemeldet. Dennoch habe er die Post ersucht, ihm die Zustellungen an die Adresse von G. nachzusenden. Eine eingehende Überprüfung, wann er bei der Post den Nachsendeauftrag veranlaßt habe, habe nach Auffassung der belangten Behörde entfallen können, weil dieser Sachverhalt nicht entscheidungsrelevant sei, sondern nur die Glaubwürdigkeit seiner Aussage in Zweifel ziehe.

Entscheidungsrelevant seien allein die Aussagen des Beschwerdeführers bzw. der G. vor dem Strafgericht, im spruchrelevanten Zeitraum eine Lebensgemeinschaft geführt zu haben. Ebenfalls entscheidungsrelevant sei die Tatsache gewesen, daß der Beschwerdeführer seit 27. April 1987 als Zuhälter der G. registriert sei. Dieser Sachverhalt habe auch trotz des Freispruches (vom Verdacht des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 StGB) Bestand, weil sich das diesbezügliche Verfahren vor dem Strafgericht nur auf die vermutete Zuhältereigenschaft des Beschwerdeführer in Relation zu drei minderjährigen Mädchen, nicht hingegen gegenüber G. bezogen habe. Obwohl der Beschwerdeführer nach wie vor als Zuhälter registriert sei, sei er jedoch nach Auffassung der belangten Behörde nicht unbedingt als solcher zu werten, da er - wie er sich immer selbst bezeichnet habe - als Lebensgefährte der G. anzusehen sei. Der Bestand einer Lebensgemeinschaft könne auch dann gegeben sein, wenn die Lebensgefährtin nicht an der gleichen Adresse gemeldet sei, der Sachverhalt aber aufgrund anderer Umstände - wie z.B. eigener Behauptungen - für eine solche spreche. Das sei vorliegend der Fall.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 3. Juli 1990, Zl. A 87/90, gemäß Art. 140 Abs. 1 und 4 B-VG sowie Art. 139 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 und 3 B-VG an den Verfassungsgerichtshof die Anträge gestellt, I. festzustellen, daß 1. die ersten beiden Sätze des § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG in der Fassung des Stammgesetzes BGBl. Nr. 609/1977 verfassungswidrig waren, und 2. daß die Abs. 1 und 3 des § 6 NHV in der Stammfassung BGBl. Nr. 352/1973 gesetzwidrig waren, II. Abs. 4 des § 6 NHV in den genannten Fassung als gesetzwidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, G. 179/90 u.a., die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt (unter Bedachtnahme auf die in der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides zitierten Rechtsvorschriften) mit Recht nicht in Abrede, daß der angefochtene Bescheid dann, wenn der Beschwerdeführer zumindest in der Zeit vom 27. April 1987 bis 29. Februar 1988 mit G. in deren Wohnung in Lebensgemeinschaft gelebt haben sollte, nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet wäre. Er wendet sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften lediglich gegen diese entscheidungswesentliche Feststellung mit folgender Begründung: Die belangte Behörde beschränke sich auf die Wiedergabe der vom Beschwerdeführer und G. im obgenannten Strafverfahren getätigten Aussagen, anstatt die notwendigen Erhebungen, die ihre Entscheidung begründen könnnten, selbst durchzuführen. Dabei lasse die belangte Behörde offensichtlich außer acht, daß es sich bei den im Strafverfahren durchgeführten Vernehmungen durchwegs um Beschuldigtenvernehmungen gehandelt habe, bei denen eine Wahrheitspflicht nicht gegeben sei. Es sei das Recht jedes Beschuldigten, sich in der für ihn vermeintlich günstigsten Weise zu verantworten, und es habe damals sowohl im Interesse von G. als auch im Interesse des Beschwerdeführers gelegen, im Hinblick auf die ihnen zu Last gelegten Straftaten eine möglichst enge "Beziehung" zwischen ihnen darzulegen. Damit erkläre sich auch der Begriff "Lebensgefährten", womit jedoch nicht das Vorhandensein einer Lebensgemeinschaft im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen gemeint gewesen sei. Hinzu komme, daß die belangte Behörde der angeblichen Mitteilung des Sicherheitsbüros, wonach G. als Prostituierte und der Beschwerdeführer als ihr Zuhälter registriert seien, offensichtlich Glauben schenke, obwohl der Beschwerdeführer vom Vorwurf der Zuhälterei rechtskräftig freigesprochen bzw. der Ausübung der Zuhälterei gegenüber G. niemals beschuldigt worden sei. Spätestens mit Kenntnis des diesbezüglichen freisprechenden Urteils hätte die belangte Behörde die Mitteilung des Sicherheitsbüros ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Die gegenteilige Vorgangsweise der belangten Behörde zeige, daß ihre Entscheidung ausschließlich jene Ergebnisse des Strafverfahrens zugrunde lege, die in ihrem Sinne lägen. Gerügt werde weiters, daß die belangte Behörde versuche, durch die nur teilweise Zitierung von Aussagen des Beschwerdeführer bzw. der G. eine in ihrem Sinn gelegene Darstellung zu dokumentieren. So hätte die belangte Behörde die mit "Hin und wieder..." eingeleitete Aussage des Beschwerdeführers zusammen mit der ihr folgenden "Es war aber noch nicht so weit, es war ein Beginn da" beurteilen müssen. Dabei wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß es sich bei den diesbezüglichen Aussagen lediglich um Zukunftspläne des Beschwerdeführers gehandelt habe. Das Bemühen des Beschwerdeführers und der G. im Strafverfahren, einen möglichst engen Kontakt zwischen ihnen glaubhaft zu machen, werde auch durch die Aussage der G., daß sie mit dem Beschwerdeführer an und für sich immer zusammengewesen sei, klar dokumentiert. Die Begründung für den Enthaftungsantrag des Beschwerdeführers könne nicht entscheidungsrelevant sei, zumal die bloße Absicht eine Ehe zu schließen keinerlei Auswirkungen auf den Anspruch auf Erhalt von Notstandshilfe habe. Die Angaben der G. vor dem Sicherheitsbüro am 25. März 1988 bestätige hingegen, daß im entscheidungsrelevanten Zeitraum eine Lebensgemeinschaft nicht vorgelegen habe; dies deshalb, weil G. erklärt habe, der Beschwerdeführer solle sich in den nächsten Tagen bei ihr anmelden. Das zeige, daß zuvor eine Lebensgemeinschaft nicht bestanden habe. Soweit sich die belangte Behörde auf eine Erhebung in der Wohnung der G. während des Berufungsverfahrens stütze, werde gerügt, daß eine einzige Erhebung zweifellos nicht geeignet sei, eine vollständige Klärung des Sachverhaltes zu gewährleisten. Es hätten mehrere Besuche in der Wohnung der G. bzw. Befragungen der Nachbarn durchgeführt werden müssen. Unverständlich sei, warum die belangte Behörde nicht geprüft habe, wann der Beschwerdeführer bei der Post den Nachsendeauftrag veranlaßt habe. Dies hätte nämlich ergeben, daß die Erteilung des Auftrages zeitlich mit dem Verlust der Wohnung des Beschwerdeführers zusammengefallen sei. Diesbezüglich liege eine unvollständige Klärung des Sachverhaltes vor.

