TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/29 92/10/0121

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Veröffentlicht am 29.10.1992
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
LMG 1975 §9 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des R K in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. März 1992, Zl. MA 63-K 39/91/Str., betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgeweisen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. März 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der F. J K-Gesellschaft m.b.H. in W, X-Gasse, nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 6. März 1990 ein kosmetisches Mittel, nämlich zwei Glasflaschen zu je 135 ml Diaktiv Franzbranntwein, mit dem auf der Verpackung aufscheinenden irreführenden Hinweis auf physiologische Wirkungen "strafft die Haut" durch Bereithalten zur Auslieferung im Lager in W, X-Gasse, in Verkehr gebracht habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 iVm § 26 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In der Begründung wird ausgeführt, es stehe unbestritten fest, daß das kosmetische Mittel Diaktiv Franzbranntwein zwar den hautdurchblutungsfördernden Wirkstoff Menthol enthalte, aber keine hautstraffende Wirkung habe. Die Anpreisung "strafft die Haut" stelle daher einen nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 unzulässigen irreführenden Hinweis auf physiologische Wirkungen dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Anpreisung "strafft die Haut" stelle keinen unzulässigen bzw. irreführenden Hinweis auf eine physiologische Wirkung dar. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Behauptung, es stehe unbestritten fest, daß das kosmetische Mittel Diaktiv Franzbranntwein keine hautstraffende Wirkung habe, sei aktenwidrig und beruhe auf einem gesetzwidrigen Verfahren. Kein vernünftiger Mensch glaube von sich aus oder könne durch Wirkungsaussagen üblicher Art für ein kosmetisches Mittel davon überzeugt werden, er könne den natürlichen Alterungsprozeß der Haut aufhalten. Jeder sei sich bewußt, daß nur gewisse äußere Erscheinungsformen des unvermeidlichen Alterungsprozesses gemildert werden könnten. Bei der Prüfung von Hinweisen auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen bei Verwendung kosmetischer Mittel sei daher regelmäßig davon auszugehen, daß diese Angaben in der Verbrauchervorstellung ohne weitere Überlegung auf diesen Tatsachenkern reduziert würden, der selbst aber nicht unrichtig und auch nicht zur Irreführung geeignet sei. Damit entfalle zugleich die objektive Eignung solcher Aussagen, irrige Überzeugungen der angesprochenen Verbraucher zu bewirken, somit auch die Irreführungseignung im Rechtssinn.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, im Anzeigegutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 5. Oktober 1990 sei dargelegt worden, daß die Anpreisung "hautstraffend" bei einem kosmetischen Mittel auch bei Anwesenheit eines tonisierenden bzw. hautdurchblutungsfördernden Wirkstoffes einen irreführenden Hinweis darstelle. Daraus folge, daß das gegenständliche kosmetische Mittel keine hautstraffende Wirkung habe. Der Beschwerdeführer sei diesem Gutachten im Verwaltungsstrafverfahren nicht entgegengetreten, obwohl es ihm laut Niederschrift vom 14. Februar 1991 zur Kenntnis gebracht worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG 1975 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen des § 26 Abs. 2 zuwiderhandelt.

Nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 gelten beim Verkehr mit kosmetischen Mitteln § 8 lit. a, b und f sinngemäß, § 9 mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind. Werden solche Wirkungen behauptet, sind der Behörde auf Verlangen die wirksamen Komponenten bekannt zu geben.

§ 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 verbietet, sich beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Aus dem Zusammenhang der §§ 74 Abs. 5 Z. 3, 26 Abs. 2 und 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 folgt, daß beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen nur dann verboten sind, wenn sie irreführend sind.

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, die Anpreisung "strafft die Haut" sei deswegen ein irreführender Hinweis auf physiologische Wirkungen, weil das kosmetische Mittel Diaktiv Franzbranntwein keine hautstraffende Wirkung habe. Sie leitet dies, wie sich aus der Gegenschrift ergibt, aus dem Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 5. Oktober 1990 ab. Dieses lautet in seinem für den Beschwerdefall relevanten Teil:

"Die auf der Verpackung befindliche Anpreisung 'strafft' verstößt gegen das Verbot gesundheitsbezogener Angaben des § 9 Abs. 1 LMG (§ 26 Abs. 2 LMG).

Die Anpreisung: 'hautstraffend' stellt nach der in der Kodexunterkommission ausgearbeiteten 'Richtlinie über beispielhafte werbliche Anpreisungen für Kosmetiker' auch bei Anwesenheit eines tonisierenden bzw. hautdurchblutungsfördernden Wirkstoffes einen irreführenden Hinweis dar."

Dieses "Gutachten" erschöpft sich somit in einer rechtlichen Qualifikation, nämlich der Subsumtion des Hinweises "strafft die Haut" unter das Tatbestandsmerkmal der Irreführung, erfüllt aber nicht die eigentlichen Aufgaben eines Gutachtens, nämlich tatbestandsrelevante Sachverhaltselemente klarzustellen. Insbesondere läßt sich aus diesem "Gutachten" keine Aussage des Inhaltes entnehmen, daß das kosmetische Mittel Diaktiv Franzbranntwein keine hautstraffende Wirkung habe. Die entsprechende Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist daher unschlüssig.

Die belangte Behörde war verpflichtet, von Amts wegen festzustellen, ob durch den Hinweis "strafft die Haut" das Tatbestandsmerkmal der Irreführung erfüllt wurde. Da das "Gutachten" der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung als Grundlage für eine solche Feststellung nicht geeignet ist, kommt dem Umstand, daß der Beschwerdeführer diesem "Gutachten" nicht entgegengetreten ist, keine Bedeutung zu. Hiezu kommt, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens den Standpunkt vertreten hat, eine Übertretung des LMG 1975 liege schon deswegen nicht vor, weil das kosmetische Mittel nicht mehr zur Auslieferung, sondern zur Vernichtung bestimmt gewesen sei. Vor dem Hintergrund dieser Argumentationslinie war aus der Sicht des Beschwerdeführers eine Auseinandersetzung mit der Frage der Irreführungseignung des Hinweises auf die Hautstraffung nicht erforderlich.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der dem Beschwerdeführer gebührende Aufwandersatz setzt sich zusammen aus dem Schriftsatzaufwand (S 11.120,--) und den Stempelgebühren (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides). Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992100121.X00

Im RIS seit

29.10.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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