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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der 1. R in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 23. März 1992, Zl. MD/Präs.Abt.II-9588/1991, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: B GmbH in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.750,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei beantragte am 25. Februar 1991 mit einem an den Stadtmagistrat Innsbruck gerichteten Bauansuchen die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Bürogebäudes auf der Gp. 1036 der KG P. In der über dieses Bauvorhaben durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 16. September 1991 erhob das beschwerdeführende Unternehmen als anrainender Nachbar (Baurechtsbesitzer) die Einwendungen, daß wesentliche Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden seien, die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung nicht eingehalten würden, keine geeignete LKW-Zufahrt bestehe, keine "überirdischen" PKW-Abstellplätze vorgesehen seien, die Vermutung naheliege, daß das künftige Gebäude nicht widmungsgemäß verwendet werde und die Abstände nicht eingehalten würden.
Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 15. Oktober 1991 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung unter zahlreichen Bedingungen und Auflagen erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden abgewiesen "bzw. soweit darin die Geltendmachung eines im Privatrecht begründeten Rechtes gesehen werden kann, auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen".
Gegen diesen Bescheid erhob das beschwerdeführende Unternehmen Berufung, worin im wesentlichen die erhobenen Einwendungen wiederholt und in der Abstandsfrage folgendes ausgeführt wurde:
"Bei den "Außenkanten" und im Haupteingangsbereich ist der gesetzliche Mindestabstand offenkundig nicht eingehalten. Hiebei handelt es sich keineswegs um Erker, sondern um Baukörper, die durch alle Geschoße, einschließlich dem Erdgeschoß in die Mindestabstandsfläche hineinragen. Würde es sich lediglich um ein fassadengestaltendes Element handeln, dann könnte dies nicht so weit auskragend sein, wie dies tatsächlich der Fall ist."
Ferner erhob der Beschwerdeführer in seiner Berufung (erstmals) die Einwendung, daß die geplante Bauhöhe die nach dem Bebauungsplan höchstzulässige Bauhöhe von 12 m überschreite.
Im Berufungsverfahren erklärt die mitbeteiligte Partei, das gegenständliche Bauansuchen "auf eine Ausführung ohne die zwei Mansardengeschoße einzuschränken" und legte der Berufungsbehörde dazu neue Pläne sowie eine neue Kubaturberechnung vor. In einer Stellungnahme dazu rügte der Beschwerdeführer zunächst, daß die mitbeteiligte Partei das geänderte Bauansuchen nicht bei der "zuständigen Baubehörde erster Instanz, sondern bei der Berufungskommission in Bausachen, also bei der hiefür unzuständigen Instanz" eingereicht habe, machte geltend, daß auch das nunmehr abgeänderte Stiegenhaus die gesetzlichen Abstände zur Grundgrenze der Beschwerdeführerin nicht einhalte und die geplante Dachkonstruktion die zulässige Wandhöhe von 12 m "in jedem Fall" überschreiten werde.
Mit Bescheid vom 23. März 1992 hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und "die erstinstanzliche Entscheidung unter Bedachtnahme auf § 31 Abs. 10 der Tiroler Bauordnung" unter weiteren Auflagen mit der Maßgabe bestätigt, daß die mitbeteiligte Partei im Zuge des Berufungsverfahrens das Projekt insofern modifizierte, als auf die Ausführung des vierten und fünften Obergeschoßes (Dachgeschoß) verzichtet worden sei und sich sohin die Gebäudehöhe auf 11,98 m reduziere. In der Begründung dieses Bescheides wird - nach einer Beschreibung des Projekts und einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens - von der belangten Behörde u.a. ausgeführt, daß im Erdgeschoß des Projekts ein Ausstellungs- und Verkaufsraum mit Büroräumen, Küche und Sanitärräumen sowie der Eingangsbereich mit Windfang, Foyer und Stiegenhaus errichtet werde. Die drei Obergeschoße seien zur Unterbringung von Büros mit Betriebsküchen, Lager- und Sanitäreinheiten vorgesehen, sowie zur Unterbringung von Archiven, Konferenz- und Büroräumen. Die vertikale Erschließung des Objektes erfolge über ein abgeschlossenes