TE Vwgh Beschluss 1992/10/28 92/03/0224

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Veröffentlicht am 28.10.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §73 Abs2;
B-VG Art103 Abs4;
GewO 1973 §344 Abs3;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, in der Beschwerdesache des T in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Landeshauptmann von Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Taxikonzessions-Angelegenheit, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen erließ der Landeshauptmann von Wien am 26. März 1991 zu MA 63-W 512/90 einen Berufungsbescheid, wonach dem Beschwerdeführer die Erteilung einer Konzession für das Taxigewerbe, beschränkt auf die Verwendung von einem Personenkraftwagen im Standort 1150 Wien, Mariahilferstraße 221 verweigert wurde. Gegen diesen Berufungsbescheid hat der Beschwerdeführer am 27. Mai 1991 eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, der der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Februar 1992 Folge gab, der Berufungsbescheid der belangten Behörde wurde aufgehoben.

Mit der vorliegenden, auf Art. 132 B-VG und § 27 VwGG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Landeshauptmann von Wien geltend gemacht. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sei der belangten Behörde am 8. April 1992 tatsächlich zugegangen, die Frist von sechs Monaten gemäß § 73 AVG sei abgelaufen, ohne daß die belangte Behörde einen Ersatzbescheid in der Sache erlassen und zugestellt hätte.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Nach der Anordnung des § 27 VwGG idF BGBl. Nr. 330/1990 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Bestimmung des § 73 Abs. 2 AVG sieht vor, daß auf schriftliches Verlangen der Partei, der innerhalb der sechsmonatigen Frist des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle der Bescheid nicht zugestellt wurde, die Zuständigkeit auf die zur Entscheidung sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen) übergeht. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Frist mit dem Tag des Einlangens des Antrages zu laufen (§ 73 Abs. 3 AVG). Eine Säumnisbeschwerde kann daher im Anwendungsbereich dieser Norm zulässig erst erhoben werden, wenn die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, auf die im Wege der Devolution die Zuständigkeit zur Entscheidung übergegangen ist, ihre Entscheidungspflicht verletzt hat (vgl. u.a. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1982, Zl. 81/04/0061 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Die Beschwerde betrifft eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung, in der der administrative Instanzenzug nach Maßgabe des Art. 103 Abs. 4 B-VG und des § 344 Abs. 3 der Gewerbeordnung 1973 beim Landeshauptmann endet. Ist ein letztinstanzlicher Bescheid des Landeshauptmannes aufgehoben worden, dann kann bei Unterlassung eines bescheidmäßigen Abspruches erst dann Säumnisbeschwerde erhoben werden, wenn der Übergang der Entscheidungspflicht an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde geltend gemacht wurde und diese Behörde ebenfalls säumig ist (vgl. in diesem Sinne den hg. Beschluß vom 2. Juli 1981, Zl. 81/04/0113 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Im vorliegenden Fall fehlt es an den Voraussetzungen zur Erhebung der Säumnisbeschwerde, weil die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, nämlich der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (vgl. hiezu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1987, Zl. 87/03/0127 mit weiteren Judikaturhinweisen), im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht im Sinne des § 73 Abs. 2 angerufen werden kann.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die vom Beschwerdeführer zum Beweise des Ablaufs der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG vorgelegte Ausfertigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nicht - wie vom Beschwerdeführer behauptet - das Eingangsdatum 8.4.1992 trägt, sondern "23.4.92", sodaß vom Ablauf der sechsmonatigen Frist im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde noch nicht ausgegangen werden könnte.

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992030224.X00

Im RIS seit

28.10.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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