TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/20 92/08/0019

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Veröffentlicht am 20.10.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §33 Abs2 litc;
AlVG 1977 §33 Abs4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
NotstandshilfeV §2;
NotstandshilfeV §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 9. November 1988, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Nichtgewährung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 26. Jänner 1987, 4. Juni 1987 und 2. Oktober 1987, jeweils unter Verwendung des hiefür vorgesehenen Formulars, Anträge auf Gewährung der Notstandshilfe. In ihnen führte er als ordentlichen Wohnsitz "F", und unter der Spalte "Familienstand" an: "verheiratet, aber getrennt lebend".

Mit den Bescheiden vom 29. Juni 1987, 24. Juli 1987 und 27. Oktober 1987 wies das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien diese Anträge, gestützt auf § 33 Abs. 2 lit. c und Abs. 4 AlVG in Verbindung mit den §§ 2 und 6 NHVO, jeweils mit der Begründung ab, daß das anrechenbare Einkommen der Ehegattin des Beschwerdeführers trotz Berücksichtigung der Freigrenze die ihm an sich zustehende Notstandshilfe übersteige.

Diese Bescheide bekämpfte der Beschwerdeführer mit den Berufungen vom 8. Juli 1987, 7. August 1987 und 3. November 1987 ausschließlich mit der Begründung, daß das Einkommen seiner Ehegattin auf seine Notstandshilfe deshalb nicht angerechnet werden dürfe, weil sie getrennt lebten und nie zusammengelebt hätten bzw. kein gemeinsamer Haushalt bestehe.

Mit drei Bescheiden vom 9. Dezember 1987 gab die (auch nunmehr) belangte Behörde den Berufungen keine Folge und bestätigte die bekämpften Bescheide. Nach den (im wesentlichen inhaltsgleichen) Begründungen dieser Bescheide sei von der belangten Behörde festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer bis 16. Mai 1985 an der Adresse B wohnhaft gewesen und seit 17. Mai 1985 an der in den Anträgen genannten Adresse gemeldet sei. Seine nunmehrige Ehegattin habe er am 28. Juni 1985 geheiratet. Sie sei seit 17. Mai 1985 an der oben angeführten Adresse in B wohnhaft. Seit 7. Juni 1985 bestehe ein Postnachsendeauftrag von der Adresse des Beschwerdeführers in F an die Adresse seiner Ehegattin. Dieser Postnachsendeauftrag stehe im Widerspruch zu seinen Ausführungen im Antrag auf Notstandshilfe vom 23. Oktober 1985, in dem er angegeben habe, es sei ihm die Adresse seiner Ehegattin nicht bekannt. Auch hätten die angestellten Erhebungen ergeben, daß er an der Adresse in F nicht gewohnt habe und nur fallweise an diese Adresse gekommen sei. Hingegen habe er sich, wie die Erhebungen ergeben hätten, an der Adresse in B aufgehalten. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin hätten jeweils niederschriftlich angegeben, niemals einen gemeinsamen Haushalt geführt zu haben. Die belangte Behörde sei jedoch aufgrund des angeführten Sachverhaltes zur Ansicht gelangt, daß zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin ein gemeinsamer Haushalt bestehe und daher (aufgrund der obgenannten Bestimmungen) das Einkommen seiner Ehegattin bei der Beurteilung der Notlage des Beschwerdeführers zu berücksichtigen sei. Aufgrund dessen bestehe aber kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe. Diese Bescheide wurden dem Beschwerdeführer jedenfalls vom dem 4. Jänner 1988 zugestellt.

Am 11. Jänner 1988 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe, in dem er unter den Spalten "Ordentlicher Wohnsitz" und "Familienstand" dieselben Angaben wie in den obgenannten Anträgen machte.

Mit Bescheid vom 8. März 1988 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien diesem Antrag mit derselben Begründung wie in den obgenannten Bescheiden keine Folge.

Auch diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit Berufung vom 11. März 1988 ausschließlich mit der selben Begründung wie in den schon genannten Berufungen.

