Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1109;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. August 1991, Zl. Jv 6741 - 33/91, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Am 28. November 1990 hatte der Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Kitzbühel (in der Folge: BG) eine gerichtliche Aufkündigung angebracht, die u.a. (gemäß § 562 Abs. 1 ZPO) den Antrag enthalten hatte, der Gegnerin aufzutragen, "die in der Kündigung bezeichnete Wohnung ... binnen vierzehn Tagen ab dem 31. 1. 1991 ... geräumt von allen Fahrnissen zu übergeben ..."
Nachdem die Gegnerin gegen den betreffenden Auftrag des BG rechtzeitig Einwendungen angebracht hatte, hatte der Beschwerdeführer (als Kläger) und die Gegnerin (als Beklagte) in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung am 3. Mai 1991 einen Vergleich mit folgenden wesentlichen Punkten geschlossen:
"1) Die beklagte Partei verpflichtet sich, bis längstens 31. 7. 1991 die in der Kündigung bezeichnete Wohnung ... der klagenden Partei geräumt von allen Fahrnissen zu übergeben.
2) Die beklagte Partei verzichtet auf jeden weiteren Räumungsaufschub, gleich aus welchem Grund.
3) Die beklagte Partei verpflichtet sich, bis längstens 31. 7. 1991 an die klagende Partei die Wohnungsschlüssel zu der unter Punkt 1) bezeichneten Wohnung herauszugeben.
4) Die beklagte Partei verpflichtet sich, bis jeweils zum Fünften eines Monats einen Mietzins (inklusive Betriebskosten, exklusive Stromkosten) an die klagende Partei in Höhe von
S 2.200,-- zu bezahlen.
5) ... 6) ... 7) ...
Festgehalten wird, daß die Stromkosten für März und April 1991 von der beklagten Partei noch an die klagende Partei zu leisten sein werden ..."
Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinne des angefochtenen Bescheides) Gegenstand der angeführten Punkte 3) und 4) dieses Vergleiches Leistungen sind, deren Wert das Klagebegehren im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG übersteigen, oder (im Sinne der Beschwerde) nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.
Nach Anmerkung 1 zu TP 1 des auf Grund des § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifes unterliegen u.a. der (nach dem Wert des Streitgegenstandes zu bemessenden) Pauschalgebühr gemäß dieser TP 1 auch Bestandverfahren.
Nach § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.
§ 54 Abs. 2 JN bestimmt, daß Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben.
Gemäß § 58 Abs. 1 JN ist als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Körperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen.
Nach § 16 Z. 1 lit. c GGG (in der hier maßgebenden Fassung durch Art. I Z. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 1987, BGBl. Nr. 646) beträgt die Bemessungsgrundlage 6.000 S u.a. bei Bestandstreitigkeiten, soweit nicht ein Geldbetrag verlangt wird.
Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich.
Nach § 18 Abs. 2 GGG treten hievon folgende Ausnahmen ein:
... 2. Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof zwar in ständiger Rechtsprechung (siehe zunächst das Erkenntnis vom 24. Mai 1991, Zl. 90/16/0083, ÖStZB 3/1992, S. 63, mit weiterem Hinweis) dargetan, daß die in einem Vergleich übernommene Verpflichtung zur Leistung eines Benützungsentgeltes oder Mietzinses als Recht auf den Bezug auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer anzusehen sind, wenn diese Verpflichtung "für die Dauer der Benützung", "bis zur tatsächlichen Räumung", "für den Fall der nicht rechtzeitigen Räumung", "für den Fall der Überziehung des Räumungstermines" o.ä. übernommen wurde.
Anders als in den dieser Rechtsprechung zugrunde gelegenen Fällen (siehe z.B. außer dem bereits angeführten Erkenntnis die Erkenntnisse vom 30. März 1989, Zl. 88/16/0196, ÖStZB 14/1991, S. 283, vom 10. März 1988, Zl. 87/16/0099, ÖStZB 19/1988, S. 421, vom 19. Februar 1987, Zl. 86/16/0135, Slg. Nr. 6192/F, vom 26. Mai 1983, Zl. 81/15/0092, ÖStZB 11/1984, S. 223, vom 11. Februar 1982, Zl. 1083/80, ÖStZB 3/1983, S. 38, vom 27. September 1967, Zl. 654/67, Slg. Nr. 3655/F, und vom 15. Februar 1966, Zl. 1771/65, ÖStZB 13/1966, S. 94) fehlt es aber im vorliegenden Fall - in gleicher Weise wie in dem dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. November 1981, Zl. 2596/79, Slg. Nr. 5629/F, zugrunde gelegenen - in dem gemäß § 914 ABGB auszulegenden Text des Vergleiches, dessen einzelne Punkte dabei nicht isoliert betrachtet werden dürfen, an einem Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien auch den Fall eines vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten als Bestandnehmerin hätten regeln wollen.
Daher ist Punkt 4) des Vergleiches dahin auszulegen, daß durch die mit ihm übernommene Verpflichtung die Pauschalgebühren im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG unter Zugrundelegung eines lediglich um die Summe der auf die Zeit bis 31. Juli 1991 entfallenden Mietzinse - also nicht um S 264.000,-- - höheren Streitwertes zu berechnen ist.
Hinsichtlich des Punktes 3) des Vergleiches wurde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides übersehen, daß zur Räumung der Bestandsache (grundsätzlich) auch die Übergabe der Schlüssel an den Bestandgeber oder seinen Vertreter gehört (siehe z.B. die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 24. Mai 1972, AZ 1 Ob 101/72, MietSlg. 24.153, vom 16. März 1977, AZ 1 Ob 806/76, MietSlg. 29.170, vom 17. Februar 1981, AZ 4 Ob 503/81, MietSlg. 33.180, und vom 28. September 1982, AZ 5 Ob 545/82, MietSlg. 34.234, sowie Würth in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1. Band2, Wien 1990, Rz 4 zu §§ 1109, 1110). Die im Punkt 3) des Vergleiches festgehaltene - vom Beschwerdeführer bereits mit seinem oben geschilderten Antrag in der gerichtlichen Kündigung angestrebte - Verpflichtung der Beklagten übersteigt deshalb nicht den Wert des Klagebegehrens im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG.
Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991160110.X00Im RIS seit
24.10.2001Zuletzt aktualisiert am
23.04.2009