TE Vwgh Beschluss 1992/10/21 92/02/0247

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Veröffentlicht am 21.10.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
23/04 Exekutionsordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art130 Abs1;
EO §7 Abs4;
VVG §3 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/02/0249 92/02/0248

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge des K in R, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in T, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde und auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit zweier Bescheide sowie über dessen Beschwerde gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. April 1992, Zl. I/7-St-O-9110, betreffend Übertretung der StVO 1960, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

2. Der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 23. April 1992 und des Bescheides des "Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung" vom 9. April 1992 wird zurückgewiesen.

3. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde wurde dem Beschwerdeführer der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. April 1992 am 15. Mai 1992 zugestellt. Die gegen diesen Bescheid gerichtete vorliegende Beschwerde wurde am 12. August 1992 zur Post gegeben.

zu 1.

Zur Begründung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, er habe am 12. Juni 1992 den angefochtenen Bescheid seinem Rechtsvertreter ausgehändigt. Dieser habe den Bescheid seiner Angestellten zur Vormerkung der Beschwerdefrist übergeben und ihn von dieser mit dem Vermerk "Beschwerde vgm."

zurückbekommen, weshalb er davon ausgegangen sei, die Erhebung der Beschwerde sei ordnungsgemäß für den 26. Juni 1992 vorgemerkt worden. Aus Gründen, die sich im nachhinein nicht mehr mit Sicherheit feststellen ließen, sei jedoch die Vermerkung der Frist zur Erhebung der Beschwerde unterblieben. Die genannte Angestellte sei in der Kanzlei des Rechtsvertreters seit Juli 1990 beschäftigt und mit dem Fristvormerk bestens vertraut. Sie sei vom Rechtsvertreter persönlich eingeschult worden, sei Absolventin der Handelsschule und erledige die ihr übertragenen Aufgaben pflichtbewußt und sorgfältig. Es sei bisher zu keiner einzigen Beanstandung gekommen und es sei der Fristvormerk immer vorbildlich entsprechend den Anweisungen durchgeführt worden. Das Unterbleiben des Fristvormerks stelle daher für den Beschwerdeführer und seinen Rechtsvertreter ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar, wodurch der Beschwerdeführer an der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde gehindert worden sei. Erst nach Zustellung der "1. Mahnung" der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen am 30. Juli 1992, mit welcher auf die Vollstreckbarkeit des Bescheides vom "23. April 1992 (wohl richtig: 2. 5. 1991)" hingewiesen worden sei, habe sich der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsvertreter in Verbindung gesetzt, worauf die Versäumung der Frist offenbar geworden sei, womit auch gleichzeitig das Hindernis weggefallen sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich lediglich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich, denn er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden ist und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sei sollte. Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Eintragungen ist nicht ausreichend. Es muß nämlich durch entsprechende Kontrollen vorgesorgt werden, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Kommt der Rechtsanwalt seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens. Ein Rechtsanwalt verstößt auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft ihn in einem solchen Fall nur dann nicht, wenn dargetan wird, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht (vgl. den hg. Beschluß vom 14. Mai 1991, Zl. 91/14/0061).

Das, was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung seines Kanzleipersonals hinsichtlich der richtigen Vormerkung von Terminen vorgekehrt hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten (vgl. den hg. Beschluß vom 24. November 1989, Zl. 89/17/0116).

Im vorliegenden Fall findet sich nun im Wiedereinsetzungsantrag kein einziger Hinweis darauf, daß der Vertreter des Beschwerdeführers derartige Vorkehrungen getroffen hätte. Dieses entsprechend der dargelegten Rechtslage sohin nicht als minderer Grad des Versehens zu qualifizierende Verschulden seines Rechtsvertreters hat der Beschwerdeführer zu vertreten.

Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ist somit nicht

geeignet, diesen Antrag zum Erfolg zu führen.

zu 2.

Wie sich aus Art. 130 Abs. 1 B-VG ergibt, ist der Verwaltungsgerichtshof - von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des Art. 132 B-VG abgesehen - lediglich zur nachprüfenden Rechtskontrolle von Bescheiden, berufen. Er ist daher auch nicht berufen, eine Entscheidung im Sinne des § 7 Abs. 4 EO auf Aufhebung der gesetzwidrig oder irrtümlich erteilten Bestätigung der Vollstreckbarkeit zu treffen. Der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers war daher als unzulässig zurückzuweisen.

zu 3.

Wie aus der eingangs gegebenen Sachverhaltsdarstellung ersichtlich, wurde die vorliegende Beschwerde erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG erhoben. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten in welchen die Anrufung des VwGH ausgeschlossen ist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020247.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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