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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz StGG Art5 G LGBl 1988/43, mit dem das GetränkesteuerG für Wien 1971 authentisch interpretiert wirdLeitsatz
Aufhebung von Bescheiden, mit denen Getränke- bzw. Gefrorenessteuer vorgeschrieben wird, wegen Anwendung einer vom VfGH aufgehobenen Vorschrift; Verletzung des EigentumsrechtesSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Das Land Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit S 15.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der Abgabenberufungskommission vom 29. Juni 1989, Zlen. MDR - P 10 bis P 15/89, wurde (mehreren) Berufungen der P & Q Handelsgesellschaft m.b.H. gegen Bescheide des Magistrates der Stadt Wien, Abteilung 4, Referat 7, vom 2. Februar 1988, vom 3. Februar 1988 und vom 29. Dezember 1988 keine Folge gegeben, die entweder die Abweisung von Anträgen auf Rückerstattung zuviel entrichteter Getränke- bzw. Gefrorenessteuer oder die Vorschreibung von Getränke- und Gefrorenessteuer für den Zeitraum von 1984 bis 1986 bzw. 1987 zum Gegenstand hatten. Grundlagen der Abgabenfestsetzung bzw. der Abweisung der Rückerstattungsbegehren sind insbesondere die §§1 und 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, idF des Gesetzes vom 30. September 1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, und die ArtI und II Abs1 des Gesetzes vom 27. Februar 1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird, LGBl. für Wien Nr. 19/1989.
1.2. Der Bescheid der Abgabenberufungskommission vom 29. Juni 1989 ist im wesentlichen damit begründet, daß aufgrund des Gesetzes vom 30. September 1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, §3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 so auszulegen sei, daß zum Entgelt mit Ausnahme der im Gesetz genannten Faktoren alles gehöre, was aufgewendet werden müßte, damit der Verbraucher das Getränk erhalte. Es sei daher auch der Wert der mitverkauften Gefäße und Trinkhalme erfaßt. Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1988, G121/88, das Gesetz vom 30. September 1983 als verfassungswidrig aufgehoben, dieses sei jedoch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände (mit Ausnahme des Anlaßfalles) weiterhin anzuwenden. Die neue Rechtslage, die durch das Gesetz vom 24. Februar 1989, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert wird, LGBl. Nr. 20/1989, geschaffen wurde, sei für den Bemessungszeitraum nicht anwendbar. Demgegenüber sei das Gesetz vom 24. Februar 1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird, LGBl. für Wien Nr. 19/1989, anwendbar, da es rückwirkend am 29. Dezember 1968 in Kraft trat.
2.1. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzen, nämlich des Gesetzes vom 24. Februar 1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird, und des §3 Abs1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, idF des LGBl. für Wien Nr. 12/1973, behauptet und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde ist - wenngleich auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen - im Recht.
Der angefochtene Bescheid stützt sich, soweit Getränkesteuer vorgeschrieben bzw. deren Rückzahlung verweigert wird, auf das Gesetz vom 30. September 1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, LGBl. für Wien Nr. 43/1983.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 4. Dezember 1989, B852/89, dargelegt hat, ergibt sich aus seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1988, G121/88 (Aufhebung des eben zitierten Gesetzes), daß die aufgehobene Regelung weder auf neu eintretende noch auf in der Vergangenheit verwirklichte Sachverhalte weiter anzuwenden ist.
Da sich der angefochtene Bescheid bei der Getränkesteuervorschreibung somit auf eine Bestimmung stützt, die infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1988, G121/88, dem Rechtsbestand nicht mehr angehörte, ist die Behörde insoweit gesetzlos vorgegangen. Ein solcher in das Eigentum eingreifender Bescheid verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 10356/1983, 10482/1985) gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
4. Da zufolge der sprachlichen Fassung des Bescheides (einheitliche Festsetzung der Getränke- und Gefrorenessteuer) ein teilbarer Bescheid nicht vorliegt, war er insgesamt aufzuheben, ohne daß auf weitere Beschwerdebehauptungen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; in den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in Betrage von S 2.500,-- enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Aufhebung Wirkung, Bescheid Trennbarkeit Getränkesteuer WienEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B954.1989Dokumentnummer
JFT_10099389_89B00954_00