TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/29 91/10/0092

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.1992
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/03 Weinrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
WeinG 1985 §33 Abs5;
WeinG 1985 §65 Abs3 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des W in H, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Februar 1991, Zl. IIa - 90.009/3-91, betreffend Übertretung des Weingesetzes 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Straf- und Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter des zur Vertretung nach außen berufenen Organs einer näher bezeichneten juristischen Person durch diese juristische Person am 11. Mai 1988 33 Paletten Rotwein unter der Bezeichnung "CASTELLER D.O.C. halbtrocken" an ein näher bezeichnetes Unternehmen des Lebensmittelhandels ausgeliefert und somit in Verkehr gesetzt, obwohl dieser Wein mit einem Restzuckergehalt von 1,5 g pro Liter im Sinne des § 33 Abs. 5 des Weingesetzes 1985 mit der Bezeichnung "halbtrocken" anstatt "trocken" falsch bezeichnet gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 65 Abs. 3 Z. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 5 des Weingesetzes 1985 sowie § 9 VStG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet ein, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten.

Nach § 65 Abs. 4 des Weingesetzes 1985 (im folgenden: WeinG) ist die Verfolgung einer Person wegen einer der in den Abs. 1 bis 3 angeführten Verwaltungsübertretungen unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.

Dem Beschwerdeführer wurde die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach dem WeinG am 11. Mai 1988 (Tatzeit) angelastet. Mit einem mit 5. April 1989 datierten, am 6. April 1989 zur Post gegebenen Schreiben wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, sich als Beschuldigter zu rechtfertigen. Damit wurde innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 65 Abs. 4 WeinG eine Verfolgungsverhandlung gesetzt. Der Einwand des Beschwerdeführers, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, trifft daher nicht zu.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, er habe im Verwaltungsstrafverfahren die Einvernahme der importierenden Spedition und der Büroangestellten im Betrieb der Firma A zum Beweis dafür beantragt, daß die Spedition jeweils Muster von jeder importierten Partie Wein zustelle und eine Verkostung dieses Weines im Betrieb stattfinde sowie die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zum Beweis dafür, daß die von der belangten Behörde eingeholten Gutachten unrichtig seien. Die belangte Behörde habe diese Beweisanträge abgewiesen, da sie nicht dem Nachweis der Identität des in M untersuchten Weines dienten, sondern nur die allgemeine Sorgfalt des Beschwerdeführers beweisen sollten. Damit habe die belangte Behörde eine unzulässige antizipative Beweiswürdigung vorgenommen.

Nach § 33 Abs. 5 WeinG sind auf dem Flaschenschild überdies die Herkunftsbezeichnung, die Angaben über den Gehalt an vorhandenem Alkohol, unvergorenem Zucker und sofern der Wein unter einer Jahrgangs- und Sortenzeichnung in Verkehr gebracht wird, auch diese anzubringen. Für den Gehalt des unvergorenen Zuckers sind die Bezeichnungen "trocken" oder "für Diabetiker geeignet" bei einem Restzucker von höchstens 4 Gramm je Liter, "halbtrocken" bei einem Restzucker von höchstens 9 Gramm je Liter, "halbsüß" oder "lieblich" bei einem Restzucker von höchstens 18 Gramm je Liter und "süß" bei einem höheren Restzucker anzugeben. § 33 Abs. 5 WeinG sieht die Bezeichnung "halbtrocken" für Wein mit einem Restzuckergehalt von höchstens 9 Gramm je Liter vor. Aus der Einordnung von Wein mit einem Gehalt an unvergorenem Zucker von höchstens 4 Gramm je Liter als "trocken" ergibt sich, daß die Bezeichnung "halbtrocken" nur für Wein mit einem Restzuckergehalt von mehr als 4 Gramm und höchstens 9 Gramm je Liter zulässig ist.

