TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/21 92/02/0148

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Veröffentlicht am 21.10.1992
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §79a;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GdO NÖ 1973 §35 Abs2 Z10;
GdO NÖ 1973 §37 Abs1;
PauschV VwGH 1991 Art1a Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Stadtgemeinde Baden, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Februar 1992, Zl. Senat-B-91-007, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in einer Angelegenheit der Straßenverkehrsordnung 1960 gegen den Mitbeteiligten C in B, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer gemäß § 67c AVG erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten teilweise statt und erklärte die auf § 35 Z. 1 VStG in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO gestützte Festnahme des Mitbeteiligten durch ein Organ der Stadtpolizei Baden am 2. April 1991 sowie die nachfolgende Behandlung des Mitbeteiligten auf einem Gendarmerieposten für rechtswidrig. Gemäß § 79a AVG wurde die Beschwerdeführerin (zu gleichen Teilen mit dem Land Niederösterreich als weiterem betroffenen Rechtsträger; vgl. dessen zur hg. Zl. 92/01/0523 protokollierte Beschwerde) schuldig erkannt, dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 36.644,-- zu ersetzen.

Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten insoweit verletzt, als dem Mitbeteiligten (pauschalierter) Verhandlungsaufwandersatz von S 9.277,-- (inkl. Umsatzsteuer) nicht für sämtliche, sondern für jede der drei von der belangten Behörde durchgeführten Verhandlungen zugesprochen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ziehen die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß dem durch eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG verpflichteten Rechtsträger das Recht zur Erhebung einer Beschwerde gemäß § 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zusteht, weil er durch eine auf die zitierte Bestimmung gestützte Entscheidung in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein konnte (vgl. auch Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 686, sowie implicite das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0088).

Der Mitbeteiligte bezweifelt die Vertretungsbefugnis des für die Beschwerdeführerin namens des Bürgermeisters eingeschrittenen Rechtsanwaltes, weil die Entscheidung darüber, ob eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wird, gemäß § 35 Abs. 2 Z. 10 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 in den Wirkungsbereich des Gemeinderates fällt.

Gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen, sodaß die Beschlußfassung nach § 35 Abs. 2 Z. 10 leg. cit. nur das Innenverhältnis betrifft (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, Slg. Nr. 10147/A, sowie aus jüngerer Zeit die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1991, Zl. 89/05/0181, und vom 4. Oktober 1991, Zl. 91/18/0161). Zu einer Zurückweisung der Beschwerde bestand daher kein Anlaß.

Ob eine in Hinblick auf § 55 Abs. 2 leg. cit. ordnungsgemäß gefertigte Vollmacht des eingeschritteten Rechtsanwaltes vorlag, kann auf sich beruhen, da es gemäß § 10 Abs. 1 AVG, § 62 Abs. 1 VwGG einer solchen Urkunde nicht bedurfte. Zweifel daran, daß der Bürgermeister den Beschwerdevertreter bevollmächtigte, äußert auch der Mitbeteiligte nicht.

In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß gemäß § 79a AVG der Partei, die in Fällen einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (§ 67c) obsiegt, der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zusteht. Eine nähere Regelung über den Ersatz dieser Kosten besteht nicht.

In seinem Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 91/19/0162, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß sich die Entscheidung über den Kostenersatz gemäß § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG über den Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof in Verbindung mit der auf § 49 VwGG gestützten Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 104/1991, zu orientieren hat und daß eine Kürzung der verordneten Pauschalsätze um (rund) ein Drittel vorzunehmen ist. Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall als Ansatz für Verhandlungsaufwand daher zutreffend einen Betrag von S 9.277,-- (S 13.915,-- gemäß Art. I A Z. 2 der zitierten Verordnung) angesetzt.

Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, daß im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Höhe des Ersatzes des "sonstigen Aufwandes, der für den Beschwerdeführer als obsiegende Partei mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in VerhandlungEN vor dem Verwaltungsgerichtshof verbunden war (Verhandlungsaufwand)" von der Zahl der Verhandlungen nicht abhängt (vgl. § 48 Abs. 1 Z. 4 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 2 der zitierten Verordnung).

Schon der Wortlaut dieser Bestimmung spricht gegen die Zuerkennung eines Mehrfachen des Pauschalbetrages für Verhandlungsaufwand. Es entspricht auch dem Wesen einer Pauschalierung, daß es auf die Dauer der Verhandlung und auf die Zahl der Verhandlungstermine nicht ankommt. Die zweimalige Vertagung der mündlichen Verhandlung rechtfertigte im Beschwerdefall somit einen mehrfachen Ansatz von Verhandlungsaufwand nicht. Es belastete den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, wenn die belangte Behörde ihrer Kostenberechnung entsprechend der Zahl der Verhandlungstermine den dreifachen (gekürzten) Pauschalansatz für Verhandlungsaufwand zugrunde gelegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof kann im Lichte seiner Rechtsprechung zu § 79a AVG nicht finden, daß diese Bestimmung unzureichend determiniert wäre. Er folgt daher der Anregung des Mitbeteiligten nicht, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

Der angefochtene Bescheid war somit im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020148.X00

Im RIS seit

21.10.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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