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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über den Antrag der Gemeinde Seefeld, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in I, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung einer Frist zur Beschwerdeerhebung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß vom 20. August 1992 Zl. 92/06/0146, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Gemeinde Seefeld gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Mai 1992, Zl. Ve1-546-112/224-2, betreffend Änderung des Flächenwidmungsplanes als verspätet zurückgewiesen, da die Beschwerdeführerin in der Beschwerde den 1. Juni 1992 als Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides angegeben hatte und die mit 9. Juli 1992 datierte Beschwerde erst am 27. Juli 1992 zur Post gegeben wurde.
Mit Schriftsatz vom 24. September 1992 begehrt nun die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Frist zur Einbringung ihrer Beschwerde. Begründend wird ausgeführt, am 16. Juni 1992 sei der Gemeindesekretär der Beschwerdeführerin beim einschreitenden Rechtsvertreter erschienen, habe diesem den bekämpften Bescheid vom 22. Mai 1992 und noch andere sachdienliche Unterlagen gebracht und das Ersuchen der Gemeinde weitergeleitet, gegen diesen Bescheid eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu ergreifen. Auf die Frage des Beschwerdeführervertreters: "Wann haben Sie diesen Bescheid tatsächlich erhalten?", habe der Gemeindesekretär auf seinen am Bescheid angebrachten handschriftlichen Vermerk "am 15. 6. erhalten. Pr." verwiesen und dazu ausgeführt, er habe den Bescheid am 15. Juni, also gestern erhalten. Daraufhin habe der ausgewiesene Beschwerdevertreter selbst handschriftlich direkt ziffernmäßig unter der vorgenannten Notiz des Gemeindesekretärs Pr die Berechnung des 42tägigen Fristendes für die Beschwerde vorgenommen, sich mit dem Bescheid zur Kanzleileiterin begeben, die er angewiesen habe, das Ende der Beschwerdefrist mit 27. Juli 1992 im Kalender vorzumerken. Der Kopf des angefochtenen Bescheides vom 22. Mai 1992 weise zwar die Eingangsstampiglie der Gemeinde mit dem Eingangsdatum 1. Juni 1992 deutlich auf. Im Hinblick auf die sofort eingangs der Erörterung dargelegte Beantwortung der Frage des Zustelldatums mit 15. Juni durch den Gemeindesekretär sei dem Eingangsdatum der Eingangstampiglie der Gemeinde keine Beachtung mehr geschenkt worden, zumal Abweichungen der Daten von Eingangsstampiglien aller Art durchaus geläufig seien und vorkommen. Es sei daher auch eine weitere Erörterung unterblieben, wie es zur Differenz zwischen dem Datum der Eingangsstampiglie und dem handschriftlich festgehaltenen Eingangsdatum, das die tatsächliche Übernahme durch den Gemeindesekretär festhielt, kam. Beim Diktat der Einleitungsformel der Beschwerde sei routinemäßig und automatisch das Zustelldatum, wie es sich aus der Stampiglie des Gemeindeamtes mit 1. Juni 1992 (tatsächlich richtig) ergeben habe, festgehalten worden und nicht der Zustelltermin, der sich aus der Notiz des Gemeindesekretärs ergeben habe. Da aber die Termineintragung seinerzeit, wie bereits dargestellt, nach der damaligen Berechnungsmethode richtig vor sich gegangen sei, habe sich kein weiterer Gedanke einer Fristüberprüfung ergeben. Tatsächlich sei die Beschwerdefrist versäumt, das Versäumnis stelle sich für die Beschwerdeführerin als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, es handle sich aber jedenfalls nur um einen minderen Grad des Versehens.
Dem Antrag wurden zwei eidesstattliche Erklärungen sowie der angefochtene Bescheid im Original beigelegt.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist auf Antrag einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Im vorliegenden Fall wurde auf dem Original des angefochtenen Bescheides, auf dessen ersten Seite, unmittelbar neben, zum Teil sogar noch innerhalb der Umrandung der Eingangstampiglie des Gemeindeamtes der beschwerdeführenden Gemeinde mit dem Datumsstempel 1. Juni 1992 ein handschriftlicher Vermerk: "am 15. 6. erhalten. Pr."
angebracht. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdevertreter an den Gemeindesekretär die Frage richtete, wann die Zustellung des Bescheides tatsächlich erfolgt sei, oder ob, wie aus der eidesstattlichen Erklärung des Gemeindesekretärs hervorgeht, der Beschwerdevertreter die Eintragung ohne Befragen des Gemeindesekretärs vornahm, weil die Fristberechnung vom einschreitenden Rechtsvertreter selbst auf dem anzufechtenden Bescheid, unmittelbar neben und zum Teil auch innerhalb der Eingangsstampiglie der beschwerdeführenden Gemeinde unter dem handschriftlichen Vermerk des Gemeindesekretärs angebracht wurde und die Eingangsstampiglie so auffallend war und auch im Vergleich zum unmittelbar daneben angebrachten handschriftlichen Vermerk des Gemeindesekretärs optisch so dominant in Erscheinung tritt, daß sie der Beschwerdevertreter schon bei Aufwendung eines Mindestmaßes an Aufmerksamkeit nicht übersehen konnte. Dabei war die Divergenz der beiden Daten so offensichtlich, daß es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens handeln konnte, wenn der Beschwerdevertreter ohne offenbar selbst zu lesen, was deutlich sichtbar angebracht war und ohne weiteres Hinterfragen vom 15. Juni 1992 ausgegangen ist. Daß der zugegebenermaßen richtige Eingangsstempel auffallend sichtbar angebracht war, geht schon aus dem Wiedereinsetzungsantrag hervor, in dem ausdrücklich eingeräumt wurde, daß beim Diktat der Einleitungsformel der Beschwerde, das Zustelldatum, wie es sich aus der Stampiglie des Gemeindeamtes mit 1. Juni 1992 ergab, festgehalten wurde. Doch selbst wenn der Beschwerdevertreter an den Gemeindesekretär die Frage nach der tatsächlichen Zustellung gerichtet haben sollte, so hätte er die darauf erhaltene Antwort einer verständigen Würdigung unterziehen müssen. Die Frage konnte ja - aus der Sicht des Anwaltes - sinnvoll nur so verstanden werden, ob nicht aufgrund der Behördenorganisation der beschwerdeführenden Gemeinde die für die Fristberechnung maßgebliche Zustellung schon VOR dem Anbringen einer Eingangsstampiglie erfolgt sein konnte. Bei einer Antwort, die als Zustelldatum einen SPÄTEREN Termin angibt, hätte der Beschwerdevertreter aber bei zumutbarer Aufmerksamkeit erkennen müssen, daß seine Frage mißverstanden worden war. In einem solchen Fall kann von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden, ist doch davon auszugehen, daß aus Gründen der Rechtssicherheit an das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen schon im Interesse der übrigen Verfahrensparteien ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 26. Mai 1992, Zl. 92/05/0082, sowie vom 31. Jänner 1989, Zl. 88/05/0256).
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992060202.X00Im RIS seit
22.10.1992