TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/20 92/11/0108

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Veröffentlicht am 20.10.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §38;
AVG §69 Abs1 litc;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/11/0109

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, 1. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Februar 1992, Zl. MA 64-8/40/92, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, 2. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Februar 1992, Zl. MA 64-8/54/92, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Februar 1992 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Mai 1990 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Juni 1989 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend Entziehung seiner Lenkerberechtigung gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 92/11/0108 protokollierte Beschwerde.

Mit weiterem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Februar 1992 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von 36 Monaten ab Abnahme des Führerscheines keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Dagegen richtet sich die zu Zl. 92/11/0109 protokollierte Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbunden und über sie erwogen:

1. Zur Abweisung des Wiederaufnahmeantrages:

Begründet wurde diese Entscheidung zum einen mit dem Hinweis auf die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers mit Straferkenntnis des Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Liesing, vom 15. Juli 1991 wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960. Damit stehe für die Behörde "im gegenständlichen Führerscheinentziehungsverfahren" bindend fest, daß der Beschwerdeführer die dieser Bestrafung zugrundeliegende Tat, die eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 darstelle, begangen habe. Zum anderen bilde das (aus Anlaß des Verkehrsunfalles vom 5. Mai 1989 ergangene) Urteil des Bezirksgerichts Hainburg an der Donau vom 8. Mai 1990, mit dem der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag begründet und das ihn vom Vorwurf der Alkoholisierung freigesprochen habe, keinen Wiederaufnahmsgrund nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG. Auch sei der Beschwerdeführer lediglich "im Zweifel" freigesprochen worden.

Verfehlt ist im gegebenen Zusammenhang der Hinweis der belangten Behörde auf die Bindung an das rechtskräftige Straferkenntnis vom 15. Juli 1991. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt und von der belangten Behörde in der Gegenschrift zugestanden wird, hat dieses Straferkenntnis nicht den Vorfall vom 5. Mai 1989 zum Gegenstand, der dem mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Juni 1989 rechtskräftig abgeschlossenen Entziehungsverfahren, um dessen Wiederaufnahme es im vorliegenden Fall geht, zugrundelag. Aus Anlaß des Vorfalles vom 5. Mai 1989 wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 6. November 1989 wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung wurde das Strafverfahren von der NÖ Landesregierung gemäß § 51 Abs. 5 VStG 1950 eingestellt. Die geschilderte verfehlte Begründung ist allerdings im Ergebnis deshalb ohne Belang, weil, wie noch auszuführen sein wird, die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides die getroffene Entscheidung zu tragen vermag.

Mangels einer sie bindenden rechtskräftigen Entscheidung der Strafbehörde gelangte die Erstbehörde bei Erlassung des Entziehungsbescheides vom 16. Juni 1989 auf Grund selbständiger Vorfragenbeurteilung im Sinne des § 38 AVG zu der Annahme, der Beschwerdeführer habe am 5. Mai 1989 durch Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 (in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a) StVO 1960 begangen und damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 verwirklicht. Die Begründung der belangten Behörde, das Urteil des Bezirksgerichts Hainburg an der Donau vom 8. Mai 1990 bilde keinen Wiederaufnahmsgrund gemäß § 69 Abs. 1 lit. c (nunmehr: Z. 3) AVG, entspricht der Rechtslage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 1991, Zl. 90/02/0169, mit weiteren Judikaturhinweisen) sind die Verwaltungsbehörden in der Frage der Alkoholbeeinträchtigung einer Person nicht an die Feststellungen der Strafgerichte gebunden; vielmehr haben sie frei und unabhängig von den Gerichten zu beurteilen, ob eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 vorlag. Ist demnach diese Frage von den Verwaltungsbehörden als Hauptfrage zu entscheiden, so stellt das Urteil des Bezirksgerichts Hainburg an der Donau keine anderslautende Entscheidung der in Rede stehenden Vorfrage durch die hiefür zuständige Behörde im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG und damit keinen Wiederaufnahmsgrund nach dieser Gesetzesstelle dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1991, Zl. 90/03/0213). Damit sind auch die Beschwerdeausführungen über die Gründe, die das Strafgericht dazu veranlaßt haben, hinsichtlich des Vorfalles vom 5. Mai 1989 im Zweifel eine Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers nicht anzunehmen, ohne Belang, weshalb sich eine Auseinandersetzung damit erübrigt.

Ob in dem in der Hauptverhandlung vom 4. April 1990 vom Gerichtssachverständigen erstatteten, dem Urteil vom 8. Mai 1990 zugrunde gelegten Gutachten ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gelegen sein könnte, braucht schon deshalb nicht geprüft zu werden, weil in Ansehung dieses Umstandes die zweiwöchige Antragsfrist (§ 69 Abs. 2 leg. cit.) jedenfalls versäumt war, da der Wiederaufnahmeantrag erst am 9. Mai 1990 zur Post gegeben wurde. Ein darauf gestützter Wiederaufnahmeantrag wäre wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen.

