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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 14. Oktober 1991, Zl. 1996 - 3/1991, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (in der Folge: belangte Behörde) wies mit Berufungsentscheidung vom 14. Oktober 1991 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Eingangsabgabenbescheid des Zollamtes Feldkirch (in der Folge: ZA) vom 15. September 1989 als "gesetzlich nicht begründet" ab.
Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:
Mit dem angefochtenen Bescheid habe das ZA für die Einfuhr eines in Deutschland gekauften Lammfellmantels Eingangsabgaben festgesetzt. Dabei sei es davon ausgegangen, daß dieser Mantel von der in D (Vorarlberg) wohnenden Schwester der Beschwerdeführerin in M, BRD, bei dem Kürschner B... anläßlich eines Besuches bei der damals in M, BRD, wohnenden Beschwerdeführerin im Jahre 1986 gekauft, nach Anfertigung noch in demselben Jahr von der Beschwerdeführerin unter Umgehung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht in das österreichische Zollgebiet eingebracht und der Schwester übergeben worden sei.
In der fristgerecht eingebrachten Berufung werde angeführt, die Umgehung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht sei keinesfalls erwiesen.
Auch gegen die Einleitung des Finanzstrafverfahrens sei Beschwerde erhoben worden.
Die Beschwerdeführerin "hat das Finanzvergehen gemäß § 35 Abs. 1 FinStrG nicht begangen, was sich im Strafverfahren erweisen wird".
Es werde auch bemängelt, die Angaben der Beschwerdeführerin in dem Schreiben vom 11. Juli 1989 seien in der Bescheidbegründung nicht berücksichtigt worden. In diesem Schreiben habe sie die Aussagen, wonach sie den Mantel nach Österreich verbracht habe, als falsche Anschuldigung bezeichnet.
"Als Zeuge hierfür steht mein Mann ... zur Verfügung, mit dem ich jeweils gemeinsam im Pkw die Grenze passierte.
Als weiteres Beweismittel könnten mein Terminkalender von 1986 und entsprechende Kundenkorrespondenz vorgelegt werden. Daraus kann bis ins Detail nachvollzogen werden, wann, wo und mit wem ich mich in 1986 aufhielt. Aus geschäftlichen Gründen wäre es mir zu dem angegebenen Zeitpunkt gar nicht möglich gewesen, nach Österreich zu fahren.
3. Durch wen die Einfuhr nach Österreich erfolgte, ist mir nicht bekannt.
Es kann sein, daß Herr B... den Mantel oder einen anderen
Mantel vor einem Wochenendbesuch meiner Schwester bei mir in M,
BRD, abgegeben hat. Da Herr B... aber ein sehr starker Raucher
ist und wir Rauch nicht ertragen können, hing die "geräucherte" Rauchware und das Leder höchstens eine Nacht oder einen Tag bei uns auf der Terrasse, bevor alles von ihr selbst mitgenommen wurde. Alles weitere entzieht sich meiner Kenntnis."
Dazu habe die belangte Behörde nach Anführung der Bestimmungen des § 174 Abs. 3 lit. a (erster Halbsatz) ZollG erwogen:
Im vorliegenden Fall sei nicht umstritten, daß die betreffende Ware unverzollt in das österreichische Zollgebiet verbracht worden sei. Die Beschwerdeführerin bekämpfe aber die Feststellung des ZA, wonach sie diejenige gewesen sei, die den Mantel unverzollt in das österreichische Zollgebiet verbracht und dadurch über die zollhängige Ware so verfügt habe, als wäre sie im freien Verkehr.
Die diesbezüglichen Feststellungen des ZA stützten sich auf die Aussagen der Mutter und der Schwester der Beschwerdeführerin bzw. des Kürschners B... .
