TE Vfgh Beschluss 1990/6/11 V157/90

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Veröffentlicht am 11.06.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag StVO 1960 §45 Abs2

Leitsatz

Unzulässigkeit eines Individualantrages auf Aufhebung eines Fahrverbotes; Zumutbarkeit des Umweges über die Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Spittal a.d. Drau erließ am 28. August 1989 unter Berufung auf §43 Abs1 und §44 in Verbindung mit §94b StVO 1960 eine Verordnung, mit der Maßnahmen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs für Gemeindestraßen im Bereiche der Gemeinde Seeboden erlassen werden.

2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehrt die Einschreiterin, §1 I.2., §1 II.1. und §1 II.2. dieser Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Die Antragstellerin bringt vor, Miteigentümerin der Seeallee (Grundstücke Nr. 198/3, 195/7, KG 73212 Seeboden) und eines Teiles der Seepromenade (Nr. 763/13, KG 73212 Seeboden) zu sein. Außerdem sei sie Alleineigentümerin eines Campingplatzes im Ausmaß von

6.237 m2 (763/12, KG 73212 Seeboden). Zugunsten ihres Grundstückes Nr. 763/12, (Campingplatz) sei im Grundbuch das uneingeschränkte Recht eingetragen, über die Grundstücke 763/4, 763/17, 763/7 und 763/10, KG 73212 Seeboden (Seepromenade) zu gehen und zu fahren. Dieses Geh- und Fahrrecht werde seit mehr als 30 Jahren auch von Gästen des Campingplatzes ausgeübt.

Durch die bekämpften Bestimmungen der (unter Pkt. 1 zitierten) Verordnung werde ein Fahrverbot für die Seeallee (§1 I.2.) und für die Seepromenade (§1 II.1.) verfügt. Außerdem werde in §1 II.2. der bekämpften Verordnung durch ein Umkehrgebot die Zufahrt zur Seepromenade verboten. Durch diese Bestimmungen werde die Antragstellerin in ihrem "Eigentumsrecht an der Seeallee, bestehend aus den Grundstücken 195/7 und 198/3 und im verbücherten uneingeschränkten Geh- und Fahrrecht über die Seepromenade(nstraße) bestehend aus den Grundstücken 763/4, 763/17, 763/7 und 763/10) so stark verletzt und beeinträchtigt, daß der Wesensgehalt dieser Rechte nicht mehr gewährleistet ist." Wegen des Fahrverbotes könnten auch die Campinggäste nicht mehr zum Campingplatz der Antragstellerin zufahren. Dadurch würden auch "ihre betrieblichen Interessen unmittelbar gestört".

3. Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8009/1977 uva.).

4.a) Der Verfassungsgerichtshof hatte sich bereits im Jahre 1989 mit einem ähnlichen Antrag derselben Einschreiterin zu befassen. Damals hatte sie die Aufhebung der gesamten in Rede stehenden Verordnung begehrt. Der Gerichtshof führte im Beschluß vom 27. November 1989, V100/89, aus, daß ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung "im einzelnen" (§57 Abs1 Satz 2 VerfGG) darlegen müsse; diese Voraussetzungen erfülle der (damalige) Individualantrag nicht, sodaß er daher (allein) schon wegen dieses nicht verbesserungsfähigen Mangels zurückzuweisen sei.

b) Mit den nunmehr vorliegenden Antrag wird die Aufhebung bloß bestimmter Stellen der in Rede stehenden Verordnung begehrt. Die ob der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungsbestimmungen bestehenden Bedenken werden im einzelnen dargelegt.

Dennoch ist auch dieser Antrag unzulässig:

Wenn die Antragstellerin meint, durch die angefochtene Verordnung werde die Zufahrmöglichkeit zum Campingplatz unterbunden, so hält der Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit der Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung im Sinne des §45 Abs2 StVO für einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der rechtlichen Interessen der Antragstellerin. Damit steht dieser jedoch ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (vgl. zB VfSlg. 8553/1979, 9277/1981, 10 302/1984; VfGH v. 26.2.1988, V147/87, 27.9.1988 V100/88). Auch die von der Antragstellerin befürchteten negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf ihren Campingbetrieb durch das Fahrverbot rechtfertigen nicht ein Abgehen von dieser ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

5. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragstellerin gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Fahrverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V157.1990

Dokumentnummer

JFT_10099389_90V00157_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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