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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. Februar 1992, Zl. MA 64-11/712/91/Str, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem als Ersatzbescheid für den durch das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, aufgehobenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Februar 1990 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. Februar 1992 wurde die Beschwerdeführerin (neuerlich) schuldig erkannt, ihr dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug am 22. Jänner 1989 um
20.45 Uhr in Wien 4, Margaretenstraße 9, mit vier Rädern auf dem Gehsteig abgestellt und diesen somit vorschriftswidrig benützt zu haben. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. über sie eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bestritt im Verwaltungsstrafverfahren, die Tat begangen zu haben, mit dem Hinweis, Lenker des Fahrzeuges im Tatzeitpunkt sei die von ihr der Behörde gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 gekanntgegebene, in Jamaika wohnhafte Person gewesen.
Die Erstbehörde forderte daraufhin die Beschwerdeführerin auf, innerhalb einer Frist von vier Wochen Beweise für die Existenz und den Aufenthalt dieser Person zum Tatzeitpunkt in Österreich und für ihre Lenkereigenschaft anzubieten oder entsprechende Beweismittel vorzulegen. Diese Aufforderung ließ die Beschwerdeführerin unbeachtet, weshalb die belangte Behörde in ihrem Berufungsbescheid vom 21. Februar 1990 von der Unrichtigkeit der Behauptung der Beschwerdeführerin und von ihrer Lenkereigenschaft im Tatzeitpunkt ausging.
Mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. In seiner Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine Vorjudikatur (zusammengefaßt) aus, die Bezeichnung einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung am administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, als Lenker im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 verpflichte den Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung am Verwaltungs(straf)verfahren. Die Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, daß ein Zulassungsbesitzer sein Kraftfahrzeug nur Personen zum Lenken überläßt, die er näher kennt. Die Behörde hat umgekehrt die Verpflichtung, von Amts wegen jene Ermittlungen über die Richtigkeit der Angaben des Zulassungsbesitzers anzustellen, die ihr ohne Schwierigkeiten möglich sind, wie etwa die Einholung von Meldeauskünften. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Das "in Verbindung treten" mit der als Lenker namhaft gemachten, im Ausland lebenden Person wird - sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - regelmäßig dadurch zu geschehen haben, daß die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muß dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlegt oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitraum geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen.
In Befolgung dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes richtete die belangte Behörde am 1. Juli 1991 an die von der Beschwerdeführerin als Lenker namhaft gemachte, in Jamaika wohnhafte Person ein Schreiben mit dem Ersuchen, bekanntzugeben, ob diese Person das in Rede stehende Fahrzeug so abgestellt habe, daß es zum Tatzeitpunkt am Tatort gestanden sei. Dieses Schreiben langte mit dem postalischen Vermerk "unclaimed" wieder bei der belangten Behörde ein. Diesen Umstand gab die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. November 1991 bekannt und forderte sie auf, allfällige andere Beweismittel bekanntzugeben. Da die Beschwerdeführerin in der Folge die Richtigkeit dieser Mitteilung der belangten Behörde in Zweifel zog, teilte ihr die belangte Behörde mit Schreiben vom 3. Dezember 1991 die näheren Umstände des in Rede stehenden Vorganges mit und bot ihr an, nach telefonischer Vereinbarung eines Termines Akteneinsicht zu nehmen. Von dieser Möglichkeit machte die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch.
Aus diesem Verfahrensablauf ergibt sich, daß die belangte Behörde nunmehr sämtlichen sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffenden Ermittlungspflichten nachgekommen ist.
Es kann daher im Lichte der Ausführungen im Vorerkenntnis auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die Ergebnislosigkeit ihrer Ermittlungen von der Lenkereigenschaft der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitpunkt ausging.
Das Beschwerdevorbringen, es sei gegen die Beschwerdeführerin innerhalb der für eine wirksame Verfolgungshandlung "notwendigen Fallfrist" nicht der Tatvorwurf, eine unrichtige Lenkerauskunft erteilt zu haben, erhoben worden, geht schon deshalb fehl, weil die Erteilung einer unrichtigen Lenkerauskunft kein Tatbestandselement der Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO 1960 ist.
Das Beschwerdevorbringen schließlich, die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin nach Rücklangen des an die in Jamaika lebende Person gerichteten Schreibens die Akteneinsicht verweigert, steht im Widerspruch zu dem (eingangs wiedergegebenen) Akteninhalt.
Die Beschwerde erweist sich somit zu Gänze als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Zeugen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020146.X00Im RIS seit
11.07.2001