Die Mutter der Beschwerdeführerin habe vor dem ZA am 26. August 1991 als Zeugin im wesentlichen folgendes ausgesagt:
"Als meine Tochter Ingeborg den tatgegenständlichen Lammfellmantel kaufte, wohnte Astrid (= Beschwerdeführerin) in M, BRD. Meines Wissens hat Ingeborg diesen Mantel vorerst beim Kürschner B... in M, BRD, probiert, das muß im Oktober oder November des Kaufjahres gewesen sein. Warum Ingeborg diesen Mantel nicht selbst gleich mitgenommen hat, dürfte in dem Grund gelegen sein, daß er nicht fertig war. Ingeborg wohnte anläßlich der Anprobe dieses Mantels bei meiner Tochter Astrid in M, BRD. Das war glaublich für ein oder zwei Tage. Astrid hat Ingeborg mit dem Kürschner zusammengebracht. Astrid kam in der Regel zu heiligen Zeiten im Jahr zu uns nach D auf Besuch. So auch vor Weihnachten des Jahres, in welchem Ingeborg den Mantel in M, BRD, anprobiert hat. Zu dieser Zeit war das Verhältnis zwischen Astrid einerseits und mir sowie Ingeborg ein gutes. Astrid kam also mit ihrem Mann ... kurz vor Weihnachten und blieb dann über die Weihnachtsfeiertage in D und wohnte in unserem Haus. Beide sind mit dem Mercedes gekommen. Ich kann mich noch erinnern, daß sie am Abend gekommen sind. Ingeborg und ich waren gleichzeitig zu Hause. Astrid kam bei der Tür herein, und zwar alleine, da ihr Mann noch den Wagen versorgte, und hatte diesen Mantel bei sich am Arm. Glaublich war er in Cellophan verpackt. Astrid warf diesen Mantel mit den Worten:
"Da hast Du den Mantel" auf den Wohnzimmertisch. Mein Schwiegersohn ... war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Haus, da er noch Gepäck von dem Pkw ins Haus brachte. Astrid war bei dieser Gelegenheit sehr ungehalten. Das ist sie aber in der Regel. Ingeborg hat daraufhin den Mantel anprobiert und ich sagte noch zu ihr, daß ihr der Mantel sehr gut stehe."
Die Schwester der Beschwerdeführerin habe zur Sache am 26. August 1991 vor dem ZA folgendes ausgesagt:
"Vorab möchte ich aussagen, daß dies der erste Kauf beim
Kürschner B... war. Der Kontakt zu diesem kam über meine
Schwester Astrid zustande. Ich war einmal mit ihr anläßlich
eines Aufenthaltes in M, BRD, bei welchem Aufenthalt ich auch
bei ihr wohnte, beim Kürschner B... . Dort sah ich den besagten
Lammfellmantel hängen, welcher mir sofort gefiel. Ein solcher
Mantel war damals gerade große Mode. Dieser Mantel war aber
offenbar für eine Kundschaft reserviert, sodaß dieser Mantel
für mich vom Kürschner erst angefertigt werden mußte. Ich
bestellte daher die Anfertigung eines solchen Mantels. Im
Oktober oder November desselben Jahres fuhr ich per Eisenbahn
nach M, BRD, und probierte diesen Mantel bei Herrn B... .
Glaublich habe ich vorher mit B... diesen Anprobetermin
telefonisch vereinbart. Anläßlich dieser Anprobe habe ich auch
den Kaufpreis dem Herrn B... entrichtet. Bei dieser Gelegenheit
wurde mit B... auch vereinbart, daß er den Mantel bis
Weihnachten dieses Jahres fertig machen und ihn zur Abholung
durch meine Schwester Astrid bereithalten solle. Mit meiner
Schwester Astrid sprach ich ab, daß sie den Mantel zu mir nach
D bringen solle. Hiebei habe ich ihr weder gesagt, sie solle
den Mantel verzollen oder nicht verzollen.
An einem Tag kurz vor Weihnachten kam sie mit ihrem Gatten ..., wie alljährlich, zu Besuch zu uns nach D. Die beiden kamen mit dem Pkw der Marke Mercedes, welcher von ihrem Gatten gelenkt worden sein muß, weil sie trotz Führerscheines selbst nicht fährt. Astrid kam ins Haus und hatte den gegenständlichen Mantel auf dem Arm. Sie warf diesen Mantel im Wohnzimmer auf den Tisch und sagte: "Da hast ihn" Danach sprachen weder ich noch Astrid darüber, ob sie diesen Mantel bei der Einreise in das österreichische Zollgebiet gestellt habe oder nicht."
Diese Aussage sei von der Schwester dem wesentlichen Inhalt nach bereits am 13. März 1989 vor dem ZA zu Protokoll gegeben worden. Schließlich sei auch festzustellen, daß der Kürschner B... vor dem Zollfahndungsamt M, BRD, am 14. April 1989 das Abholen des Lammfellmantels durch die Beschwerdeführerin bestätigt habe.
Bezüglich des Verhaltens der Beschwerdeführerin gehe aus den Akten hervor, daß sie laut Vernehmungsniederschrift des Zollfahndungsamtes M, BRD, zur Sache keine Aussage gemacht habe, erst nachdem sie vom ZA mit Schreiben vom 26. Juni 1989 darauf aufmerksam gemacht worden sei, im Falle des Nichtbeantwortens der gestellten Fragen werde laut Aktenlage entschieden, habe sie sich zu den Angaben ihrer Schwester mit Schreiben vom 11. Juli 1989 geäußert. Diese Äußerungen erschöpften sich in der Verneinung der Schilderungen bezüglich Verbringung des Mantels in das österreichische Zollgebiet.
Weder die Beschwerde gegen die Einleitung des Finanzstrafverfahrens noch die Berufung gegen den Eingangsabgabenfestsetzungsbescheid böten Anhaltspunkte dafür, weshalb die angeführten Angaben der Mutter und der Schwester der Beschwerdeführerin unrichtig sein sollten. In ihrer Stellungnahme vom 11. Juli 1989 führe die Beschwerdeführerin ihren Ehegatten als Zeugen bzw. ihr Notizbuch als weiteres Beweismittel an. Sie halte es nach ihrer Schilderung auch für möglich, daß der Kürschner B... vor einem Wochenendbesuch ihrer Schwester den Mantel bei ihr in M, BRD, abgegeben habe. Alles weitere entziehe sich aber ihrer Kenntnis.
Weitere Stellungnahmen habe die Beschwerdeführerin auch nach Akteneinsicht am 13. September 1991 nicht abgegeben, obwohl sie dazu mit Schreiben vom 5. September 1991 aufgefordert worden sei.
Prüfe man nun die gemachten Aussagen, so sei festzustellen, daß die Angaben der Schwester und der Mutter der Beschwerdeführerin in ihren Zusammenhängen keine Widersprüche oder Ungereimtheiten aufwiesen. Auch der Verkäufer des Lammfellmantels Kürschner B... bestätige, daß der am 10. Oktober 1986 gekaufte und laut Schwester anläßlich der Anprobung bezahlte Mantel von der Beschwerdeführerin abgeholt worden sei.
Zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei hingegen festzustellen, daß sie zunächst nicht bereit gewesen sei, Angaben zu machen. In der Folge habe sie zwar Erklärungen abgegeben, doch hätten sich diese im wesentlichen in der Verneinung der von ihrer Mutter und Schwester gemachten Aussagen erschöpft. Sie habe zwar ihren Terminkalender als Beweismittel angeboten, doch mit Schreiben vom 11. Dezember 1989 mitgeteilt, daß sie als Unternehmensberaterin der Verschwiegenheitspflicht unterliege, weshalb sie nicht in der Lage sei, Kopien des Terminkalenders herauszugeben. Bezüglich ihres Ehegatten als Zeugen werde bei der Beurteilung davon ausgegangen, daß er ihre Angaben bestätigt hätte.
Vergleiche man die Aussagen in ihren Zusammenhängen, so sei zusammenfassend festzustellen, daß die Angaben der Mutter und der Schwester, welche Vorgänge um die Verbringung des Lammfellmantels in das österreichische Zollgebiet in ihren Einzelheiten beinhalteten, als zutreffend zu bezeichnen seien.
Gegen diese Berufungsentscheidung der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Der Bundesminister für Finanzen legte die betreffenden Verwaltungs- bzw. Verwaltungsstrafakten mit der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch den angefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten auf "Parteiengehör" und "entsprechende Beweisaufnahme im Sinne des § 183 BAO" verletzt.
Bei ihrem weiteren Vorbringen, das diesen Beschwerdepunkten entsprechend tatsächlich nur im Zusammenhang mit dem Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften steht, scheint sie zunächst zu übersehen, daß Rechtswidrigkeit des Inhaltes eines Bescheides im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG nur vorliegt, wenn die Behörde das Gesetz falsch auslegt, das sie auf den von ihr angenommenen Sachverhalt zur Anwendung bringt, nicht aber, wenn dieser zur Wirklichkeit im Widerspruch steht (siehe z.B. die von Dolp-Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 563, zitierte Rechtsprechung).
Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz VwGG im Falle einer sogenannten Bescheidbeschwerde nur die Möglichkeit hat, entweder diese als unbegründet abzuweisen oder den angefochtenen Bescheid aufzuheben, sind die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde (zum Beweisthema der mangelnden Glaubwürdigkeit der Schwester und der Mutter) gestellten Beweisanträge verfehlt.
Ganz abgesehen davon, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Beschwerdeführerin ihren Terminkalender als Beweismittel angeboten, doch mit Schreiben vom 11. Dezember 1989 mitgeteilt habe, sie unterliege als Unternehmensberaterin der Verschwiegenheitspflicht, weshalb sie nicht in der Lage sei, Kopien des Terminkalenders herauszugeben, mit der unmittelbar anschließenden Stelle in dem zitierten Schreiben, wonach die Beschwerdeführerin selbstverständlich jederzeit bereit sei, vor der Behörde im Zuge einer Einvernahme die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, in keiner Weise auseinandersetzte (diese Unterlassung kann durch die diesbezüglich in der Gegenschrift nachgeholte Begründung nicht ersetzt werden), belastet jedenfalls der folgende Begründungsteil des angefochtenen Bescheides, bezüglich ihres Ehegatten als Zeugen werde bei der Beurteilung davon ausgegangen, er hätte die Angaben der Beschwerdeführerin bestätigt, mit einer wesentlichen Rechtswidrigkeit, und zwar aus folgenden Gründen:
Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Ob ein bestimmtes Beweismittel auch subjektiv tauglich, d.h. geeignet ist, den Wahrheitsgehalt einer konkreten, im Abgabenverfahren strittigen Tatsache darzutun, kann erst nach Aufnahme des Beweises im Rahmen der freien Beweiswürdigung beurteilt werden. Die Abgabenbehörde darf daher ein (angebotenes oder den Akten, dem Verfahrensverlauf oder den Lebenserfahrungen zufolge naheliegendes) objektiv taugliches Beweismittel nicht mit Gründen ablehnen, die die Aussagefähigkeit (Beweiskraft) vorwegnehmen. Die Behörde würde ansonsten die ihr obliegende Verpflichtung zur vollständigen Ausschöpfung aller (objektiv tauglichen) Beweismittel verletzen; so beispielsweise, wenn die Behörde die Einvernahme von Zeugen nur deshalb ablehnt, weil sie annimmt, daß diese aller Voraussicht nach gleichlautend mit der Partei aussagen werden oder nicht anderes aussagen können, als was sie schon früher schriftlich erklärt hatten. In diesen Fällen kann zweifelsohne ERST NACH DURCHFÜHRUNG der betreffenden Beweiserhebung beurteilt werden, ob das Beweismittel zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet ist oder nicht. Um sich einerseits der Gefahr einer (unzulässigen) "vorgreifenden" Beweiswürdigung nicht auszusetzen, andererseits dem (verfahrensökonomisch bedingten) Gebot der Zweckmäßigkeit unter Beschränkung des Beweisverfahrens auf "geeignete" Beweismittel Rechnung zu tragen, wird die Behörde auf vom Beweisthema erfaßte Beweise nur dann verzichten dürfen, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes MIT BESTIMMTHEIT AUSSCHLIEßEN oder wenn diese nach Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren und von vornherein UNZWEIFELHAFTEN Gegebenheiten zufolge mit GEWIßHEIT zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen; wenn die Beweise für die Erhebung der Abgaben sohin nicht "wesentlich" sein können (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1982, Zl. 82/16/0073, ÖStZB 24/1983, S. 429).
Ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen hätte die belangte Behörde den Ehegatten der Beschwerdeführerin als Zeugen vernehmen müssen, zumal selbst die mit ihr und ihrem Gatten verfeindeten Zeuginnen (Mutter und Schwester) am 26. August 1991 bestätigten, daß sie, die trotz Führerscheines selbst nicht fahre, mit ihm im Mercedes vor Weihnachten zu ihnen nach D gekommen sei.
Abgesehen davon, daß in der Beschwerde behauptet wird, das erwähnte Schreiben der belangten Behörde vom 5. September 1991 - nach dessen Urschrift durch die Gewährung der Akteneinsicht auch der Anordnung des § 183 Abs. 4 BAO Genüge getan werden sollte - sei der Vertreterin der Beschwerdeführerin nicht zugekommen, wurde nach den vorgelegten Verwaltungsakten die betreffende schriftliche Ausfertigung jedenfalls nicht mit Zustellnachweis im Sinne des § 102 BAO zugestellt. Die belangte Behörde wird in diesem Zusammenhang aber im fortgesetzten Verfahren jedenfalls folgendes zu beachten haben:
Im Hinblick auf die Problematik der Kollisionen der Verfahrensgrundsätze an den Nahtstellen des Abgabenverfahrens und des Finanzstrafverfahrens (siehe z.B. den zuletzt veröffentlichten Diskussionsbeitrag von Plückhahn, Über den vermeintlichen Zwang zur finanzstrafrechtlichen Selbstbeschuldigung durch Erfüllung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, ÖStZ 17/1992, S. 237 ff) hat der Verwaltungsgerichtshof in mit dem vorliegenden Fall gleichgelagerten Fällen parallel oder überschneidend geführter Abgabenverfahren und Finanzstrafverfahren wiederholt dargetan, daß das Parteiengehör IN FÖRMLICHER WEISE zu gewähren ist (siehe z.B. das Erkenntnis vom 9. April 1981, Zlen 80/16/0132, 81/16/0063, teilweise veröffentlicht in der ÖStZB 1/1982, S. 9, und das bereits angeführte Erkenntnis vom 18. November 1982). In dem betreffenden Finanzstrafverfahren einerseits und in dem damit im Zusammenhang stehenden Eingangsabgabenverfahren andererseits erfordert nämlich die Gelegenheit zur Stellungnahme die Gestaltung des Vorganges in einer Weise, die der Partei jeweils nicht nur seine Bedeutung zum Bewußtsein bringt, sondern ihr auch die Möglichkeit der Überlegung und entsprechender Formulierung ihrer Stellungnahme bietet. Ein parallel oder überschneidend geführtes Finanzstrafverfahren und ein Eingangsabgabenverfahren dient OHNE VORHALT UND GELEGENHEIT ZUR STELLUNGNAHME IM EINGANGSABGABENVERFAHREN in Wahrheit NUR den finanzstrafrechtlichen Ermittlungen (siehe z.B. das bereits angeführte Erkenntnis vom 9. April 1981).
Selbst wenn - entgegen der Vernehmungsniederschrift des Zollfahndungsamtes M, BRD, vom 20. Juni 1989 - der als Vernehmungszeuge als gegenwärtig angeführte österreichische Beamte und nicht der deutsche Verhandlungsleiter die Beschwerdeführerin befragt hätte, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführerin (sondern - wenn überhaupt - höchstens deutscher Hoheitsrechte) zu erblicken, zumal der gleichzeitig anwesende deutsche Verhandlungsleiter die seiner Auffassung nach unzulässigen oder unsachlichen Fragen unterbinden konnte.
Im vorliegenden Fall kann in der Tatsache, daß B... nur als Beschuldigter einvernommen wurde, schon deshalb kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden, weil er zu dem hier entscheidenden Beweisthema, wer den Mantel über die Grenze gebracht hatte, selbst nach den Ausführungen in der Beschwerde nichts hätte wissen können. In diesem Zusammenhang fällt aber auf, daß sich die in dem Aktenvermerk des erwähnten Verhandlungsleiters vom 20. Juni 1989 angeführte, ihm von dem österreichischen Beamten übergebene Rechnung des B... vom 10. Oktober 1986 über den Kauf eines Lammfellmantels im Wert von DM 1.600,-- durch die Schwester nicht (wieder - auch nicht in Ablichtung) bei den vorgelegten Akten befindet.
Gemäß § 115 Abs. 3 BAO haben die Abgabenbehörden Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
Mit diesem Grundsatz ist es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vereinbar, wenn die belangte Behörde - laut Aktenvermerk vom 14. Oktober 1991 vor Erlassung der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung am 15. Oktober 1991 in Kenntnis des Inhaltes des Einspruches der Beschwerdeführerin gegen die betreffende Strafverfügung - die angefochtene Berufungsentscheidung ohne jede Bedachtnahme auf den - keineswegs unwesentlichen - Inhalt dieses Einspruches erließ (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1989, Zl. 88/16/0156, ÖStZB 23/24/1989, S. 494). Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin auch im Eingangsabgabenverfahren eine Säumnisbeschwerde (zu hg. Zl. 91/16/0081) eingebracht hatte, hätte durch einen entsprechend begründeten Fristverlängerungsantrag gemäß § 36 Abs. 2 zweiter Satz VwGG die Erlassung einer mängelfreien Berufungsentscheidung nicht verhindert.
Die angefochtene Berufungsentscheidung ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, weshalb der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin nach § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG von einer Verhandlung absehen kann.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweiswürdigung antizipative vorweggenommeneEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991160129.X00Im RIS seit
07.02.2002Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009