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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1973 §359 idF 1988/399;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. April 1991, Zl. MA 63-R 32/90/Str, betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner in Beschwerde gezogenen Absprüche betreffend die Nichteinhaltung der Auflage Punkt 63 am 24. August 1989 und betreffend die Nichteinhaltung der Auflage Punkt 91, betreffend die Strafbemessung und betreffend die Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 28. Februar 1990 enthält im Spruchteil nach § 44a Z. 1 VStG folgenden Abspruch:
"Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der X-Gesellschaft m.b.H. & Co. KG zu verantworten, daß in der Betriebsanlage in W, G-Gasse 51, wie anläßlich von Erhebungen durch die MA 36-A am 24.8., 25.8. und 1.9.1989 festgestellt wurde, nachstehende Auflagen der rechtskräftigen Bescheide nicht eingehalten waren, und zwar
A. Bescheid vom 15. Jänner 1988, Zl. MBA 11-Ba 10934/3/87:
Punkt 63) insoferne nicht eingehalten, da in Mulden auf der
Übernahmewanne Sonderabfall der
Schlüsselnummer 31423 gemäß ÖNORM S 2101 gelagert
wurde. Bewilligt ist aber nur eine Mulde mit
12 m3 Inhalt zur Lagerung von Bleicherde der
Schlüsselnummer 12901,
Punkt 91) insoferne nicht eingehalten war, als in den
Türöffnungen des Containers (auf der Seite, wo
die vollen Fässer eingebracht werden) keine
Vorhänge angebracht waren und dadurch
lösemittelhaltige Abluft ins Freie gelangte.
Dadurch, daß alle Türen des Containers geöffnet
waren und bei der Faßaufgabe die
Kunststoffvorhänge fehlen, wodurch die
mechanische Absaugung unwirksam wird, werden bei
Winden durch die Luftströmung Lösemitteldämpfe
mitgerissen,
B. Bescheid vom 17. Mai 1988, Zl. MBA 11-Ba 10934/3/88:
Punkt 6) insoferne nicht eingehalten, da Abfallstoffe, die
zu einer Geruchsbelästigung geführt haben, nicht in dicht verschlossenen Behältern gelagert wurden bzw. eine Manipulation (Umladen von Fässern in den Container) im Betriebshof durchgeführt wurde, wo keine Absaugvorrichtung vorhanden ist und auch keine Filterung möglich war."
Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschrift des "§ 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit den obzitierten Bescheiden" verletzt. Für diese Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1973 Geldstrafen in der Höhe von je S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage; insgesamt also S 9.000,-- bzw. 9 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. April 1991 wurde das erstbehördliche Straferkenntnis im Punkt A hinsichtlich der Nichteinhaltung der Auflage Punkt 63 des Bescheides vom 15. Jänner 1988, am 25. August 1989 und am 1. September 1989 sowie im Punkt B zur Gänze behoben. Das Verfahren wurde insoweit gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt. Weiters wurde das erstbehördliche Straferkenntnis im Punkt A hinsichtlich der Nichteinhaltung der Auflage Punkt 63 des Bescheides vom 15. Jänner 1988 am 24. August 1989 in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges bestätigt. Die Strafe wurde mit S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) neu bemessen. Ferner wurde das erstbehördliche Straferkenntnis im Punkt A hinsichtlich der Nichteinhaltung der Auflage Punkt 91 des Bescheides vom 15. Jänner 1988 uneingeschränkt bestätigt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden. Der Beschwerde ist in Ansehung dieses Beschwerdepunktes Erfolg beschieden.
Gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973 begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung, wer die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.
Dadurch, daß § 367 Z. 26 GewO 1973 auf die in den Bescheiden nach den §§ 74 bis 83 und 359b vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, wird das jeweilige in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, daß derartige Auflagen so klar gefaßt sein müssen, daß sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (siehe u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0053).
§ 44a Z. 1 VStG normiert das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat. Nach § 44a Z. 1 VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2. die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, d.h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Ausführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- und Verbotsnormen ersetzt werden können. Eine Umschreibung des Tatbildes in der Begründung allein widerspricht den Bestimmungen des § 44a Z. 1 VStG (vgl. hiezu u. a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11.466/A).
Entsprechend der Bestimmung des § 44a Z. 1 VStG muß sich die Zuordnung der Tat in Ansehung der in Betracht kommenden Tatbestandsmerkmale - unabhängig von in diesem Zusammenhang erforderlichen Begründungsdarlegungen - aus dem Spruch selbst ergeben. Im Hinblick auf die durch § 367 Z. 26 GewO 1973 gegebene Verzahnung zwischen dieser Bestimmung und den in Bescheiden enthaltenen Geboten und Verboten bedarf es im Spruch eines auf diese Strafnormen gestützten Straferkenntnisses einer wörtlichen Anführung der einen Teil des Straftatbestandes bildenden Auflagen, um die Zuordnung des Tatverhaltens zu der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale zu ermöglichen; der bloße Hinweis auf ziffernmäßig bezeichnete Auflagen reicht nicht aus (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1990, Zl. 89/04/0249, und vom 25. Februar 1992, Zl. 91/04/0268).