Diese Einwände sind aus nachstehenden Erwägungen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen:

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Diese Beweiswürdigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. 11.894/A, unter bezug auf das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8.619/A) nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit des Denkvorganges als solchen handelt, das ist vornehmlich die Übereinstimmung mit den Erfahrungen des Lebens und mit den Denkgesetzen, sowie darum, ob das Verfahren, welches die Grundlage für die Schlußfolgerungen der belangten Behörde geliefert hat, in gesetzmäßiger Weise abgewickelt wurde. Ob aber der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinn richtig ist, daß die danach angenommenen Feststellungen den Tatsachen entsprechen, kann der Verwaltungsgerichtshof aufgrund seiner (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. außer den schon genannten Entscheidungen u.a. das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/08/0142).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze kann der belangten Behörde zunächst weder ein Verstoß gegen die Denkgesetze noch eine Nichtbeachtung des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Aussagen des Beschwerdeführers und der G. im Strafverfahren dahin gewürdigt hat, daß sie danach im maßgeblichen Zeitraum in der Wohnung der G. in Lebensgemeinschaft (und zwar durchaus im Sinne des § 2 NHV) gelebt haben; dies auch (und gerade) bei Zugrundelegung ihrer vollständigen Aussagen. Denn der Beschwerdeführer fügte der diesbezüglichen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Aussage vom 25. März 1988 hinzu: "Wir wohnten sodann ab März 1987 vorwiegend in ihrer Wohnung in der S-Gasse" und sprach in dieser Aussage wiederholt von der G. als seiner "Lebensgefährtin". In der Hauptverhandlung vom 4. Juli 1988 widerrief er diese Aussage nicht, sondern bekräftigte sie vielmehr durch die neuerliche wiederholte Behauptung, G. sei seine Lebensgefährtin. Auf die Frage, ob ihn G. aus dem Erwerb der Prostitution unterstützte, gab er zwar die gegenüber der Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides um den in der Beschwerde genannten Satz erweiterte Antwort. Wenn die belangte Behörde aber - unter Bedachtnahme auf die Aussage des Beschwerdeführers vom 25. März 1988 und der (ebenfalls in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen) Aussage der G. vom selben Tag - darin keinen Widerspruch bzw. keine Abschwächung dieser Aussage erblickte, so ist dies nicht unschlüssig, weil sich der vom Beschwerdeführer angesprochene "Beginn" nach dem Kontext dieses Aussageteiles nicht auf die bestehende Lebensgemeinschaft, sondern die beabsichtigte Eheschließung bezog. Diese ist aber, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde im Zusammenhang mit der Begründung des Enthaftungsantrages selbst zugesteht, für den allein relevanten Bestand einer Lebensgemeinschaft im maßgeblichen Zeitraum ohne Bedeutung. Unbegründet ist aber auch der Vorwurf einer unschlüssigen Deutung der Aussage der G. vom 25. März 1988. Denn wenn die belangte Behörde die Teile dieser Aussage, der Beschwerdeführer sei "derzeitiger Lebensgefährte" der G., sie habe ihn "am 29.1.87 kennengelernt" und er sei "seit dieser Zeit" ihr "ständiger Freund", mit dem sie "zusammenlebe" und der von ihr "auch finanziell unterstützt" werde, ungeachtet des Umstandes, daß der Beschwerdeführer am 25. März 1988 noch nicht an der Andresse der G. polizeilich gemeldet war, im Sinne der Aussage des Beschwerdeführers vom selben Tag interpretierte, vermag der Gerichtshof darin keinen Verstoß gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze zu erblicken; ebensowenig in der Deutung der in den genannten Aussagen geschilderten Beziehung des Beschwerdeführer und der G. zueinander als Lebensgemeinschaft im Sinne der obgenannten Bestimmungen der NHV.