Nach § 65 Abs. 3 Z. 2 WeinG begeht eine Verwaltungsübertretung, die von der Bezirksverwaltungsbehörde wie die Übertretungen nach Abs. 1 zu bestrafen ist, wer Wein oder weinähnliches Getränk, dessen Bezeichnung nicht den Betimmungen der §§ 1 Abs. 3 und 4, 23 bis 26, 28, 29 Abs. 1, 2 und 4, 30 Abs. 1, 32 Abs. 1 bis 8 und 33 entspricht, zum Verkauf bereithält, verkauft oder sonst in Verkehr bringt oder Prädikatswein entgegen § 30 Abs. 3 vor dem dort genannten Zeitpunkt in Verkehr bringt.

Zum Tatbestand einer Übertretung nach § 65 Abs. 3 Z. 2 WeinG iVm § 33 Abs. 5 leg. cit. gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr; es handelt sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt, das heißt, daß nach § 5 Abs. 1 VStG bei Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmungen des WeinG Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Unbestritten ist, daß die vom Marktkommissär als amtliche Probe entnommene Flasche Casteller D.O.C. 1986 vom Beschwerdeführer an die M-GesmbH in V ausgeliefert und damit in Verkehr gebracht wurde, daß diese Probe einen Restzuckergehalt von 1,5 g/l aufwies und mit der Bezeichnung "halbtrocken" versehen war und somit der Bestimmung des § 33 Abs. 5 WeinG nicht entsprach. Der Beschwerdeführer hat sich damit gerechtfertigt, nach dem Zeugnis der Untersuchungsanstalt S habe der Wein einen Zuckergehalt von 5,7 g/l aufgewiesen; der festgestellte Zuckergehalt von 1,5 g/l sei auf eine Nachgärung zurückzuführen. Zu dieser Frage wurden im Verwaltungsstrafverfahren ein Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck eingeholt, die zu dem Ergebnis kam, daß eine Nachgärung nicht stattgefunden habe. Wenn der Beschwerdeführer dieses Gutachten für unrichtig hielt, so wäre es seine Sache gewesen, auf gleicher fachlicher Ebene - etwa durch Beibringung eines Gegengutachtens - entgegenzutreten. Er hat aber lediglich beantragt, die belangte Behörde möge weitere Sachverständigengutachten, insbesondere von der Untersuchungsanstalt S, zum Beweis dafür einholen, daß das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung unrichtig sei. Diesen Anträgen hat die belangte Behörde zu Recht nicht stattgegeben, da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, begründete Zweifel an der Richtigkeit der ihr vorliegenden Gutachten zu erwecken und daher keine Notwendigkeit zur Einholung weiterer Gutachten bestand.

Dem Beschwerdeführer ist es auch nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, daß die von ihm vorgelegten Zeugnisse der Anstalt S dem von ihm in Verkehr gebrachten Wein einen Restzuckergehalt von 5,7 g/l bescheinigten. Es stellte sich heraus, daß die vom Beschwerdeführer nach und nach als Beweis angebotenen Zeugnisse sich jeweils auf einen anderen als den inkriminierten Wein bezogen.

Die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung von Bediensteten der importierenden Spedition und von Büroangestellten im Betrieb der Firma A zum Beweis dafür, daß die Spedition jeweils Muster von jeder importierten Partie Wein zustelle und eine Verkostung des Weines im Betrieb stattfinde war kein geeignetes Mittel, um glaubhaft zu machen, daß dem Beschwerdeführer die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war, da eine bloße Verkostung keine Gewähr für eine verläßliche Feststellung bietet, welchen Gehalt an unvergorenem Zucker der Wein aufweist. Hiefür wäre eine Analyse durch eine hiezu befugte Anstalt erforderlich gewesen.