Stiegenhaus und einen Personenaufzug, wobei der Stiegenhausturm 2,90 m über das Niveau des Daches über dem dritten Obergeschoß hochgezogen werde. Laut dazu eingeholter Stellungnahme des zuständigen Sachverständigen der Bau- und Feuerpolizei und des Stadtplanungsamtes werde bei projektgemäßer Ausführung der eingereichten Planunterlagen die zulässige Wandhöhe von 12,0 m mit 11,98 m eingehalten. Die Einschränkung des Bauansuchens im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens stehe in Übereinstimmung mit der langjährigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Berufungsbehörde grundsätzlich verpflichtet sei, den Bauwerber zu einer Änderung seines Bauvorhabens aufzufordern, wenn ein gegebener Versagungsgrund durch eine Modifikation des Bauansuchens beseitigt werden könne (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1987, Zl. 86/06/0253, und vom 12. Dezember 1989, Zl. 87/06/0134). Dadurch trete eine Änderung der Identität der Sache nicht ein, zumal durch eine Reduzierung lediglich in der Gebäudehöhe subjektive Nachbarrechte (ergänze: des Beschwerdeführers) nicht beeinträchtigt werden könnten. Zum Vorbringen, das Projekt halte zur Grundgrenze des Beschwerdeführers die gesetzlichen Abstände nicht ein, sei anzumerken, daß laut den zur Genehmigung eingereichten Planunterlagen beabsichtigt sei, an den beiden (nordöstlich und südwestlich) gelegenen Gebäudeecken ein über die gesamte Gebäudehöhe sich erstreckendes "Erkerband" zu erstellen, welches laut den Grundrißplänen 1,0 m in den Bauwich zum Grundstück des Beschwerdeführers von insgesamt 5,5 m hineinrage. Das gebäudemittig angeordnete Stiegenhaus rage dabei in Form eines Kreissegmentes 1,5 m in den eben beschriebenen Bauwich und halte somit einen Grenzabstand von 4,0 m ein. Nach der Bestimmung des § 7 Abs. 5 lit. b der Tiroler Bauordnung blieben bei der Berechnung der Mindestabstände von Gebäuden nach Abs. 1 und 3 leg. cit. offene Balkone, Erker und ähnliche Bauteile, die nicht mehr als 1,5 m in die Mindestabstandsfläche hineinragten, außer Betracht. Dabei müßten diese Gebäudeteile jedoch bei Gebäuden von der Grenze zum übrigen Bauland und bei Gebäuden im Bauland jedenfalls 3,0 m von der Grundstücksgrenze entfernt sein. Wiewohl der belangte Behörde durchaus bewußt sei, daß die oben beschriebenen Gebäudeteile im klassischen Sinn nicht als Erker zu bezeichnen seien, meine sie dennoch, diese zumindest erkerähnlichen Bauteile unter die Bestimmung des § 7 Abs. 5 lit. b Tiroler Bauordnung subsumieren zu können, zumal nach dieser Bestimmung auch Bauteile die offenen Balkonen und Erkern ÄHNLICH sind, und nicht mehr als 1,5 m in die gesetzlich geforderten Mindestabstandsflächen hineinragen, bei der Berechnung der Mindestabstände außer Betracht zu bleiben hätten. Da diese Gebäudeteile jedenfalls mehr als 3,0 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zur Gp. 1037/2 des Beschwerdeführers abstünden, sei davon auszugehen, daß das Projekt in bezug auf Einhaltung der gesetzlich geforderten Grenzabstände bebauungsplan- und gesetzeskonform sei. Den Einwendungen, das Projekt verfüge über keine geeignete LKW-Zufahrt und es seien keine oberirdischen PKW-Abstellplätze vorgesehen, hielt die belangte Behörde entgegen, daß den eingereichten Planunterlagen vier oberirdische Abstellplätze entnommen werden könnten und die an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers angelegte Zufahrt statisch als LKW-Zufahrt ausgebildet werden solle. Wenn die Anzahl und die Situierung der anderen Abstellplätze als unzureichend beeinsprucht werde, so sei dazu anzumerken, daß dem Nachbarn im baubehördlichen Verfahren eine "subjektiv-öffentlich rechtliche Parteistellung" (ergänze: in diesen Belangen) nicht eingeräumt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer erblicken zunächst eine "Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw. Nichtigkeit" des angefochtenen Bescheides darin, daß die mitbeteiligte Partei ein "neues Bauansuchen" eingereicht habe, bei welchem sich zwar zu einem erheblichen Teil die Planung des neuen Bauvorhabens mit dem ursprünglichen decke, es sich aber "zweifellos doch um ein anderes Gebäude handelt, dies schon deshalb, weil die neue Planung um zwei Geschoße von der usprünglichen abweicht".
Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Berufungsbehörde sogar verpflichtet ist, den Bauwerber zu einer Abänderung seines Vorhabens aufzufordern, wenn ein gegebener Versagungsgrund durch eine Modifikation des Bauansuchens beseitigt werden kann und die Berufungsbehörde nur dann das ganze Vorhaben ablehnen darf, wenn sich der Bauwerber weigert, eine entsprechende Änderung des Projektes vorzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1964, Slg. Nr. 6449/A, und die ständige Rechtsprechung seither, aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 89/05/0044). Die Möglichkeit einer Änderung von Bauvorhaben im Zuge des Berufungsverfahren ist freilich nur insoweit zulässig, als sie sich noch um dieselbe "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG handelt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, daß die Modifikation jedenfalls nicht das Wesen (den Charakter) des Bauvorhabens treffen darf (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 1981, Slg. Nr. 10526/A, u.a.). Im Beschwerdefall erfolgte eine Reduzierung des Projekts um zwei Stockwerke, wobei das Projekt im übrigen im wesentlichen unverändert geblieben ist. Dabei handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes um eine - vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung - unbedenkliche Änderung des Bauvorhabens, wurde sie doch deshalb vorgenommen, um dem (nicht rechtzeitig, weil erst in der Berufung erhobenen) Einwand des Beschwerdeführers, die Gebäudehöhe verstoße gegen den Bebauungsplan, Rechnung zu tragen und die Bewilligungsfähigkeit des Projekts zu bewirken. Durch diese Verkleinerung des Projekts konnten daher Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt werden; es ist dadurch aber auch eine Änderung der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht eingetreten (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 21. Februar 1989, 88/05/0205, 0206 = JBl. 1990, 199).
Den in der Beschwerde aufrecht erhaltenen Einwänden, es bestehe keine geeignete LKW-Zufahrt und es seien keine ausreichenden PKW-Abstellplätze vorgesehen, ist entgegenzuhalten, daß das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, und die ständige Rechtsprechung seither).
Gemäß § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, hat die Behörde über Einwendungen von Nachbarn abzusprechen, worin die Verletzung eines Rechtes behauptet wird, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes begründet ist und nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung). Solche Einwendungen können nach dem letzten Satz der zitierten Gesetzesstelle insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden. Weder die Bestimmungen über die Zufahrt zum Baugrundstück (vgl. das Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0110), noch jene über die Zahl der Stellplätze und Garagen (vgl. die Erkenntnisse vom 20. November 1984, Zl. 84/05/0131, BauSlg. Nr. 335, und vom 18. Juni 1991, Zl. 90/05/0193) dienen dem Schutz des Nachbarn, weshalb dem Beschwerdeführer insoweit ein Mitspracherecht nicht zukommt.
Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß aufgrund der Lebenserfahrung, insbesondere der äußerst ungünstigen Parkmöglichkeiten in Innsbruck, mit Sicherheit davon auszugehen sei, daß - mangels entsprechender Stellplätze auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei - Kraftfahrzeuge unbefugt auf dem angrenzenden Grundstück des Beschwerdeführers abgestellt würden. Diesem sei es nicht zumutbar, sich ständig an das Gericht wegen Abhilfe wenden zu müssen.
Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß es grundsätzlich Aufgabe jedes Grundstückseigentümers (oder, wie im Falle des Beschwerdeführers, Inhabers eines Baurechts) ist, sein eigenes Grundstück vor unbefugtem Betreten und unbefugter Nutzung selbst zu schützen. Es bleibt dem Beschwerdeführer unbenommen, durch Aufstellen von Hinweistafeln oder durch mechanische Vorkehrungen das unbefugte Befahren seines Grundstückes zu verhindern oder zu erschweren. Die von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte sind aber nicht geeignet, den Vorschriften über Zufahrt und Abstellplätze nachbarschützende Wirkung im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO zuzumessen.
Auch der Einwand des Beschwerdeführers, die mitbeteiligte Partei werde nicht in der Lage sein, die festgelegte Wandhöhe von 12 m einzuhalten, geht ins Leere: Damit zeigt der Beschwerdeführer nämlich keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, sondern - allenfalls - dessen Undurchführbarkeit unter den darin genannten technischen Voraussetzungen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ist jedoch nur die Frage, ob der angefochtene Bescheid - unter dem Blickwinkel der Mitspracherechte des Beschwerdeführers - rechtswidrig ist, nicht aber, ob die mitbeteiligte Partei aufgrund der von ihr vorgelegten Planung auch in der Lage sein wird, alle Vorschriften dieses Bescheides einzuhalten. Das Risiko, daß dieser Bescheid - bei Beachtung aller Auflagen und gesetzlichen Vorschriften - undurchführbar ist, trägt die mitbeteiligte Partei.
