TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/20 92/04/0167

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Veröffentlicht am 20.10.1992
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §68 Abs1;
GewO 1973 §15 Z1 idF 1988/399;
GewO 1973 §345 Abs9;
GewO 1973 §46 Abs3;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
ROG Tir 1984 §16b;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Juni 1992, Zl. IIa-50.010/3-92, betreffend Nichtzurkenntnisnahme einer weiteren Betriebsstätte und Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Juni 1992 wurde die Anzeige des Beschwerdeführers betreffend die Ausübung des Gewerbes "Einzelhandel mit Eskimoeis, Süßwaren und vorverpacktem Eduschokaffee, Mehl, Milch, Milchprodukten, Brot, Back- und Konditoreiwaren" in einer weiteren Betriebsstätte mit dem Standort X, gemäß § 345 Abs. 9 GewO 1973 nicht zur Kenntnis genommen und die weitere Gewerbeausübung in diesem Standort untersagt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann im wesentlichen aus, die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Sektion Handel, habe in ihrer Stellungnahme zur erstatteten Gewerbeanmeldung des Beschwerdeführers im wesentlichen ausgeführt, die Filialanzeige könne nicht zur Kenntnis genommen werden, weil ein gesetzliches Antrittshindernis vorliege. Nach den erläuternden Bestimmungen des § 15 GewO 1973 dürfe eine Tätigkeit nämlich nicht ausgeübt werden, wenn landesrechtliche Bestimmungen (Gesetze oder Verordnungen) ein Hindernis gegen den Standort begründeten. Als derartige Normen kämen u.a. auch Raumordnungsgesetze und baurechtliche Bestimmungen in Betracht. Der in Aussicht genommene Betriebsstandort falle unter die Verbotsregelung des § 16b Tiroler Raumordnungsgesetz, wonach die Führung eines Lebensmittelsortiments ausschließlich aufgrund einer Sonderflächenwidmung für Einkaufszentren zulässig sei und die Baubewilligung einschließlich der Benützungsbewilligung dies ausdrücklich vorsehe. Dem "Fachmarktzentrum Y" mangle es sowohl an der notwendigen Widmung als "Einkaufszentrum" als auch an der dementsprechenden Benützungsbewilligung. Die zu Baubeginn klar formulierte Verwendungsbestimmung als "Fachmarktzentrum" lasse die Nutzung als Einkaufszentrum im Sinne der damaligen Begriffsbestimmung des § 16b Tiroler Raumordnungsgesetz ausgeschlossen erscheinen. Daran habe sich auch durch die mittlerweile erfolgte Neuregelung des Tiroler Raumordnungsgesetzes nichts geändert. Auch die Abteilung Ve1 des Amtes der Tiroler Landesregierung habe sich in einer Stellungnahme gegen die Zulässigkeit der in Rede stehenden Gewerbeausübung ausgesprochen. Gemäß § 46 Abs. 2 GewO 1973 dürfe ein Gewerbe in einer weiteren Betriebsstätte innerhalb wie außerhalb der Gemeinde des Standortes ausgeübt werden, wenn die Ausübung im Standort der weiteren Betriebsstätte zulässig (§ 15) sei. Gemäß § 15 Z. 1 GewO 1973 dürfe eine gewerbliche Tätigkeit in einem Standort nicht ausgeübt werden, in dem die Ausübung dieser Tätigkeit im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung oder der Entscheidung über das Konzessionsansuchen durch Rechtsvorschriften verboten sei. Rechtsvorschriften, die die Ausübung von gewerblichen Tätigkeiten in einem bestimmten Standort verbieten, seien u.a. landesrechtliche Bestimmungen, wie beispielsweise das Tiroler Raumordnungsgesetz oder die Tiroler Bauordnung. Die für die Vollziehung des Tiroler Raumordnungsgesetzes zuständige Rechtsabteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung habe im gegenständlichen Verfahren in zwei Stellungnahmen unmißverständlich und klar zum Ausdruck gebracht, daß der Betrieb eines Lebensmittelhandels im Fachmarktzentrum Y gegen die Bestimmungen des § 16b Tiroler Raumordnungsgesetz verstoße. Die Gewerbebehörde habe im vorliegenden Fall lediglich zu prüfen, ob ein Hindernis im Sinne des § 15 GewO 1973 vorliege, sie habe jedoch nicht eine Auslegung des § 16b Tiroler Raumordnungsgesetz vorzunehmen. Daran vermöge das gegenteilige Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem gemäß § 46 Abs. 2 GewO 1973 gewährleisteten Recht zur Ausübung des in Rede stehenden Anmeldungsgewerbes beschwert. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer zusammengefaßt vor, die belangte Behörde hätte die Vorfrage prüfen müssen, ob die Bestimmung des § 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes ein Verbot im Sinne des § 15 Z. 1 GewO 1973 normiere. Entgegen der Vorschrift des § 38 AVG habe sie aber über die maßgebenden Verhältnisse keine eigene Anschauung gewonnen und ihrem Bescheid keine eigene Beurteilung zugrundegelegt, sondern sich auf die Erklärung der Raumordnungsbehörde beschränkt und diese ohne nennenswerte Prüfung ihres Inhaltes übernommen. Bei richtiger Beurteilung des § 16b Tiroler Raumordnungsgesetz hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, daß kein Verbot im Sinne des § 15 Z. 1 GewO 1973 vorliege. Die Baubewilligung zum betreffenden Fachmarktzentrum sei am 19. Dezember 1988, die Benützungsbewilligung am 12. März 1990 erteilt worden. Die Benützungsbewilligung sei unter der Bedingung erteilt worden, daß die Verwendung des Gebäudes als Einkaufszentrum im Sinne des § 16b Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 ausgeschlossen sei und im Gebäude daher keine Lebensmittel angeboten werden dürften. Dieses Verbot sei nach der damals geltenden Rechtslage zu Recht ausgesprochen worden. Die Rechtsgrundlage für dieses Verbot sei jedoch durch die sechste Raumordnungsgesetznovelle, LGBl. Nr. 76/1990, welche eine Änderung des § 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes gebracht habe, weggefallen. Die Neufassung dieser gesetzlichen Bestimmungen führe dazu, daß nunmehr Kraft gesetzlicher Anordnung Betriebe, wie das gegenständliche Fachmarktzentrum, denen bislang mangels Angebot von Waren des täglichen Bedarfs die Eigenschaft als Einkaufszentrum nicht zugekommen sei, zu Einkaufszentren werden und unter die Bestimmung des § 16b fielen, sofern Waren oder Waren und Dienstleistungen angeboten würden und die Kundenfläche das festgelegte Ausmaß übersteige. Richtig sei, daß gemäß § 16b neue Fassung die Baubewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums, die Verwendung eines bisher anderweitig verwendeten Gebäudes als Einkaufszentrum sowie die Vergrößerung der Kundenflächen oder der Gesamtnutzfläche nur erteilt werden dürfe, wenn das Einkaufszentrum auf einer Grundfläche stehe, die als Sonderfläche für Einkaufszentren gewidmet sei; wie bisher dürfe eine solche Sonderfläche nur im Bauland und nur insoweit gewidmet werden, als es in einem Entwicklungsprogramm vorgesehen sei. In Art. II Abs. 1 der sechsten Raumordnungsgesetznovelle LGBl. Nr. 76/1990 werde jedoch festgelegt, daß die Bestimmungen des § 16b neue Fassung auf den Zu- oder Umbau oder die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, denen bisher die Eigenschaft als Einkaufszentrum nicht zugekommen sei, nicht anzuwenden sei, wenn durch ein solches Bauvorhaben das Ausmaß der Kundenfläche um höchstens 10 % der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgrund einer rechtskräftigen Baubewilligung zulässigen Kundenfläche, jedenfalls nicht um mehr als 500 m2 erhöht werde. Es sei daher die Frage zu lösen, ob auch die Umwandlung eines bestehenden "Nichtlebensmittelmarktes" oder eines Teiles hievon in einen Lebensmittelmarkt von der Ausnahmebestimmung des Art. II Abs. 1 der sechsten Raumordnungsgesetznovelle erfaßt sei. Diese Frage müsse (aus in der Beschwerde näher dargelegten Gründen) bejaht werden. Es unterläge daher das gegenständliche "Fachmarktzentrum" bzw. der gegenständliche Sachverhalt nicht den Anforderungen des § 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 76/1990 (Baubewilligung, Sonderflächenwidmung, Entwicklungsprogramm), sodaß das Verbot des Angebots von Lebensmitteln laut Benützungsbewilligungsbescheid durch die Änderung dieser gesetzlichen Grundlage nicht mehr rechtswirksam sei.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Gemäß § 46 Abs. 2 GewO 1973 darf ein Gewerbe in einer weiteren Betriebsstätte innerhalb wie außerhalb der Gemeinde des Standortes ausgeübt werden, wenn die Ausübung im Standort der weiteren Betriebsstätte zulässig (§ 15) und nicht von vornherein durch einen Nachsichtsbescheid örtlich beschränkt worden ist.