Die im vorliegenden Fall im erstbehördlichen Straferkenntnis und im angefochtenen Bescheid lediglich ziffernmäßig zitierte Auflage 63 lautet wie folgt:
"63) Im Hof der Betriebsanlage darf eine vollständig geschlossene Mulde mit 12 m3 Inhalt zur Lagerung von Bleicherde, ÖNORM-Schlüsselnr. 12901, aufgestellt werden. Die Deckel der Mulde dürfen nur bei Ein- und Auslagerungsarbeiten geöffnet werden."
Der erste Satz dieser Auflage enthält eine Erlaubnisnorm ("darf"), ohne daß als Anknüpfungspunkt für diese Erlaubnisnorm eine Verbotsnorm zum Ausdruck gebracht worden wäre.
Der im Verwaltungsrechtszug hinsichtlich des 24. August 1989 bestätigte Schuldspruch lautet:
"Sie haben ... zu verantworten, daß ... nicht eingehalten
waren, und zwar ...
Punkt 63) insofern nicht eingehalten, da in Mulden auf der Übernahmewanne Sonderabfall der Schlüsselnummer 31423 gemäß ÖNORM S 2101 gelagert wurde. Bewilligt ist aber nur eine Mulde mit 12 m3 Inhalt zur Lagerung von Bleicherde der Schlüsselnummer 12901".
Der zweite Satz dieses Schuldspruches entspricht in seiner Formulierung nicht der Auflage 63, in deren erstem Satz das Wort "nur" nicht und in deren zweitem Satz das Wort "nur" lediglich in einem anderen Zusammenhang als jenem, auf den der Schuldspruch abgestellt ist, vorkommt. Ferner läßt sich der im ersten Satz der Auflage 63 enthaltenen Erlaubnis zum "Aufstellen" die im ersten Satz des Schuldspruches festgestellte Tatsache der näher bezeichneten Lagerung nicht zuordnen. Die Fassung des Schuldspruches läßt somit die Erfüllung eines sich aus der Verknüpfung des § 367 Z. 26 GewO 1973 mit der zitierten Auflage 63 ergebenden Straftatbestandes nicht erkennen.
Die im erstbehördlichen Straferkenntnis und im angefochtenen Bescheid lediglich ziffernmäßig zitierte Auflage 91 lautet wie folgt:
"91) Werden die Türen des Stahlcontainers für die Faßbehandlung während des Konditionierens von Fässern offengehalten, so müssen in den Türöffnungen Vorhänge, die mindestens der Brennbarkeitsklasse B 1 gemäß ÖNORM B 3800 entsprechen, so angebracht werden, daß die mechanische Lüftungsanlage nicht unwirksam wird und lösemittelhältige Abluft nicht ins Freie gelangt."
Diese Auflage ist auf den Zeitraum des Konditionierens von Fässern und auf die hinsichtlich ihrer Auswirkungen definierte Art der Anbringung bestimmter Vorhänge abgestellt.
Der im Verwaltungsrechtszug hinsichtlich der Auflage Punkt 91 bestätigte Schuldspruch lautet:
"Sie haben ... zu verantworten, daß ... nicht eingehalten waren, und zwar
Punkt 91) insofern nicht eingehalten war, als in den Türöffnungen des Containers (auf der Seite, wo die vollen Fässer eingebracht werden) keine Vorhänge angebracht waren und dadurch lösemittelhaltige Abluft ins Freie gelangte. Dadurch, daß alle Türen des Containers geöffnet waren und bei der Faßaufgabe die Kunststoffvorhänge fehlen, wodurch die mechanische Absaugung unwirksam wird, werden bei Winden durch die Luftströmung Lösemitteldämpfe mitgerissen".
Der Schuldspruch findet hinsichtlich dieser Auflage 91 insofern im Bescheid vom 15. Jänner 1988 keine Deckung, als dort die Vorhänge nur für den Fall des "Konditionierens von Fässern" bei geöffneten Türen vorgeschrieben sind. Daß ein solcher Fall zur Tatzeit gegeben gewesen wäre, ist dem Schuldspruch nicht zu entnehmen.
Schließlich verdient festgehalten zu werden, daß der Schuldspruch auf den "Bescheid vom 15. Jänner 1988, Zl. MBA 11-Ba 10934/3/87" abgestellt ist. Der Verwaltungsgerichtshof vermag weder aus dieser Formulierung noch aus der in den Akten des Verwaltungsstrafverfahrens enthaltenen, sich auf die Seiten 15 und 18 dieses Bescheides beschränkenden Ablichtung zu erkennen, inwiefern es sich um "gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b ... vorgeschriebene Auflagen" im Sinne des § 367 Z. 26 GewO 1973 handelt.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992040171.X00Im RIS seit
11.07.2001