2. ZUr Entziehung der Lenkerberechtigung:

Nach der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides liegt der Entziehungsmaßnahme zugrunde, daß der Beschwerdeführer laut rechtskräftigem Straferkenntnis vom 15. Juli 1991 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Liesing, am 27. März 1991 (um ca. 23.45 Uhr) eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, indem er ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt 1,19 mg/l) gelenkt habe. Weiters sei er am 28. März 1991 um 1.00 Uhr neuerlich beim Lenken eines Kraftfahrzeuges betreten worden, wobei er die "Vorführung zur Atemluftalkoholmessung" verweigert habe. Da seit der letzten Messung lediglich rund 75 Minuten verstrichen seien, habe davon ausgegangen werden können, daß der Beschwerdeführer nach wie vor einen "weit überhöhten Alkoholisierungsgrad" aufgewiesen habe. Damit lägen zwei bestimmte Tatsachen gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor. Als erschwerend wertete die belangte Behörde hiebei, daß der Beschwerdeführer trotz der vorangegangenen Untersagung des Lenkens seines Kraftfahrzeuges und der Abnahme seines Führerscheines neuerlich ein Kraftfahrzeug gelenkt habe. Bei der Bemessung der Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 berücksichtigte die belangte Behörde ferner, daß wiederholte vorangegangene Entziehungen der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers wegen Alkoholdelikten nicht geeignet gewesen seien, ihn zu einem verkehrsangepaßten Verhalten zu bewegen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei nur wegen der Tat vom 27. März 1991 bestraft worden, weshalb auch nur EINE bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliege. Ginge man von der Verwirklichung einer zweiten bestimmten Tatsache in der Nacht vom 27. zum 28. März 1991 aus, würde dies bedeuten, daß die Strafbehörde diesbezüglich insoweit Vorschub geleistet habe, als ihm absichtlich, trotz seiner erkennbaren Alkoholisierung die Fahrzeugschlüssel wieder ausgehändigt worden seien, um sofort wieder eine (aus den Verhältnissen zu erwartende) Anhaltung vornehmen zu können. Ein solches Verhalten könne der Behörde nicht unterstellt werden; daher sei die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer in den Morgenstunden des 28. März 1991 nicht als "zweite Tatsache" einzustufen. In Ansehung des Vorfalles aus dem Jahre 1989 stehe nach wie vor eine endgültige Beurteilung aus, ob damals eine bestimmte Tatsache im Sinne des Gesetzes vorgelegen sei oder nicht. Somit wäre im vorliegenden Fall eine wesentlich kürzere Entziehungsdauer auszusprechen gewesen, wobei nach Meinung des Beschwerdeführers nur eine solche von nicht mehr als 18 Monaten gerechtfertigt erscheine.

Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Daß der Beschwerdeführer nicht auch wegen des Vorfalles vom 28. März 1991 bestraft wurde, schließt das Vorliegen einer weiteren bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 nicht aus, weil diese Gesetzesstelle nicht auf die Bestrafung wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 abstellt, sondern auf das Begehen eines derartigen Deliktes. Desgleichen ist es ohne Belang, daß (laut Anzeige - Blatt 91 verso des Verwaltungsaktes) nach der ersten Anhaltung des Beschwerdeführers nur sein Führerschein abgenommen wurde, nicht jedoch die Kraftfahrzeugschlüssel, vermag dies doch die neuerliche Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer trotz Kenntnis seiner erheblichen Alkoholbeeiträchtigung keineswegs zu rechtfertigen. Die belangte Behörde konnte daher unbedenklich davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1991 zweimal eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 verwirklicht hat.

Nicht geteilt werden kann auch die Meinung des Beschwerdeführers, die Behörde hätte eine wesentlich kürzere Zeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 festsetzen müssen. Die belangte Behörde hat bei der hiefür vorzunehmenden Prognose, wann voraussichtlich mit der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers gerechnet werden kann, zutreffend auf die Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 leg. cit. Bedacht genommen und hiebei mit Recht die besondere Verwerflichkeit des zugrundeliegenden Verhaltens des Beschwerdeführers betont. Diese ergibt sich nicht nur aus der zweimaligen Begehung eines Alkoholdeliktes in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1991 und der Tatsache, daß der Beschwerdeführer vorher bereits wiederholt derartige Delikte begangen hat, sondern auch daraus, daß die vorangegangenen behördlichen Maßnahmen keine Änderung seiner Sinnesart bewirkt haben. Dem Beschwerdeführer wurde (nach der mit der Aktenlage übereinstimmenden Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) wegen Begehung von Alkoholdelikten die Lenkerberechtigung 1982 für die Dauer von 12 Monaten, 1985 für die Dauer von 18 Monaten und 1989 wiederum für die Dauer von 18 Monaten, jeweils vorübergehend, entzogen. Nur rund viereinhalb Monate nach dem Ende der letzten Entziehungsmaßnahme hat der Beschwerdeführer neuerlich gegen das Verbot des Lenkens von Kraftfahrzeugen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verstoßen. Angesichts der offenkundigen Erfolglosigkeit der bisherigen behördlichen Maßnahmen kann keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer durch die Bemessung der "Zeit" mit 36 Monaten in seinen Rechten verletzt worden wäre.

3. Da sich aus den dargelegten Erwägungen beide Beschwerden als nicht begründet erwiesen haben, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde Verfahrensrecht Gericht Verwaltungsbehörde Verhältnis zu anderen Normen und Materien KFG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110108.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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