Hingegen ist die Beschwerde berechtigt, soweit sie eine Verletzung der Bestimmungen über den Abstand zur Grundgrenze des Beschwerdeführers geltend macht:
Gemäß § 7 Abs. 1 lit. a TBO beträgt der Mindestabstand von Gebäuden von den Grenzen gegenüber anderen Grundstücken als Verkehrsflächen im Industriegebiet, im Kerngebiet und im Freiland das 0,5-fache der Höhe der der Grundstücksgrenze zugekehrten Wand, jedenfalls aber 3 m, von der Grenze zum übrigen Bauland jedoch das 0,7-fache der Höhe der dieser Grundstücksgrenze zugekehrten Wand, jedenfalls aber 4 m.
§ 7 Abs. 5 TBO lautet:
"(5) Bei der Berechnung der Mindestabstände von Gebäuden nach den Abs. 1 und 3 bleiben folgende Gebäudeteile außer Betracht:
a)
Vordächer, die nicht mehr als zwei Meter,
b)
offene Balkone, Erker, und ähnliche Bauteile, die nicht mehr als 1,50 Meter,
c) fassadengestaltende Bauteile, wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, die nicht mehr als 0,50 Meter,
d) unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer und an Gebäuden angebrachte Werbeeinrichtungen, die nicht mehr als zwei Meter
in die Mindestabstandsfläche hineinragen. Diese Gebäudeteile müssen jedoch bei Gebäuden im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet und im Freiland jedenfalls 2,50 Meter von der Grundstücksgrenze, von der Grenze zum übrigen Bauland jedoch jedenfalls drei Meter und bei Gebäuden im übrigen Bauland jedenfalls drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt sein."
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß drei Bauteile des Projekts der mitbeteiligten Partei in die sich nach § 7 Abs. 1 TBO an der Grundgrenze zum Beschwerdeführer ergebende Mindestabstandsfläche um jeweils 1,5 m hineinragen, nämlich an den beiden, der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers gegenüberliegenden Gebäudeecken je ein vorspringendes "Erkerband", welche jeweils 1 m, sowie das "gebäudemittig angeordnete Stiegenhaus", das (im Grundriß betrachtet) in Form eines Kreissegmentes 1,5 m in den Seitenabstand hineinragen; dabei handelt es sich um einen vom Erdgeschoß bis 2,9 m über das Niveau des Daches über dem dritten Obergeschoß hochgezogenen Stiegenhausturm in der geometrischen Form eines (von der Fassade aus betrachtet) nach außen gewölbten Halbzylinders. Strittig ist, ob es sich bei diesen Bauteilen um "erkerähnliche Bauteile" im Sinne des § 7 Abs. 5 lit. b TBO handelt.
Bei der Untersuchung der Frage, ob ein erkerähnlicher Bauteil vorliegt, ist zunächst vom Begriff des Erkers auszugehen. Nach dem Sprachgebrauch wird darunter ein in der Regel geschlossener, überdachter, vorspringender Teil an Gebäuden verstanden, der u.U. über ein oder mehrere Geschoße reichen kann (vgl. etwa Duden, Bedeutungswörterbuch; Brockhaus, Enzyklopädie in 20 Bänden17, 1968, fünfter Band, Seite 670; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 30: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 1, Seite 733). Dieser Gebäudeteil wird in der Regel nicht vom Boden hochgeführt, sondern ragt dem Gebäude frei vor oder er wird von einem Mauervorsprung oder einer Säule gehalten (Brockhaus Enzyklopädie17, aaO; Brockhaus- Warig, Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden, zweiter Band, 1981, Seite 563).
Der Verwaltungsgerichtshof hat - ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch in diesem Sinne - vor allem den vorspringenden Charakter eines Erkers für maßgebend angesehen (vgl. das Erkenntnis vom 9. November 1989, Zl. 89/06/0094) und - demgemäß - solche Vorsprünge dann nicht mehr als ERKERÄHNLICH angesehen, wenn sie den Eindruck einer neuen geschlossenen Gebäudefront erwecken, wie z.B. durch eine geschlossene Aneinanderreihung von Gebäudevorsprüngen und Balkons (vgl. das Erkenntnis vom 12. Juni 1981, Zl. 06/2498/80), oder durch die Schließung eines umlaufenden Balkons, wodurch ein horizontal über die gesamte Breite der Fassade sich erstreckender, bis zum Dach reichender Vorsprung in Stockwerkshöhe entsteht (vgl. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0184).
