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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. April 1992, Zl. MA 64-11/632/91/Str, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 (Spruchpunkt 2) betrifft, einschließlich des damit zusammenhängenden Kostenanspruches, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. April 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 7. April 1990 um 17.30 Uhr in Wien 2, Novaragasse, Kreuzung Weintraubengasse, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und 1. es unterlassen zu haben, sofort anzuhalten, 2. sich geweigert zu haben, seine Atemluft von einem besonders geschulten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt messen zu lassen, obwohl er dazu aufgefordert worden sei und der Verdacht der Alkoholbeeinträchtigung gegeben gewesen sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung zu 1. nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und zu 2. nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 leg. cit. begangen, weshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
Aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers wurde dieses Straferkenntnis mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. April 1992 hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe:
"Sie haben am 7.4.1990 um 17.30 Uhr in Wien 2, Novaragasse Kreuzung Weintraubengasse als Lenker des PKW W nnn.nnn einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es 1) unterlassen, sofort anzuhalten und sind weitergefahren, 2) sich am 7.4.1990 um 17.55 Uhr im Wachzimmer Praterstern geweigert, Ihre Atemluft von einem besonders geschulten und dazu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt messen zu lassen, obwohl sie dazu aufgefordert wurden und der Verdacht der Alkoholbeeinträchtigung gegeben war".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) hat die Berufungsbehörde, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen, immer in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" in diesem Sinne ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. N.F. Nr. 11.237/A). Der Berufungsbehörde ist es daher im Verwaltungsstrafverfahren verwehrt, den Beschuldigten einer anderen Straftat schuldig zu erkennen, als ihm im erstbehördlichen Straferkenntnis zur Last gelegt wurde.
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer in Punkt 2 des erstbehördlichen Straferkenntnisses einer um 17.30 Uhr in Wien 2, Novaragasse Kreuzung Weintraubengasse, begangenen Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt, während die Berufungsbehörde ihm eine um 17.55 Uhr im Wachzimmer Praterstern, somit zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort begangene derartige Verwaltungsübertretung zur Last legte. In diesem Vorgang liegt eine nach der oben dargestellten Rechtslage unzulässige Auswechslung der Tat.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid in seinem Punkt 2 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Mit dem gegen den Schuldspruch wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 gerichteten Beschwerdevorbringen macht der Beschwerdeführer zunächst Verjährung geltend, weil ihm erst im angefochtenen Bescheid zur Last gelegt worden sei, mit seinem Fahrzeug weitergefahren zu sein. Er übersieht dabei allerdings, daß ein derartiger Vorwurf bereits in der Anzeige enthalten ist. Der Inhalt dieser Anzeige wurde dem Beschwerdeführer am 10. Mai 1990 mit der Aufforderung, sich zu rechtfertigen, zur Kenntnis gebracht. In diesem Vorgang liegt eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A). Im übrigen bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Es ist daher daran zu erinnern, daß diese der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen schlüssig sind, daß heißt, mit den Denkgesetzen mit Einklang stehen. Ob hingegen die Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß etwa die Verantwortung des Beschuldigten und nicht eine diesen belastende Version den Tatsachen entspricht, ist der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Der solcherart eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde stand. Der Beschwerdeführer macht selbst nicht geltend, die belangte Behörde habe notwendige Sachverhaltsermittlungen unterlassen. Daß aber ein von der belangten Behörde aus den vorliegenden Ermittlungsergebnissen gezogener Schluß nicht zwingend in dem Sinn ist, daß nicht auch andere als von der belangten Behörde getroffene Schlußfolgerungen daraus gezogen werden könnten, macht diese Erwägungen nicht unschlüssig im oben dargestellten Sinn.
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Aussagen im Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen technischen Amtssachverständigen Ing. Hackl wendet, ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung ausdrücklich nicht auf dieses Gutachten stützte, sodaß allfällige Mängel dieses Gutachtens eine Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde keinesfalls begründen könnten.
Die Beschwerde war daher, soweit sie die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Zuspruch von Umsatzsteuer war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes in der genannten Verordnung abzuweisen. Im übrigen betrifft die Abweisung nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Spruch der Berufungsbehörde freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020187.X00Im RIS seit
21.10.1992