Nach einer ergebnislosen Ladung des Beschwerdeführers vom 23. Juni 1988 wurde er neuerlich mit Schreiben vom 8. Juli 1988 für den 8. August 1988 in der Angelegenheit seiner Berufung mit der Aufforderung geladen, eine Lohnbestätigung seiner Ehegattin sowie Nachweise über die in seinem Antrag angegebenen Rückzahlungsverpflichtungen (von S 2.000,-- monatlich) mitzubringen. Die Ladung wurde vorerst an die Adresse in F adressiert; der Rückscheinbrief wurde aber vom zuständigen Postamt mit dem Bemerken zurückgesandt, der Beschwerdeführer sei an die obgenannte Adresse in B verzogen. Daraufhin wurde ihm die Ladung unter dieser Adresse durch Hinterlegung am 19. Juli 1988 zugestellt. Mit Schreiben vom 29. Juli 1988 gab der Beschwerdeführer der belangten Behörde bekannt, er sende die Nachweise über die Zahlungsverpflichtungen seiner Ehegattin in Fotokopie, da er am 8. August 1988 keine Zeit habe, persönlich vorzusprechen. Eine Lohnbestätigung händige ihm seine Ehegattin nicht aus. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1988 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter der Adresse in B zur Vorlage verschiedener Unterlagen betreffend Zahlungsverpflichtungen seiner Ehegattin auf. Dieses Schriftstück wurde dem Beschwerdeführer an der angeführten Adresse am 10. Oktober 1988 zugestellt, was er durch seine eigenhändige Unterschrift bestätigte. Überdies holte die belangte Behörde Auskünfte des Zentralmeldeamtes über die polizeilichen Meldungen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin und des Dienstgebers seiner Ehegattin über deren Einkommen im maßgeblichen Zeitraum ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Nach Zitierung der angewendeten Gesetzesstellen und Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes der Bescheide vom 9. Dezember 1987 führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der Beschwerdeführer habe am 11. Jänner 1988 neuerlich einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt, der bei unverändertem Sachverhalt (gleich hohes Einkommen der Gattin, unveränderte polizeiliche Meldungen etc.) von der erstinstanzlichen Behörde abermals abgewiesen worden sei. In der dagegen eingebrachten Berufung habe der Beschwerdeführer lediglich eingewandt, daß das Einkommen seiner Ehegattin auf seine Notstandshilfe nicht angerechnet werden dürfe, da er und seine Gattin getrennt lebten und kein gemeinsamer Haushalt bestehe. Weitere Hinweise auf einen hinsichtlich des im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der belangten Behörde vom 9. Dezember 1987 bestehenden Sachverhaltes abweichenden Sachverhalt habe der Beschwerdeführer nicht gemacht. Dennoch seien Ermittlungen darüber getätigt worden, ob sich im Sachverhalt in jenen Punkten, die bislang Ausschließungsgründe für seinen Leistungsanspruch gewesen seien, wesentliche Veränderungen ergeben hätten. Zu diesem Behufe seien Auskünfte beim Zentralmeldeamt (hinsichtlich der Adreßmeldungen) sowie beim Dienstgeber seiner Ehegattin (hinsichtlich eines in der zwischenzeit eventuell geringeren Einkommens) eingeholt worden, die jedoch keine Veränderungen ergeben hätten, weshalb weiterhin ein Anspruch auf Notstandshilfe nicht gegeben sei. Da es sich im weiteren Verlauf des Verfahrens um eine dem Beschwerdeführer bereits bekannte Rechtsfrage gehandelt habe, deren entscheidungsrelevanter Sachverhalt unverändert und vom Beschwerdeführer unbestritten geblieben sei, habe von einer persönlichen Vorsprache durch den Beschwerdeführer abgesehen werden können und sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 3. Juli 1990, Zl. A 86/90, gemäß Art. 140 Abs. 1 und 4 B-VG sowie Art. 139 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 und 3 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, I. festzustellen,

1. daß die beiden ersten Sätze des § 36 Abs. 3 lit. B sublit a AlVG in der Fassung des Stammgesetzes BGBl. Nr. 609/1977 verfassungswidrig waren; 2. daß die Abs. 1 und 3 des § 6 NHV in der Stammfassung BGBl. Nr. 352/1973 gesetzwidrig waren;

II. Abs. 4 des § 6 NHV in der genannten Fassung als gesetzwidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, G 179/90 u.a., die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde nicht, daß ihm - ausgehend von einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin im maßgeblichen Zeitraum - kein Anspruch auf Notstandshilfe zustehe, erachtet aber die Annahme der belangten Behörde, es hätten sich auch hinsichtlich des in den Bescheiden vom 9. Dezember 1987 angenommenen gemeinsamen Haushaltes die Verhältnisse nicht wesentlich geändert, aus den im Zuge ihrer Behandlung wiedergegebenen Gründen als mangelhaft begründet.

