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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 28. Februar 1991, GZ. GA 10 - 260/5/91, BS I-7/90, betreffend Festsetzung einer Geldstrafe und einer Ersatzfreiheitsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der ehemals als Marktfirant tätig war, wurde mit einem vom Spruchsenat beim Finanzamt für den ersten Bezirk gefällten Erkenntnis der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG, und zwar von Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer 1982 bis 1985 in Höhe von zusammen S 610.389,--, sowie der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, und zwar der Hinterziehung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Höhe von zusammen S 237.986,--, begangen einerseits als Abgabepflichtiger, andererseits bei Wahrnehmung der Angelegenheiten seiner ab 1985 ebenfalls als Marktfirant tätigen Ehegattin, schuldig erkannt. Die strafbaren Handlungen wurden dadurch bewirkt, daß die Erlöse aus dem Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers bzw. dem Gewerbebetrieb der Ehegattin des Beschwerdeführers nicht vollständig aufgezeichnet worden waren. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 300.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 90 Tagen verhängt. Bei der Strafbemessung wurden als mildernd der bisherige unbescholtene Lebenswandel und das Geständnis des Beschwerdeführers berücksichtigt. Erschwerungsgründe wurden nicht festgestellt. Bei der Strafbemessung verwies die Finanzstrafbehörde erster Instanz auf den Strafrahmen, wobei trotz der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers mit einer Geldstrafe im angeführten Ausmaß hätte vorgegangen werden müssen.
In der Berufung gegen das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz wurden allein Einwendungen gegen die Höhe der Geldstrafe und das Ausmaß der Ersatzfreiheitsstrafe erhoben. Sinngemäß wurde die Auffassung vertreten, auf die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers sei nicht ausreichend Bedacht genommen worden. Hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe wurde darauf verwiesen, daß die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Höchstausmaß der von ihr zu verhängenden Freiheitsstrafe angewendet hatte.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als die Geldstrafe auf S 250.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Monate herabgesetzt wurden. Die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz wertete danach als weiteren Milderungsgrund den Umstand, daß die Mitbeschuldigte Anna S., die Ehegattin des Beschwerdeführers, den Schaden zur Gänze gutgemacht habe, was sich auch, wenn auch in weit geringerem Maße, für den Beschwerdeführer auswirken müsse. Auch sei auf die äußerst schwierige Situation des Beschuldigten zu sehen, der "wirtschaftlich Schiffbruch erlitten" habe und durch Sorgepflichten für insgesamt sieben Kinder belastet sei.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtete sich in seinem Recht, daß über ihn lediglich eine unrechts- und schuldangemessene Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wird, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters. Bei Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, wobei die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden sind (§ 23 Abs. 2 FinStrG). Bei Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen (§ 23 Abs. 3 FinStrG).
Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Rahmens ist eine Ermessensentscheidung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 1989, 89/14/0008). Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt bei Übung des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Demgemäß obliegt es der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10.077/A).
Die Behörde ist im Beschwerdefall der ihr obliegenden Aufgabe, im Straferkenntnis bzw. an dessen Stelle in der Berufungsentscheidung diejenigen Feststellungen zu treffen und diejenigen Erwägungen darzulegen, auf Grund welcher sie die Strafe ausgemessen hat, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Vom Beschwerdeführer wird zutreffend gerügt, daß sich die belangte Behörde nicht damit auseinandergesetzt hat, ob ihm der Milderungsgrund im Sinne des § 34 Z. 18 StGB - Begehung der Tat vor längerer Zeit in Verbindung mit seitherigem Wohlverhalten - zuzurechnen ist. Indem die belangte Behörde keine Überlegungen über das Vorliegen dieses Milderungsgrundes und damit über den Einfluß dieses Milderungsgrundes auf die Bemessung der Strafe angestellt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für die Durchführung des fortzusetzenden Verfahrens ist unter Bedachtnahme auf die weiteren Beschwerdeausführungen davon auszugehen, daß die Finanzstrafbehörden das Vorliegen des Milderungsgrundes des im Sinne des nach § 23 Abs. 2 zweiter Satz FinStrG auch für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren anzuwendenden § 34 Z. 17 StGB hinsichtlich aller dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Fakten zu Unrecht angenommen haben. § 34 Z. 17 StGB nimmt als Milderungsgrund das reumütige Geständnis oder das Geständnis, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, an. Ein reumütiges Geständnis umfaßt sowohl das Zugeben der gegen den Täter erhobenen und in der Verurteilung für richtig befundenen Anschuldigung zumindest in ihren wesentlichen Punkten, als auch ein diesbezügliches Schuldbekenntnis, verbunden mit einer nicht bloß intellektuellen, sondern gesinnungsgemäßen Mißbilligung der Tat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, 91/16/0054).