Nach § 15 leg. cit. darf eine gewerbliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden, 1. in einem Standort, in dem die Ausübung dieser Tätigkeit im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung oder der Entscheidung über das Konzessionsansuchen durch Rechtsvorschriften verboten ist, ....

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage des § 77 Abs. 1 GewO 1973 bereits wiederholt ausgesprochen hat, kommen als ein Standortverbot normierende Rechtsvorschriften nicht nur generelle Normen in Betracht. Als solche Rechtsvorschriften sind vielmehr auch die Rechtslage gestaltende individuelle Rechtsnormen, wie sie insbesonders Bewilligungsbescheide der Baubehörde darstellen, anzusehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/04/0132 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Es bildet daher das in der vom Bürgermeister der Stadtgemeinde am 12. März 1990 für das Gebäude, in dem die in Rede stehende weitere Betriebsstätte liegt, erteilten Benützungsbewilligung enthaltene Verbot, darin Lebensmittel anzubieten, eine Verbotsvorschrift im Sinne des § 15 Z. 1 GewO 1973.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solches Verbot nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht mehr auszusprechen wäre, weil ein in Rechtskraft erwachsener Bescheid - sofern das Gesetz im Einzelfall nichts anderes bestimmt - nicht dadurch seine Rechtswirksamkeit verliert, daß sich die ihm zugrunde gelegene Rechtslage geändert hat, und das Gesetz

(6. Raumordnungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 76/1990) keine gegenteilige Anordnung enthält.

Die belangte Behörde ist somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, der in Rede stehenden Gewerbeausübung stehe ein Standortverbot im Sinne des § 15 Z. 1 GewO 1973 entgegen.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040167.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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