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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der P in Innsbruck, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 28. Juni 1991, Zl. MD/Präs.Abt.II-2071/1991, betreffend Abbruchauftrag für zwei Gebäude, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird soweit sich der Abbruchauftrag auf das Gebäude mit einer Größe von ca. 6 m x 9 m bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 10. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung der Auftrag erteilt, auf der Liegenschaft G-Straße 139, GP 3329/III, KG X, die nach dem Flächenwidmungsplan im Freiland liegt, 1. ein erdgeschoßiges Gebäude mit einer Größe von 6 m x 9 m, das mit einem Satteldach abgedeckt ist und als Wohnhaus dient, sowie 2. ein ebenerdiges Gebäude mit einer Größe von ca. 14 m x 4 m, das mit einem Pultdach abgedeckt ist und teilweise zu Lagerzwecken und teilweise als Wohnhaus genützt wird, binnen vier Monaten nach Rechtskraft des Bescheides abzutragen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung ergänzte die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren inbesondere durch Einholung eines Gutachtens des Stadtbauamtes vom 15. Mai 1991 und gab nach Vorhalt dieses Gutachtens der Berufung gegen den Bescheid vom 10. Dezember 1990 keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei aufgrund baupolizeilicher Ermittlungen festgestellt worden, daß auf der GP 3329/III, KG X zwei Gebäude in saniertem und instandgesetztem Zustand bestünden. Diese Gebäude wiesen eine Größe von 6 m x 9 m bzw. 4 m x 14 m auf, seien beide ebenerdig und mit einem Satteldach bzw. das größere Gebäude mit einem Pultdach abgedeckt. Für beide Objekte bestünden laut Ermittlungen der Bau- und Feuerpolizei keine Baubewilligung. Insbesondere aufgrund einer im August 1940 aufgenommenen Luftbildaufnahme stehe fest, daß die in Rede stehende Grundparzelle zu diesem Zeitpunkt zur Gänze mit Wald bestockt und ein Gebäude nicht auszumachen gewesen sei. Dieser Umstand habe aber nach einer Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 15. Mai 1991 nicht den zwingenden Schluß zugelassen, daß sich nicht eine kleinere Hütte, im Ausmaß von 6 m x 6 m unterhalb des Astwerkes befunden haben könnte. Auf einer Luftaufnahme aus dem Jahre 1953, aus welcher die überwiegende Schlägerung des Waldbestandes ersichtlich sei, könne ein Bauwerk mit den Ausmaßen von 6 m x 6 m und einem Satteldach, dessen Firstrichtung etwa Nord bis Süd verlaufe, zweifelsfrei ausgenommen werden. Die in späteren Jahren durchgeführten Befliegungen zeigten einerseits eine Verlängerung des ursprünglichen Gebäudes und andererseits die Neuherstellung von zwei Hütten an der nördlichen Grundgrenze mit den Ausmaßen von ca. 7 m x 4 m und 4 m x 3 m. Nunmehr befinde sich an der nördlichen Grundgrenze ein Gebäude mit den Ausmaßen von ca. 14 m x 4 m. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Vermutung des rechtmäßigen Bestandes einer Baubewilligung könne sich sohin nur auf ein Gebäude im Ausmaß von 6 m x 6 m beziehen. Die beiden Gebäude mit den vom Sachverständigen erhobenen Ausmaßen könnten erst nach dem Jahre 1975 fertiggestellt worden sein, sodaß aufgrund des kurzen Zeitablaufes hiefür die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes nicht Platz greifen könne. Da eine Baubewilligung nicht aufgefunden werden konnte, sei daher davon auszugehen, daß diese Gebäude ohne baubehördliche Genehmigung errichtet bzw. erweitert worden seien, sodaß der angefochtene Abbruchauftrag zu Recht erlassen worden sei.