Hinsichtlich von Gebäudeteilen vorspringenden Charakters, die nicht den Eindruck einer neuen geschlossenen Gebäudefront im Sinne dieser Judikatur erwecken, wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Erkerähnlichkeit" zwei weitere negative Voraussetzungen entwickelt: Danach darf ein solcher Vorsprung nicht selbst den Charakter eines Raumes haben (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Mai 1980, Zl. 3174/78, vom 17. Mai 1984, Zl. 81/06/0155, BauSlg. Nr. 265, vom 22. September 1988, Zl. 86/06/0005, BauSlg. Nr. 1178, vom 9. November 1989, Zl. 89/06/0094, vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0184, und vom 16. Juni 1992, Zl. 92/05/0001), wobei nach dem Sachverhalt dieser Erkenntnisse der Gebäudevorsprung jeweils durch eine mit der Fassade fluchtende Mauer von dem dahinterliegenden Raum getrennt war. Darüberhinaus darf ein solcher Vorsprung nach der Rechtsprechung nicht auf der ganzen Breite des dahinterliegenden Raumes vorspringen (so die zur Tiroler Bauordnung ergangenen Erkenntnisse vom 11. Juni 1981, Zl. 06/2498/80, vom 17. Mai 1984, Zl. 81/06/0155, BauSlg. Nr. 265, und vom 14. September 1989, Zl. 88/06/0120).
Legt man diese, von der Rechtsprechung für Erker bzw. erkerähnliche Bauteile entwickelten Grundsätze dem beschwerdegegenständlichen Sachverhalt zugrunde, so zeigt sich, daß die hier strittigen, vorspringenden Bauteile nicht als erkerähnlich angesehen werden können: Dies zunächst deshalb, weil sie - vom Boden hochgeführt - über die gesamte Höhe der Fassade reichen. Hinsichtlich solcher Bauteile ist in § 7 Abs. 5 lit. c TBO angeordnet, daß sie nicht mehr als 0,50 m in den Seitenabstand ragen dürfen, weshalb es ausgeschlossen ist, solche Vorsprünge als erkerähnlich unter § 7 Abs. 5 lit. b TBO zu subsumieren. Überdies zeigen die bei den Verwaltungsakten befindlichen Einreichpläne, daß die seitlichen Vorsprünge an den Gebäudeecken ("Erkerbänder") entgegen der zuvor zitierten Rechtsprechung über die gesamte Breite des dahinterliegenden Raumes vor die Fassade vorspringen. Dies gilt im übrigen auch für die Vorwölbung des Stiegenhausturms. Der im Erdgeschoß befindliche Teil dieses Turms dient sowohl nach der Baubeschreibung als auch den vorliegenden Bauplänen überdies als Windfang: § 6 TBO regelt die Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen, wobei diese Bestimmung in ihrem Abs. 2 Ausnahmen von der Grundregel zugunsten begünstigter Gebäudeteile enthält, darunter (lit. b) für offene Balkone, Erker und ähnliche Bauteile sowie (lit. e) für erdgeschoßige Windfänge, die jeweils bis 1,50 m vor die Baufluchtlinie vorragen dürfen. Während also der Gesetzgeber bei der Regelung der Abstände baulicher Anlagen von den VERKEHRSFLÄCHEN neben den offenen Balkonen, Erkern und ähnlichen Bauteilen auch erdgeschoßige Windfänge als begünstigte Bauteile behandelt, fehlt eine solche Bestimmung in § 7 TBO bei der Regelung der Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß ein Windfang als "erkerähnlicher Bauteil" im Abstand errichtet werden darf, sondern vielmehr der umgekehrte Schluß, daß vorspringende Gebäudeteile, die vom Erdgeschoß aufsteigen und dort den Charakter eines Windfangs haben, nicht als erkerähnliche Bauteile im Sinne des § 7 Abs. 5 lit. b TBO angesehen werden können.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie die strittigen Bauteile als erkerähnlich angesehen und bewilligt hat, den Beschwerdeführer in seinen ihm aus § 30 Abs. 4 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und 5 lit. b TBO zukommenden Rechten verletzt; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992060096.X00Im RIS seit
15.10.2001