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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des Dr. A in M, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 14. Oktober 1991, Zl. 84.446-8/91, betreffend Finanzvergehen (Grunderwerbsteuer), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Berufungsentscheidung vom 14. Oktober 1991 hat die Finanzlandesdirektion für Tirol als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Spruchsenates III beim Finanzamt Innsbruck teilweise stattgegeben und den Spruch wie folgt abgeändert:
"Der Beschuldigte ist schuldig, er hat in ... grob
fahrlässig zu einer Verkürzung von Grunderwerbsteuer im
Gesamtbetrag von S 87.891,-- dadurch beigetragen, daß er im
Schreiben vom 18.11.1986 an die Firma ... betreffend die
Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer
eine unrichtige Rechtsauskunft erteilte und im zwischen der
Firma ... und E.P. abgeschlossenen Kaufvertrag vom 20.1.1987
den Umstand des Zweiterwerbers verschwiegen und zu Unrecht einen Befreiungstatbestand von der Grunderwerbsteuer geltend gemacht hat."
Der Beschwerdeführer habe sich dadurch des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung in der Beteiligungsform des sonstigen Tatbeitrages nach §§ 11, 34 Abs. 1 und 3 FinStrG schuldig gemacht.
Gegen diesen Bescheid (Berufungsentscheidung) richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die angefochtene Entscheidung mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet, weil die belangte Behörde sowohl die Bestimmungen des § 11 FinStrG als auch jene des § 34 Abs. 1 und 3 FinStrG unrichtig angewendet und die im Spruch der angefochtenen Entscheidung dargestellte Tathandlung zu Unrecht einer fahrlässigen Abgabenverkürzung subsumiert habe.
Der Beschwerde kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hat E.P. in der von ihr unterfertigten Abgabenerklärung vom 22. Jänner 1987 den Erwerbsvorgang angegeben und die Grunderwerbsteuerbefreiung wegen "§ 4 Abs. 1 Z. 3 GrEStG" beantragt. Dabei wurde allerdings unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gemäß § 119 BAO unterlassen, in der Erklärung oder den vorgelegten Unterlagen ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sich nicht um einen Ersterwerb gehandelt habe.
Im Zuge einer Grunderwerbsteuernachschau hat das Finanzamt festgestellt:
"Am 11.8.1986 schloß die Fa. ... mit S.Z. einen Kaufvertrag über die Wohnung Top 8 ab. An dieser Wohneinheit wurde von der Käuferin Wohnungseigentum begründet, der Kaufvertrag wurde mit Beschluß v. 15.10.1986 des BGZ auch verbüchert. Dieser Vertrag wurde mit Stornierungsvertrag v. 18.12.1986 wieder rückgängig gemacht (BRP.: 37437/86). Für diese Vorgänge ist gem. § 20 GrEStG 1955 keine Grunderwerbsteuer festzusetzen.
Mit Kaufvertrag v. 20.1.1987 erwarb nun Frau E.P. diese Wohnung Top 8 (BRP.: 2262/87). Obwohl RA Dr. A sowohl den ursprünglichen Kaufvertrag samt Stornierungsvereinbarung als auch den Kaufvertrag mit E.P. errichtete (sämtliche Abverkäufe des Bauvorhabens waren beim RA), wurde auch für den zweiten Erwerb der Wohneinheit die Befreiung gem. § 4 (1) Z. 3 GrEStG 1955 beantragt. Diese kann jedoch nicht mehr gewährt werden, da es sich nicht mehr um den "Ersten Erwerb" handelt."
Mit Bescheid vom 22. Februar 1989 hat das Finanzamt E.P. die Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 87.891,-- (zuzüglich Verspätungszuschlag in der Höhe von S 8.789,--) zur Entrichtung vorgeschrieben.
Ein Finanzstrafverfahren gegen E.P. wurde nicht eingeleitet. E.P. wurde als Auskunftsperson gehört.
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Gemäß § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung bewirkt, wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) festgesetzt wurden.
Eine bescheidmäßige Gewährung der Abgabenfreiheit ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen und wird von der belangten Behörde auch nicht behauptet. Vielmehr ist die Abgabenbehörde - wie dies in der Erkenntnisbegründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird - "unzutreffend von einem Ersterwerb im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG ausgegangen und setzte keine Grunderwerbsteuer fest". Wenn der Beschwerdeführer in einem Schreiben an den Vertreter von E.P. festhält, er habe die Grunderwerbsteuerbefreiung beantragt und bewilligt erhalten, dann entspricht dies nicht der Aktenlage, sondern der faktischen Situation, daß zunächst keine Abgabenvorschreibung an E.P. ergangen ist. Demgemäß hat das Finanzamt über den Erwerbsvorgang erstmalig mit Bescheid vom 22. Februar 1989 abgesprochen.
Der Kaufvertrag, der einen Anspruch auf die Übereignung begründete, werde dem Finanzamt durch Vorlage dieses Kaufvertrages und der Abgabenerklärung angezeigt. Auf Grund dieser Angaben erging nach der Aktenlage kein Bescheid, sodaß damit auch keine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bewirkt werde. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer erfolgte erst auf Grund der Prüfung und hier in der richtigen Höhe.
Gemäß § 11 FinStrG begeht nicht nur der unmittelbare Täter das Finanzvergehn, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder der sonst zu seiner Ausführung beiträgt.
Waren an der Tat mehrere beteiligt, so ist nach § 12 FinStrG jeder von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen.
Die Strafdrohungen für vorsätzliche Finanzvergehen gelten gemäß § 13 Abs. 1 FinStrG nicht nur für die vollendete Tat, sondern auch für den Versuch und jede Beteiligung an einem Versuch.
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer schuldig erkannt, grob fahrlässig zur (vollendeten) Abgabenverkürzung beigetragen zu haben. Eine vollendete Abgabenverkürzung liegt jedoch im Hinblick auf die Bestimmung des § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG nicht vor. Allenfalls konnte demnach nur eine versuchte Abgabenhinterziehung gegeben sein. Die belangte Behörde hat aber weder E.P. noch den Beschwerdeführer vorsätzliches Handeln zugerechnet, sodaß die Strafbarkeit nach § 13 Abs. 1 FinStrG im vorliegenden Fall aus diesem Grund nicht gegeben ist (vgl. Fabrizy, Wiener Kommentar zum StGB, §§ 12 bis 14, Rz. 88 ff).
Da die Beschwerde sich schon aus diesem Grund als berechtigt erweist, war ein weiteres Eingehen auf die übrigen Beschwerdegründe nicht mehr erforderlich.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992160029.X00Im RIS seit
22.10.1992