Selbstverständlich steht es einer Partei frei, ihre Angaben zu widerrufen. Dieser Widerruf unterliegt aber ebenso wie die ursprünglich gemachte Angabe der freien Beweiswürdigung durch die Behörde (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 16. Februar 1978, Zl. 2002/77, mit weiteren Judikaturhinweisen) und diese wiederum der obgenannten eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes ist es nicht rechtswidrig, wenn sich die belangte Behörde durch den vom Beschwerdeführer und G. im Berufungsverfahren vorgenommenen Widerruf ihrer entscheidungswesentlichen Aussagen im Strafverfahren und die Erklärung für letzteren (mit ihrer Beschuldigtenstellung im Strafverfahren), einerseits angesichts des Fehlens anderer gegen den Bestand einer Lebensgemeinschaft sprechender Umstände und andererseits aus der Überlegung heraus, daß zumindest der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren ein gegenüber dem Strafverfahren entgegengesetztes Interesse am Nichtbestand einer Lebensgemeinschaft mit G. hat, nicht zu einer anderen Würdigung ihrer Aussagen im Strafverfahren bestimmt gesehen hat. Daß die belangte Behörde einen solchen gegen den Bestand einer Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und G. im maßgeblichen Zeitraum sprechenden Umstand insbesondere nicht im Freispruch des Beschwerdeführers und der G. vom Vorwurf der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 StGB erblickt hat, kann schon deshalb nicht als unschlüssig erachtet werden, weil sich der zugrundeliegende Vorwurf ausschließlich auf den Verdacht der Zuhälterei gegenüber drei minderjährigen Mädchen und nicht gegenüber G. bezog. Zuhälterei gegenüber der G. wurde ihm im gerichtlichen Strafverfahren gar nicht vorgeworfen. Schon deshalb ist die Rüge einer parteiischen Auswahl von Ergebnissen des Strafverfahrens verfehlt. Der "Registrierung" des Beschwerdeführers als Zuhälter der G. hat die belangte Behörde aber für die allein entscheidungswesentliche Frage des Bestandes einer Lebensgemeinschaft keine Bedeutung beigemessen, weshalb die diesbezüglichen Beschwerdeeinwände schon aus diesem Grund keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen vermögen.

Zu den von der belangten Behörde nur als Bekräftigung ihrer diesbezüglichen Überlegungen angesehenen, lange Zeit nach Ablauf des maßgeblichen Zeitraumes gelegenen Geschehensabläufe (Antreffen des Beschwerdeführers in der Wohnung der G. am 3. November 1988 und Nachsendeauftrag) ist schließlich zu bemerken: Selbst wenn der Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Wohnung der G. am 3. November 1988 nur ein im Zeitraum nach seiner Enthaftung einmaliges Ereignis gewesen sein und der Nachsendeauftrag den vom Beschwerdeführer genannten Grund gehabt haben sollte, nähme dies den Erwägungen der belangten Behörde zum Bestand einer Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und der G. in dem diesen Ereignissen lange vorangegangenen Zeitraum vom 27. April 1987 bis 29. Februar 1988 nicht die Schlüssigkeit.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1

VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080020.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten