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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1220;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des FS in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. März 1991, GZ. GA 11-274/1/90, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Notariatsakt vom 22. Dezember 1987 schenkte der Vater des Beschwerdeführers dem Beschwerdeführer die Liegenschaft EZ 605, KG X mit dem Haus H-Gasse 36/L-Gasse 72. Im Punkt "Zehntens" des Notariatsaktes heißt es:
"Diese Schenkung erfolgt mit Rücksicht darauf, daß der Geschenknehmer am 17. Dezember 1987 geheiratet hat und dient zur Bestellung eines Heiratsgutes im Sinne des § 3 Abs. 5 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 (...) in der derzeit geltenden Fassung."
Den Notariatsakt legte der Beschwerdeführer offenbar mit der Abgabenerklärung gemäß § 18 Grunderwerbsteuergesetz 1955 vor und beschrieb dort den Rechtsvorgang mit "Schenkung (Heiratsgut)". Aus einem Aktenvermerk vom 17. Mai 1989 ergibt sich, daß der Beschwerdeführer - offenbar aufgrund einer behördlichen Anfrage vom 28. April 1989 - vorgesprochen und angegeben habe, daß das Einfamilienhaus derzeit adaptiert und noch innerhalb der Zweijahresfrist bezogen werde. Er wohne in W, B-Gasse 101; seine Gattin in W, J-Straße 26/26. Er pendle zwischen beiden Wohnungen.
Mit Bescheid vom 18. Mai 1989 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die Schenkungssteuer mit S 9.940,-- fest. Die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 5 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (im folgenden: ErbStG) wurde abgelehnt, weil ein erster gemeinsamer Haushalt bereits in W, J-Straße 26/26 begründet worden sei.
In seiner der Berufung nachfolgenden Berufungsbegründung stellte der Beschwerdeführer ohne irgendein Beweisanbot die Gegenbehauptung auf, das geschenkte Einfamilienhaus sei der erste gemeinsame Haushalt.
Die von der Finanzbehörde erster Instanz eingeholte Meldeauskunft ergab zunächst, der Beschwerdeführer sei seit 23. Dezember 1983 in der B-Gasse und seit 2. Jänner 1964 in der L-Gasse gemeldet; aus einer weiteren Meldeauskunft geht hervor, daß neben der Adresse B-Gasse eine Meldung vom 17. Dezember 1987 bis 29. Mai 1989 an der Anschrift J-Straße und von dort eine Abmeldung in die L-Gasse erfolgt sei. Seit 6. Juli 1989 sei er in der L-Gasse gemeldet. Hinsichtlich seiner Gattin GS ergab die Anfrage, daß sie seit 18. Jänner 1987 in W, Y-Gasse 13 und seit 22. Dezember 1987 in W, J-Straße 26/26 gemeldet sei. Eine Meldung hinsichtlich der L-Gasse liege nicht vor.
In seiner abweislichen Berufungsvorentscheidung hielt die Finanzbehörde erster Instanz unter Wiedergabe der Meldeauskünfte ihre Auffassung aufrecht, das gegenständliche Einfamilienhaus könne nicht der Errichtung des ersten gemeinsamen Haushaltes dienen, sondern es sei der erste gemeinsame Haushalt in der J-Straße begründet worden.
In seinem Vorlageantrag vom 24. November 1989 erbat der Beschwerdeführer eine Frist bis 10. Jänner 1990 zur Einbringung einer weitreichenden Begründung. In der Folge erstattete er sieben weitere Fristerstreckungsansuchen, zuletzt am 29. Jänner 1991 bis zum 18. März 1991. Aufgrund einer Zeugenladung gab die nun wieder geschiedene Gattin des Beschwerdeführers GS am 25. Februar 1991 eine schriftliche Stellungnahme ab.
Am 1. März 1991 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid. Darin stellte sie unter anderem nachstehenden Sachverhalt fest:
"Wie von der Meldebehörde zu erfahren war, war der Berufungswerber vom 17. Dezember 1987 (Tag der Verehelichung) bis 29. Mai 1989 in W, J-Straße 26/26, gemeldet. Von dort hat er sich nach W, L-Gasse 72, abgemeldet. Seit 6. Juli 1989 ist er an dieser Andresse gemeldet. Die Ehegattin des Berufungswerbers, GS, ist seit 18. Dezember 1987 in W, Y-Gasse 13 und seit 22. Dezember 1987 in W, J-Straße 26/26, gemeldet. Eine Meldung an der schenkungsgegenständlichen Liegenschaft lag jedenfalls bis 27. September 1989 nicht vor. Wie sie in dem vorhin zitierten Schriftsatz bekanntgegeben hat, konnte das Einfamilienhaus wegen der umfangreichen Arbeiten erst ab Herbst 1989 bewohnt werden. Sie ist im Februar 1990 wieder ausgezogen, weil die Ehe am 8. Oktober 1990 geschieden wurde. Das Ausmaß der Wohnung in W, J-Straße 26/26, die von beiden Ehegatten vorher bewohnt wurde, wurde von der geschiedenen Ehegattin mit 60 m2 angegeben."
Rechtlich würdigte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend, daß der erste gemeinsame Haushalt in der Wohnung W, J-Straße 26/26 errichtet wurde. Nur die Ersteinrichtung des gemeinsamen Haushaltes bewirke die Abgabenbefreiung, ein bloßer Wechsel reiche nicht aus.
Noch vor Zustellung dieses Bescheides am 25. März 1991 holte der Beschwerdeführer den ständig angekündigten Schriftsatz am 18. März 1991 nach. Auf diesem Schriftsatz findet sich folgender Aktenvermerk der belangten Behörde: "BE am 15. März 1991 abgesendet, daher derzeit keine weitere Veranlassung mehr". Dieses Schreiben enthält neben allgemeiner Kritik an der Berufungsvorentscheidung und einer Reihe von Rechtsausführungen folgende Tatsachenbehauptungen:
1. Der Beschwerdeführer sei bereits seit 2. Jänner 1964 in der L-Gasse gemeldet.
2.
GS wohne seit 1975 in der J-Straße.
3.
Bis zum Abschluß der Renovierungsarbeiten im gegenständlichen Einfamilienhaus wurden die beiden ursprünglichen "Single-" Haushalte erhalten.
Gegen den Bescheid vom 1. März 1991 richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aufgrund des § 3 Abs. 5 ErbStG gilt eine Ausstattung oder ein Heiratsgut, das Abkömmlingen zur Einrichtung eines den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung der Beteiligten angemessenen Haushaltes gewährt wird, nicht als Schenkung, soferne zur Zeit der Zuwendung ein Anlaß für eine Ausstattung oder ein Heiratsgut gegeben ist und der Zweck der Zuwendung innerhalb zweier Jahre erfüllt wird. Von der Begünstigung ist in gleicher Weise das der Tochter gewährte Heiratsgut wie die dem Sohn gewährte Ausstattung erfaßt; der Anlaß zur Hingabe muß nur in der Errichtung des ersten GEMEINSAMEN Haushaltes gelegen sein (hg. Erkenntnis vom 4. März 1982, 15/3575/80, Slg. 5.667/F, verstärkter Senat). Der Zweck der Zuwendung wird erst dann erfüllt, wenn der Haushalt innerhalb zweier Jahre begründet, somit die Zuwendung tatsächlich genützt wird (Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0091).
Der Beschwerdeführer hat allerdings richtigerweise auf das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1976, Zl. 1778/76, verwiesen. Dort wurde für den Fall, daß ein Einfamilienhaus erst errichtet werden mußte, die Anmietung einer teilweise möblierten Wohnung als nur eine zwangsläufig vorübergehende Lösung erkannt, die der steuerbegünstigten Gewährung der Ausstattung zur Errichtung des endgültigen Haushaltes im neugebauten Einfamilienhaus nicht entgegenstehen konnte.
Die belangte Behörde hat nun selbst festgestellt, daß das Haus wegen der umfangreichen Renovierungsarbeiten erst ab Herbst 1989 bewohnt werden konnte und hat auch der Darstellung der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers Glauben geschenkt, sie sei im Februar 1990 WIEDER AUSGEZOGEN, habe also vorher dort gewohnt. Aufgrund dieser Tatsachenfeststellung kam es auf die Frage, ob GS dort auch gemeldet war, nicht mehr an. Die strittige Tatfrage, ob beide Ehegatten in der J-Straße gewohnt haben, ist deshalb unerheblich, weil unbestrittenermaßen während dieser Zeit das Haus renoviert werden mußte und daher jedenfalls ein Provisorium - egal ob eine gemeinsame Wohnung oder von jedem Ehegatten als "Single" - bewohnt werden mußte.
Der vom Gesetz geforderte Anlaß der Ausstattung ergibt sich aus dem Schenkungsvertrag und aus der tatsächlich erfolgten Eheschließung; nach den getroffenen Feststellungen ist aber auch der erforderliche Zweck der Zuwendung im Herbst 1989 eingetreten, sodaß der Befreiungstatbestand erfüllt wurde. Für die Annahme, dieser Kausalverlauf sei durch einen früheren, gemeinsam ausgestatteten Haushalt unterbrochen worden, fehlen nicht nur Beweisergebnisse, sondern auch Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Allein der Umstand, die Ehegatten hätten vorher (offenbar während der festgestellten Dauer der polizeilichen Meldung) dort gewohnt, vermag im Hinblick auf die Renovierungsarbeiten am zweckgewidmeten Haus den Tatbestand der erstmaligen gemeinsamen Haushaltsgründung nicht zu erfüllen.
Ein Einfluß des im Februar 1990 erfolgten Auszuges aus dem Haus und der Scheidung am 8. Oktober 1990 auf die Erfüllung des Befreiungstatbestandes ist nach der Aktenlage zu verneinen. Die Frage der Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 18. März 1991 kann dahingestellt bleiben. Da die belangte Behörde ungeachtet ihrer Tatsachenfeststellungen die Erfüllung des Befreiungstatbestandes dem Grunde nach als nicht gegeben angesehen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991160051.X00Im RIS seit
22.10.1992