In der Schuldfrage erweist sich damit der angefochtene Bescheid als nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Hingegen ist der Beschwerdeführer im Recht, wenn er dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit im Zusammenhang mit der Strafbemessung vorwirft. Es liegt zwar kein Fall vor, in dem die Behörde gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe hätte absehen müssen, kann doch keine Rede davon sein, daß das tatbildmäßige Verhalten des Beschwerdeführers hinter dem in der Strafdrohung des § 65 Abs. 3 Z. 2 iVm § 33 Abs. 5 WeinG typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt, was aber Voraussetzung für eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG wäre (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 814 f unter Nr. 7 angeführte Rechtsprechung), doch entspricht die von der belangten Behörde für die Strafbemessung gegebene Begründung nicht dem Gesetz. Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hat in der Begründung ihres Straferkenntnisses zur Strafbemessung unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe zwar in den letzten fünf Jahren keine Übertretungen nach dem WeinG begangen; es habe ihm jedoch mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 29. Juli 1982 die Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe entzogen werden müssen. Die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sei vom Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 22. Februar 1985 bestätigt worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer die Berufung an den Bundesminister für Handel und Verkehr eingebracht; auf Grund der Mitteilung des Beschwerdeführers über die Löschung der Gewerbeberechtigung seien die Bescheide vom Bundesminister behoben worden. Im Hinblick auf dieses Vorleben des Beschwerdeführers erscheine die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- aus Gründen der Spezialprävention durchaus angebracht, da er eine niedrigere Strafe nicht hinlänglich ernst nehmen dürfte. Welcher Zusammenhang zwischen der Entziehung der Gewerbeberechtigung im Jahr 1982 und der Übertretung des WeinG besteht, insbesondere aus welchen Gründen die Entziehung erfolgte und warum aus dieser Entziehung der Gewerbeberechtigung geschlossen werden kann, daß sie für die Strafhöhe relevant ist, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, daß - wie die Strafbehörde erster Instanz selbst eingeräumt hat - der Entziehungsbescheid behoben wurde. Daß die Aufhebung deswegen erfolgte, weil noch vor der Entscheidung durch den Bundesminister eine Löschung der Gewerbeberechtigungen erfolgte, sagt nichts darüber aus, ob der Berufung ohne diese Löschung ein Erfolg versagt geblieben wäre. Die Heranziehung der Gewerbeentziehung für die Strafbemessung war daher jedenfalls in der nicht näher begründeten Art und Weise, wie dies die Strafbehörde erster Instanz getan hat, unzulässig. Dies wurde auch vom Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis geltend gemacht. Die belangte Behörde hat es unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen und entweder die verhängte Strafe herabzusetzen oder zu begründen, daß auch ohne Berücksichtigung der Entziehung der Gewerbeberechtigung die von der Erstbehörde verhängte Strafe adäquat sei, obwohl die Erstbehörde die Entziehung der Gewerbeberechtigung als ein wesentliches Element der Strafbemessung gewertet hat. Die belangte Behörde hat sich damit begnügt, die Strafbemessung durch die Erstbehörde deswegen für dem § 19 VStG entsprechend zu erklären, weil die Höchststrafe des herangezogenen Strafrahmens bis zu S 60.000,-- betrage und die Erstbehörde somit nicht einmal ein Zehntel des zur Verfügung stehenden Strafrahmens ausgeschöpft habe. Es trifft zwar zu, daß die verhängte Strafe nicht einmal ein Zehntel des zur Verfügung stehenden Strafrahmens beträgt, doch reicht dieser Umstand im Beschwerdefall für sich allein angesichts der Bedeutung, die die Erstbehörde einem rechtlich irrelevanten Kriterium für die von ihr als angemessen erachtete Strafhöhe zugemessen hat, nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der Strafbemessung zu begründen. Außerdem ist die belangte Behörde von einem falschen Strafrahmen ausgegangen. Dem Beschwerdeführer wird eine Übertretung des § 65 Abs. 3 Z. 2 WeinG zur Last gelegt. Übertretungen des § 65 Abs. 3 leg. cit. sind nach dem Einleitungssatz dieser Bestimmung mit demselben Strafsatz bedroht wie Übertretungen des § 65 Abs. 1, nämlich S 12.000,--.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Straf- und Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100092.X00

Im RIS seit

29.10.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten