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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 23. Juli 1992, Zl. FrB-4250/92, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 3. Juli 1991 wurde im Instanzenzug gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein bis 13. November 1995 befristetes Aufenthaltsverbot für das "Gebiet der Republik Österreich" erlassen. Dies mit der Begründung, daß er gegenüber der österreichischen Botschaft in Ankara unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes in Österreich gemacht habe, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes zu verschaffen. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. wurde berücksichtigt, daß sich der Vater und zwei Brüder des Beschwerdeführers in Österreich aufhielten. Da aber die Mutter und zwei Schwestern des Beschwerdeführers in der Türkei lebten, und der Beschwerdeführer sich erst kurz in Österreich aufhalte, sei davon auszugehen gewesen, daß seine Beziehungen zu seinem Heimatland Türkei noch wesentlich stärker seien und die Integration in Österreich als gering bezeichnet werden könne.
2. Mit Eingabe vom 13. Dezember 1991 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, mit der Begründung, daß er im Besitz einer rechtswirksamen Beschäftigungsbewilligung bis zum 7. Juli 1992 sei, einer geregelten Tätigkeit in einem bestimmt bezeichneten Unternehmen nachgehe, ausreichend verdiene, um seinen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren, und mit den österreichischen Gesetzen bisher nicht in Konflikt geraten und auch sonst nicht negativ aufgefallen sei.
3. Mit Bescheid vom 23. Juli 1992 gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß bei Erlassung des befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer dessen künftiges Wohlverhalten vorausgesetzt und in die damaligen Überlegungen der belangten Behörde miteinbezogen worden sei, sodaß der Hinweis des Beschwerdeführers auf sein Wohlverhalten seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes allein nicht ausreiche, um die Voraussetzungen zu dessen Aufhebung als gegeben annehmen zu können. Hinzu komme, daß seit dem Zeitpunkt der Erschleichung des Sichtvermerkes erst etwas mehr als zwei Jahre vergangen seien. Dieser Sachverhalt sei somit nach wie vor gemäß § 3 Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes als bestimmte Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. zu werten.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer nunmehr einer Beschäftigung nachgehe. Dies sei allerdings insofern von geringer Bedeutung, als die Einreise und der anschließende Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einem erschlichenen Sichtvermerk beruhten. Außerdem stelle die Tätigkeit eines Sortierers in einer Wäscherei keine qualifizierte Tätigkeit dar, sie könne auch in einem anderen Land ausgeübt werden. Es sei somit weiterhin davon auszugehen, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
4. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen "Rechtswidrigkeit" aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 8 des Fremdenpolizeigesetzes ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.
Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 leg. cit. gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1992, Zl. 92/18/0100, und vom 20. Juli 1992, Zl. 92/18/0305).
1.2. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß auch die seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen Umstände bei der Entscheidung über die Aufhebung dieser Maßnahme zu berücksichtigen sind (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 92/18/0100 m.w.N. und das Erkenntnis Zl. 92/18/0305).
2. Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid die Ansicht vertreten, daß eine Änderung der maßgebenden öffentlichen Interessen seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht eingetreten sei. Diese Beurteilung ist insofern zutreffend, als im Hinblick auf den seit der Verwirklichung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes durch den Beschwerdeführer verstrichenen relativ kurzen Zeitraum nicht davon gesprochen werden kann, daß die solcherart bewirkte Gefährdung der öffentlichen Ordnung bereits weggefallen sei; im übrigen ist angesichts der Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes davon auszugehen, daß der Fristsetzung durch die belangte Behörde die Überlegung zugrunde lag, daß das besagte öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes vorhersehbarerweise nicht vor diesem Zeitpunkt (13.11.1995) zu bestehen aufhören würde.
Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß der Beschwerdeführer - die Ausführungen im angefochtenen Bescheid wie auch in der Beschwerde zugrunde gelegt - auch noch im Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Entscheidung dem über ihn verhängten Aufenthaltsverbot zuwider das Bundesgebiet nicht verlassen hatte. Die Mißachtung des mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes verknüpften Ausreisegebotes (§ 6 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes) wiegt schwer, bringt doch gerade dieses Verhalten sehr augenfällig zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken hat, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenpolizeilichen Vorschriften hinwegzusetzen.
Es ergibt sich somit, daß die zuungunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagenden maßgebenden öffentlichen Interessen seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht nur nicht weggefallen sind, sondern deren Gewicht sogar deutlich zugenommen hat.
3. Was die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten privaten (familiären) Interessen anlangt, so hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß bei Erlassung eines - wie hier - befristeten Aufenthaltsverbotes das künftige Wohlverhalten des Fremden in die für die Bestimmung der Frist relevanten Erwägungen einzubeziehen gewesen seien, weshalb dieser Umstand von vornherein nicht geeignet ist, als für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sprechender Gesichtspunkt herangezogen zu werden. Letzteres gilt auch für die vom Beschwerdeführer behauptete "nicht unerhebliche Integration", da eine solche nur bei einem rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu berücksichtigen ist, also nicht auch bei einem Aufenthalt entgegen einem bestehenden Aufenthaltsverbot (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1991, Zl. 91/19/0104). Auf die mit dem Aufenthalt des Vaters und zweier Brüder des Beschwerdeführers in Österreich begründeten privaten Interessen wurde bereits anläßlich der Verhängung des Aufenthaltsverbotes Bedacht genommen; eine nochmalige Berücksichtigung desselben (unverändert gebliebenen) Umstandes im Rahmen einer Entscheidung nach § 8 des Fremdenpolizeigesetzes kommt nicht in Betracht. Bei dieser Situation kann sich die dem Beschwerdeführer erteilte Beschäftigungsbewilligung und die aufgrund dessen von ihm ausgeübte berufliche Tätigkeit keinesfalls entscheidend zugunsten des Beschwerdeführers auswirken.
4. Nach dem Gesagten hegt der Gerichtshof gegen die zusammenfassende Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die nachteiligen Folgen der Beseitigung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, keine Bedenken.
5. Da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180400.X00Im RIS seit
22.10.1992