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner ersten Vernehmung als Verdächtiger am 2. April 1987 entschieden in Abrede gestellt, daß die ihm vorgehaltenen Aufzeichnungen - die bei Vollstreckungsmaßnahmen von den Abgabenbehörden vorgefunden worden waren - die tatsächlich erzielten Erlöse wiedergaben. Vielmehr behauptete er bei dieser Vernehmung, die Aufzeichnungen, in denen höhere Erlöse als die gegenüber den Abgabenbehörden angegebenen aufschienen, seien zur Erlangung eines Kredites bei einer Bank verfälscht worden. Erst nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurde vom steuerlichen Vertreter am 30. März 1989 zuerkannt, daß die Erlöse verkürzt worden sind. Bei einer Vernehmung am 18. April 1989 gab der Beschwerdeführer schließlich an, er habe veranlaßt, daß seine Ehegattin dem steuerlichen Vertreter unrichtige Beträge bekanntgegeben habe. Ein Geständnis im Sinne des § 34 Z. 17 StGB lag somit jedenfalls hinsichtlich der den Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers selbst betreffenden Fakten nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehen in Ansehung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten gewichtige Erschwerungsgründe: Der Beschwerdeführer hat die strafbare Handlung durch längere Zeit fortgesetzt (§ 33 Z. 1 StGB). Überdies war er Urheber der in Ansehung des Gewerbebetriebes der Ehegattin begangenen Handlungen (§ 33 Z. 4 StGB).
Der Umstand, daß ein Konkursantrag mangels Vermögen des Beschwerdeführers abgewiesen worden ist, kann über die Würdigung der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers hinaus nicht zu einer weiteren Berücksichtigung führen, weil wie ausgeführt Grundlage für die Strafbemessung die Schuld des Täters - hier mit direktem Vorsatz durch mehrere Jahre ausgeführte strafbare Handlungen - ist.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, für generalpräventive Gründe bleibe "aufgrund der mangelnden Publizität des gegenständlichen Finanzstrafverfahrens" kein Platz, übersieht, daß dem Finanzstrafrecht, obwohl der überwiegende Teil des Finanzstrafverfahrens nicht öffentlich ist, generalpräventive Überlegungen keineswegs fremd sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1987, 86/15/0120).
Zu der vom Beschwerdeführer gegen das Ausmaß der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ins Treffen geführte Proportionalität zwischen dem äußersten Strafrahmen bei der Geldstrafe und der Höchstdauer der Ersatzfreiheitsstrafe - im Beschwerdefall drei Monate (vgl. § 20 Abs. 2 FinStrG) - ist folgendes zu bemerken:
Geht man im konkreten Beschwerdefall davon aus, daß sich der strafbestimmende Wertbetrag mit rund S 850.000,-- der Grenze von 1 Million S annähert, ab welchem Betrag das Gericht zur Ahndung des Finanzvergehens zuständig ist (vgl. § 53 Abs. 1 lit. b FinStrG), so steht eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten durchaus in Relation zur Höchstdauer der Ersatzfreiheitsstrafe in Verfahren vor dem Spruchsenat.
Mit den Einwendungen gegen die Höhe der Ersatzfreiheitsstrafe übersieht der Beschwerdeführer überdies, daß auch die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend der Schuld des Täters unter Berücksichtigung der Erschwerungs- und Milderungsgründe zu bemessen ist. Hingegen sind die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters nur bei der Bemessung der Geldstrafe, nicht aber der Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend (vgl. § 23 Abs. 3 FinStrG). Insbesondere scheiden für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe Überlegungen darüber, wie diese vollzogen werden kann, aus.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Geldstrafe und ArreststrafeErschwerende und mildernde Umstände AllgemeinPersönliche Verhältnisse des BeschuldigtenBegründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130130.X00Im RIS seit
28.10.1992Zuletzt aktualisiert am
25.08.2011