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 22. Juni 1992, Zl. B 850/91-24, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, (TBO), hat die Behörde den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen, wenn für die bauliche Anlage, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und der Erlassung des Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist, eine Baubewilligung nicht vorliegt. Aufgrund des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 15. Mai 1991 und der darin angeführten Luftbildaufnahmen aus den Jahren 1953, 1975 und 1981 konnte die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, daß das an der nördlichen Grundgrenze befindliche Gebäude mit den Ausmaßen von ca. 14 m x 4 m erst nach 1975 errichtet wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals ausgeführt, daß selbst ein Zeitraum von ungefähr 30 bis 40 Jahren zu kurz sei, um die auf eine bloße Vermutung zu stützende Annahme zu rechtfertigen, es sei die Baulichkeit, trotz Fehlens einer schriftlichen Baubewilligung baubehördlich bewilligt worden. Dies müsse vor allem dann gelten, wenn es sich um ein Gebiet handle, von dem amtsbekannt sei, daß für Bauführungen aus dieser Zeit entsprechende Unterlagen bei der Behörde aufliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0057 und die dort angeführte Vorjudikatur). Da für dieses Gebäude, das sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung (jedenfalls nach 1975) als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Abtragungsauftrages einer schriftlichen Baubewilligung bedurfte, eine derartige Baubewilligung aber nicht vorlag und es sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin schon aufgrund des Ausmaßes (14 m x 4 x) dieses Gebäudes um keinen "unbedeutenden Zubau" zu dem 6 m x 6 m großen Gebäude handelt, ist der Abbruchauftrag hinsichtlich dieses Gebäudes jedenfalls zu Recht ergangen.
Hinsichtlich des anderen ca. 6 m x 9 m großen Wohnhauses ist auch die belangte Behörde davon ausgegangen, daß jedenfalls im Jahre 1953 schon ein Gebäude errichtet war, dessen Außenmaße ca. 6 m x 6 m betrugen und dieses Objekt als konsentiert anzusehen sei, wofür einige Zeugenaussagen, Verträge und eine Rodungsbewilligung aus dem Jahre 1934 sprachen. Die Annahme der belangten Behörde, dieses Gebäude könne kein Wohngebäude gewesen sein, findet allerdings im bisherigen Ermittlungsverfahren keine Deckung. Somit kann auch der von der Behörde gezogene Schluß, aufgrund der Umgestaltung der Waldhütte in ein Wohnhaus und des Ausbaues dieser Hütte liege ein "aliud" vor, für das jedenfalls keine Baubewilligung anzunehmen sei, nicht nachvollzogen werden.
Um zweifelsfrei feststellen zu können, ob ein vermuteter Konsens für dieses Gebäude mit Grund angenommen werden kann oder ob das Gebäude zur Gänze konsenslos ist, bzw. welcher Gebäudeteil erst nach 1953 errichtet wurde, hätte die Behörde allenfalls mit Hilfe von Sachverständigen, die nach Begutachtung des Gebäudes aus dem Bauzustand und den verwendeten Materialien Schlüsse auf den Zeitpunkt der Errichtung ziehen können, das Alter des nunmehr vorhandenen Wohnhauses festzustellen gehabt. Der Umstand allein, daß allenfalls an derselben Stelle etwa schon vor Jahrzehnten ein Gebäude errichtet worden ist, vermag nichts über das Alter des jetzt auf diesem Platz bestehenden Gebäudes auszusagen. Ein Gebäude könnte zur Gänze oder teilweise abgetragen und durch ein neues Gebäude ersetzt worden sein. Da im vorliegenden Fall nicht zweifelsfrei feststeht, ob ein vor 1953 errichtetes Gebäude nicht doch als konsentiertes Wohngebäude anzusehen ist und Feststellungen über das Alter der nunmehr vorhandenen Baubsubstanz fehlen, mangelt es an einer grundlegenden Voraussetzung für die Annahme, daß das vorhandene Gebäude zur Gänze konsenslos ist.
Da nicht auszuschließen ist, daß die Behörde bei Durchführung der notwendigen Verfahrensergänzungen zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf das Wohnhaus mit den Ausmaßen von 6 m x 9 m bezog, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren für den, den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Betrag war abzuweisen.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992060169.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
23.03.2017