Diesen Verfahrensrügen kommt aus nachstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu:

Soweit der Beschwerdeführer zunächst meint, es sei schon das den Bescheiden vom 9. Dezember 1987 zugrundeliegende Verfahren grob mangelhaft gewesen und deshalb zum Gegenstand einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof gemacht worden, ist er auf die Erwägungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1989, Zl. 88/08/0116, zu verweisen, nach denen die Mängelrügen nicht zurecht erhoben wurden. Durfte daher die belangte Behörde in dem dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verfahren mängelfrei davon ausgehen, daß sich die einen Schluß auf einen gemeinsamen Haushalt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin rechtfertigenden tatsächlichen Umstände im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht geändert haben, so bestünde aus den Erwägungen des eben genannten Erkenntnisses gegen die Schlüssigkeit der diesbezüglichen Überlegungen kein vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm insofern zustehenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A) wahrnehmungsfähiger Einwand.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde aber vor, sie habe nicht einmal überprüft, ob der Postnachsendeauftrag, mit dem das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes nachdrücklich begründet worden sei, im Entscheidungszeitpunkt noch aufrecht gewesen sei. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde gar nicht behauptet (und auch im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat), daß der Postnachsendeauftrag widerrufen worden sei, liegt der gerügte Mangel schon deshalb nicht vor, weil die belangte Behörde aufgrund der oben wiedergegebenen Ermittlungsergebnisse (Postfehlbericht mit dem Vermerk "verzogen" an die Adresse der Ehegattin des Beschwerdeführers und Empfangnahme von Poststücken an dieser Adresse durch den Beschwerdeführer) keinesfalls von einer Änderung des diesbezüglichen entscheidungswesentlichen Sachverhaltes im Sinne der Intentionen des Beschwerdeführers ausgehen konnte.

Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, es sei die Feststellung der belangten Behörde, wonach auch der entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert und vom Beschwerdeführer unbestritten geblieben sei, aktenwidrig. Der Beschwerdeführer habe nämlich wiederholt und auch noch im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß er von seiner Ehegattin getrennt lebe und kein gemeinsamer Haushalt bestehe. Eben dieser Umstand hätte durch die von der belangten Behörde verabsäumte persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers aufgeklärt werden können. Die belangte Behörde habe sich aber offenbar durch wiederholte Besuche des Antragstellers bei seiner Ehegattin - er kümmere sich nach wie vor intensiv um sein eheliches Kind und nehme Besuchmöglichkeiten im Interesse der Erziehung wahr - zum unrichtigen Schluß verleiten lassen, es bestehe ein gemeinsamer Haushalt.

Daran ist zwar richtig, daß der Beschwerdeführer auch in der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Berufung behauptet hat, daß er von seiner Ehegattin getrennt lebe und kein gemeinsamer Haushalt bestehe, und daher der insofern entscheidungsrelevante Sachverhalt von ihm nicht unbestritten geblieben ist. Wenn die belangte Behörde aber diese mit den Einwänden in früheren Berufungen inhaltsgleiche Behauptung nicht zum Anlaß einer Vernehmung des Beschwerdeführers zu dieser Frage genommen hat, so ist dies aufgrund der schon genannten diesbezüglichen Ergebnisse des Berufungsverfahrens (Postfehlbericht und Empfangnahme von Schriftstücken) und vor dem Hintergrund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Mitwirkungspflicht des Arbeitslosen in Verfahren auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 10. März 1992, Zl. 92/08/0023 mit weiteren Judikaturhinweisen) nicht rechtswidrig. Denn der Beschwerdeführer hat dieser Berufungsbehauptung trotz der ausführlichen, sie als unglaubwürdig erachtenden Darlegungen in den Bescheiden vom 9. Dezember 1987 und obwohl er aus den oben wiedergegebenen Verfahrensanordnungen im Berufungsverfahren eindeutig ersehen konnte, daß die belangte Behörde weiterhin von einem gemeinsamen Haushalt zwischen ihm und seiner Ehegattin ausging, im Laufe des Berufungsverfahrens nichts hinzugefügt.

Schließlich wendet der Beschwerdeführer ein, es sei der belangten Behörde entgangen, daß die Ehe des Beschwerdeführers mittlerweile in eine krisenhafte Entwicklung geraten und mit Scheidung am 22. November 1988 geendet habe. Unter diesen Umständen müsse die Verletzung des Parteiengehörs, bei dessen Gewährung der Beschwerdeführer die gänzlich veränderte Situation (bevorstehende Scheidung) aufgezeigt hätte, als gravierender Verstoß gegen § 37 AVG angesehen werden.

Auch dieser Einwand ist unbegründet. Ihm ist nämlich entgegenzuhalten, daß ein Aufzeigen einer schon im maßgeblichen Zeitraum allenfalls "gänzlich veränderten Situation" als eines in seiner Sphäre gelegenen Umstandes dem Beschwerdeführer im Rahmen der schon genannten Mitwirkungspflicht oblegen wäre. Die belangte Behörde traf diesbezüglich mangels Hervorkommens von Anhaltspunkten einer veränderten Situation keine amtswegige Ermittlungspflicht.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080019.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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